Società | Tagebuch aus Alpbach
Eine Demokratisierung der Demokratie?

Foto: EFA
Europa wird von einer Reihe an Krisen heimgesucht: In der Ukraine herrscht Krieg. Die Energiepreise explodieren. Eine Klimakatastrophe rückt mit hoher Geschwindigkeit näher, doch die gesetzten Klimaziele werden nicht erreicht. Die fortschreitende Digitalisierung – angetrieben nicht zuletzt von der COVID-19-Pandemie – bedroht die politische Öffentlichkeit durch Fragmentierung und die politische Meinungsbildung durch eine Überfülle an Informationen. Eine zunehmende Pluralität an Lebensformen und Weltanschauungen – bedingt durch gestiegene Mobilität, Fluchtbewegungen und neue wissenschaftliche Errungenschaften – steigert das Konfliktpotenzial, wobei das Erstarken des autoritären Populismus nur die sichtbarste Konsequenz ist.
Ist ein demokratisches System diesen Herausforderungen gewachsen? Brauchen wir Expertokratien, oder doch ein Mehr an Demokratie – eine Demokratisierung der Demokratie? Fragen wie diese darf ich im Rahmen des Seminars „Democracy in Times of Crisis“ beim Europäischen Forum Alpbach (EFA) mit jungen, motivierten Teilnehmenden aus aller Welt sowie hochqualifizierten Seminarleiterinnen debattieren.
Blickt man auf die Klimakrise, ist die Ausgangslage so klar wie ernüchternd: Die wissenschaftlichen Fakten lassen keinen berechtigten Zweifel an den verheerenden Folgen der globalen Erwärmung zu (siehe Sixth Assessment Report des IPCC[1]). Zugleich gilt die im Jahr 2015 beim Pariser Klimaabkommen vereinbarte Einschränkung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bereits heute als wohl nicht mehr erreichbar. Naturwissenschaftliche Berechnungen allein konnten die Gesellschaft bisher zu keiner Veränderung ihrer Lebensweise bewegen.
Ein breiteres Wissenschaftsverständnis und das Entwickeln von neuen Visionen und Lebensentwürfen ist notwendig, um den Krisen zu begegnen – davon scheinen auch die Organisator:innen des EFA überzeugt zu sein. Ein Blick auf das Programm lässt erkennen, dass neben renommierten Wissenschaftler:innen und Politiker:innen auch Aktivist:innen und Künstler:innen verschiedenster Generationen geladen sind.
Womit das EFA meiner Einschätzung nach aber am meisten überzeugen kann, ist die kritische und internationale Masse der Stipendiat:innen. Durch sie gelingt eine prüfende Selbstreflexion.
Das lässt sich anhand einiger Beispiele verdeutlichen: Gesponserte Veranstaltungen, welche das EFA als solche markiert, haben eine Reihe von Diskussionen angeregt. Was könnte der Beweggrund eines Unternehmens sein, eine Veranstaltung zu finanzieren, welche nicht unmittelbar im Einklang mit dem eigenen Geschäftsinteresse steht oder diesem auf den ersten Blick gar diametral entgegengesetzt zu sein scheint? Oder was sagt es über das EFA aus, wie ein sich vegan ernährender Kollege nicht müde wird zu monieren, dass es sich einerseits
Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreibt, gleichzeitig aber bei Buffets häufig keine vegane Variante, sondern Fleisch wie selbstverständlich als Statussymbol serviert?
Und abschließend: Um neu geknüpfte Kontakte aufrechtzuerhalten, kann ein QR-Code von der Eintrittskarte anderer Forum-Teilnehmer:innen gescannt werden, wodurch die Vernetzung über eine eigene App sichtbar gemacht wird. Dabei gibt es die Funktion, das „Potential der Verbindung“ zu bewerten, welche mit folgender Anweisung überschrieben ist: „Score your connection. Adding a scoring helps you follow-up by knowing the potential of each connection made.” Ist dies die Art, wie wir unseren Mitmenschen in einem demokratischen Europa begegnen wollen?
Ja, es wird viel geredet und manchmal wenig gesagt, der symbolische Status wiegt (vielleicht zu) schwer und überzogene Narrative werden beschworen – wie beispielsweise, dass man Teil einer ausgewählten Elite sei.
Ja, es wird viel geredet und manchmal wenig gesagt, der symbolische Status wiegt (vielleicht zu) schwer und überzogene Narrative werden beschworen – wie beispielsweise, dass man Teil einer ausgewählten Elite sei. Und doch ist alles in allem eine Teilnahme zu empfehlen, denn letztlich gilt, um es mit den Worten der Organisator:innen des EFAs zu sagen: „…it is what you make of it.“
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Die Wissenschaft scheint in
Die Wissenschaft scheint in einem Elfenbeinturm gefangen, eine Parallelwelt zu einer Realityshows konsumierenden Masse, die von Zukunftsängsten nicht geplagt werden wollen. Dumpfe Nutzmenschen, die an ihren Gitterstäben vorbeiziehen wie der berühmte Panther von Rilke. Aber wenn es zu spät ist, wohin flüchten dann all die Schönen und Reichen, gehen mit unter, auch wenn in den Luxussuiten. Viel gescheiter sind die dann auch nicht.