Cultura | Gespräch

Ötzis neue Verwahrerin

Mit dem Allerheiligentag ist Elisabeth Vallazza offiziell neue Direktorin des Archäologiemuseums. Ein Antrittsgespräch über ihre neue Rolle und den toten Mann aus dem Eis
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Foto: Südtiroler Archäologiemuseum

salto.bz: Sie sind mit 1. November Direktorin des Archäologiemuseums und somit Hüterin einer der bekanntesten Leichen der Welt. Was bedeutet die neue Aufgabe für Sie?

Elisabeth Vallazza: In erster Linie ist es natürlich eine große Ehre und eine sehr spannende Aufgabe. Meine Ernennung ist mit dem ersten November offiziell und ich bin auch als Verwahrerin der Sammlung, und somit auch für die Mumie und die Funde – also alle ausgestellten Objekte im Haus – verantwortlich. Ich muss in dieser Hinsicht alle Sicherheitsmaßnahmen und Konservierungsmaßnahmen in die Wege leiten, die Objekte sicher und wohlbehalten im Museum aufbewahren und sie zeigen.

Der Faszination Archäologie sind Sie auch während Ihres Studiums nachgegangen?

Ich bin Archäologin und habe Archäologie in Innsbruck studiert. Allerdings Klassische Archäologie und Altertumskunde und nicht Ur- und Frühgeschichte.
 

Die Tradition Siegesdenkmäler zu errichten ist schon sehr alt.


Haben Sie auch bei archäologischen Ausgrabungen Hand angelegt?

Während meines Studiums war ich natürlich auch bei verschiedenen Ausgrabungskampagnen dabei, unter anderem in Pompeji oder in Aguntum in Osttirol. Das gehört dazu, zum Handwerk einer Archäologin oder eines Archäologen.

Zu welchem Thema haben Sie ihre Diplomarbeit verfasst?

Meine Diplomarbeit handelt von Siegesdenkmälern, römischen Siegesdenkmälern. Ich habe versucht einen Bogen zu spannen, von der Antike in die heutige Zeit, hin auch zum Bozner Siegesdenkmal. Die Tradition Siegesdenkmäler zu errichten ist schon sehr alt.
 


Beschreiben Sie Ihren Zugang zum Mann aus dem Eis.

Mir kommt er vor wie ein Zeitreisender, er kann uns zwar nichts mündlich erzählen, aber er erzählt uns dennoch viel über seine Zeit. Mit den vielen Objekten die er bei sich getragen hat und natürlich medizingeschichtlich, über anatomische Besonderheiten.

Sie arbeiten seit 2009 in diesem Haus, waren vor allem für das Marketing verantwortlich und in den vergangenen beiden Jahren auch stellvertretende Direktorin. Wieviel Marketing verträgt die wertvolle Leiche?

Man muss den Begriff Marketing im Zusammenhang mit einem Museum sehr viel weiter fassen. Werbung ist nur ein kleiner Teil. Marketing meint hier konkret: die Vertriebswege, die Arbeit mit Ticketschaltern, Kassen- und Reservierungssystemen, Webticketing, sowie die verschiedensten Möglichkeiten, um die Funktionalitäten im Haus zu betreuen. Natürlich auch die konsequent dreisprachige Kommunikation, auch auf der Website Web-Site und allem was an Publikationen nach außen geht – von der Broschüre über die Betreuung des Book-Shops bis hin zur Produktentwicklung.
 

Daraufhin wurde mir eine Präferenz in den Mund gelegt, was so nicht meine Intention war.


Somit waren Sie auch direkt am Erfolg des Museums beteiligt…

Die Besucher*innenzahlen sind ständig angestiegen – mit Ausnahme natürlich in den vergangenen beiden Jahren, wo das Museum coronabedingt geschlossen war. Abgesehen davon, haben wir aber die Grenzen des Gebäudes erreicht. Es ist für 300 Personen zugelassen und mehr Menschen dürfen wir nicht gleichzeitig in die Ausstellungsräume lassen. Dabei haben wir fast alle technologischen Möglichkeiten ausgereizt, um die Besucher*innenflüsse zu steuern. Zudem ist es mittlerweile so, dass an immer mehr Monaten des Jahres der Andrang auf das Museum wächst und sich bereits vor 10 Uhr lange Schlangen vor dem Haus bilden – manchmal bis in den Nachmittag hinein. Ein Maximum von 1200-1500 täglich ist die Vollauslastung. Mehr ist nicht möglich.

Der Mann aus dem Eis benötigt also einen neuen „Sarg“, eine neue Hülle. Letztens haben Sie mit einer Präferenz für das neue Museum aufhorchen lassen…

Medienspekulationen auf oder ab, diese Entscheidung liegt bei der Landesregierung. Ich hab in dem Interview, auf das sie ansprechen, mich lediglich darauf bezogen, dass die sogenannte Sinloc-Studie den Standort Ex-Enel als geeignet erachtet. Sinloc hat mit dem Architekturbüro weber+winterle alle möglichen Standorte Bozens aufs Genaueste analysiert und eine sehr fundierte Studie erstellt. Daraufhin wurde mir eine Präferenz in den Mund gelegt, was so nicht meine Intention war.
 

 

Wie erklären Sie sich das große Interesse an der Leiche Ötzi?

Das Interesse ist meiner Ansicht deshalb so groß, da der Mann aus dem Eis – oder eben Ötzi, wie er genannt wird –, einfach medial sehr präsent ist. Zudem gibt es immer wieder neue Untersuchungsergebnisse, die auch von den Medien stark aufgegriffen werden. Der hohe Bekanntheitsgrad spiegelt sich auch in den Reaktionen der Menschen, die das Museum besucht haben. Wir sehen das in Online-Rezensionen oder direkten Rückmeldungen.

Was ist das Geheimnis des Erfolges?

Unser Gehirn funktioniert mit Geschichten. Wir erzählen uns in Geschichten, wir können uns Geschichten besser merken, wir denken in Geschichten. Ich glaube, dass auf diesen Überlegungen aufbauend, der Erfolg dieses Museums basiert. Weil wir eben genau diese eine Geschichte erzählen, die Geschichte eines Individuums, wo natürlich auch viel im Dunkeln und rätselhaft bleibt. Es bleibt somit – neben den vielen spannenden Fakten – auch einiges der Fantasie jedes Einzelnen überlassen. Und zudem gibt es für die Besucher*innen über ein kleines Fenster auch eine individuelle Begegnung mit der Mumie. Neben den Geschichten zum Mann aus dem Eis, bieten wir aber auch andere archäologische Inhalte, die wir in den Wechselausstellungen zeigen. Auch um neue Themen aufzumachen, das lokale Publikum und die Schulklassen anzusprechen.

Also immer auch ein Seiltanz zwischen lokaler und internationaler Ausrichtung?

Der Mann aus dem Eis hat natürlich ein großes internationales Publikum, aber wir möchten auch die lokale Bevölkerung in den Fokus nehmen und attraktive Angebote schaffen.

Da gibt es also noch Luft nach oben?

Luft nach oben gibt es immer.