Sturm und Lüftchen

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„Wie erzählt man, vor allem Norbert Kaser, dem italienischsprachigen Publikum?“, fragte Giuliano Geri in die Runde – nachdem das zahlreich erschienene Publikum im Kulturzentrum Trevi gerade einen Film über den Autor Norbert C. Kaser über sich ergehen lassen musste. Vento del Nord nennt sich dieser und trägt im Untertitel Vita breve di Norbert C. Kaser. Der Südtiroler Autor, der in einer Rede von 1969 eine neue Literatur für Südtirol beschwor und damit recht behalten sollte, war bislang in der italienischsprachigen literarischen Welt nahezu unbekannt geblieben. Mit dieser Filmdoku dürfte es wohl kaum besser werden.
Dabei ist es doch oft gerade der Blick "von außen", der bereichert – nicht so bei Vento del Nord.
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Großes Interesse, wenig Tiefgang: Der Film "Vento del nord" über Norbert C. Kaser wurde im Centro Trevi vorgestellt. Vorgestellt hatte man sich was anderes. Foto: SALTO
Wiederentdeckt durch lobende Erwähnungen bei Claudio Magris – im Buch Microcosmi – oder durch die Herausgeberschaft des Bozner Literaturkenners Giancarlo Mariani, fand Norbert C. Kaser vereinzelt in den 1980ern und 1990ern Eingang in den italienischsprachigen Kulturraum. Eine weitere Wiederentdeckung erlebte er in Zeitschriften vor wenigen Jahren. Und nun auch mit einem frischen Buch und einer etwas ranzigen Doku.
Eingeladen war am 30. April im Trevi neben dem Regisseur Claudio Chianura auch der Autor des Buches Il mite caprone rosso. Vita breve di Norbert C. Kaser, Roberto Masiero. Auch wenn sein über 500 Seiten starker Roman kaum eine vita breve vermuten lässt, erzählt Masiero viel bisher Unveröffentlichtes und noch nicht Übersetztes zu Kaser – insbesondere auch über dessen wunderbar verfasste Briefe. Diese seien ein „wahrer Schatz“, betonte Masiero, und hob dabei insbesondere die Haymon-Bände hervor, die Ende der 1980er Jahre erschienen sind. Außerdem schwärmte er von Kasers Zeit in Norwegen (1970) und stützt sich in erster Linie auf das Buch von Ralf Höller: hier bin ich niemand d. h. ich. Krafvoll und überwältigend natürlich Kasers Poesie! Auch in der italienischen Übersetzung.
Höller ist übrigens – A.d.R. – kommende Woche in anderer Mission in Südtirol unterwegs: Am 6. Mai in Kaltern (Marktplatz 7, 20 Uhr) und am 9. Mai in Innichen (Chorherrenstraße 1A, 19.30 Uhr) bestreitet er zwei Abende zu seinem Buch über Michael Gaismayr. Zudem hält er am 7. Mai bei der Michael-Gaismair-Tagung in Sterzing (Stadttheater, 19 Uhr) den Eröffnungsvortrag.
Doch zurück zum Rebellen Norbert Kaser und zum Abend im Kulturzentrum Trevi: Masiero – in Bozen geboren und hier zur Schule gegangen – berichtete über den Entstehungsprozess seines Kaser-Werks, über die Cover-Zeichnung von Gabriele Di Luca sowie über Archive und Recherchen, die einiges über Kaser zutage förderten.Kaser erzählen: Der Filmemacher und der Buchautor beim Kaserabend im Kulturzentrum Trevi Foto: SALTOUnd der Film? Der ging leider etwas daneben – auch wenn das Bemühen, Kaser vom deutschen in den italienischen Kulturraum zu übertragen, auf jeden Fall lobend erwähnt werden muss. Hölzern (und teilweise banal) sind Schnitt und Erzählweise. Die animierten Fotos – sie machen einen Großteil des Films aus – wirken einfallslos, sei es bei den s/w-Archivbildern oder den aktuellen Aufnahmen von Kasers Wirkungsorten. Der rote Faden: das chronologische Abarbeiten und Bebildern erinnert an einen Wikipedia-Eintrag. Obendrein tingelt und klingelt Musik an allen Ecken. Dazwischen spricht der Sohn des Filmemachers: Seine Hinweise wirken aber wie kurz vor dem Dreh einstudierte Aufsager. Der Experte und Historiker Carlo Romeo bemüht sich als Zweitzeuge(!), sagt kluge Dinge, nur leider geht der Ton im endlosen Rauschen unter.
Filmemacher und Buchautor haben unabhängig voneinander – und ohne voneinander zu wissen – ihre Arbeiten zu Kaser begonnen und ziehen zu Kaser auch Parallelen zu Pasolini, wenn sie über diesen lange vergessenen „italienischen Autor deutscher Sprache“ sprechen. Doch während Vento del Nord nicht mehr als ein laues Lüftchen ist, kann Il mite caprone rosso – vor allem für jene, die das Südtirol der 1960er und 1970er Jahre zu kennen glauben, es aber nicht wirklich tun – einen wahren Sturm auslösen. Kaser sei Dank.
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