Società | Tierschutz

Wie geht es wohl dem Tier?

Warum Tierwohl eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit ist – und was Verbraucherschützer und Uni anlässlich des Welttierschutztages vorhaben.

Geht es seinen Tieren gut, geht es auch dem Bauern gut. Zu diesem Schluss kommen Matthias Gauly und Katja Katzenberger. Der Uni-Professor und die Doktorandin an der Freien Universität Bozen betreuen das Projekt “Tierwohl Südtirol”, das in Zusammenarbeit mit dem Sennereiverband Südtirol derzeit an 250 teilnehmenden Milchviehbetrieben durchgeführt wird. Das Ziel: Das Wohl der Tiere anhand verschiedener Indikatoren messen und optimieren und in Zukunft ein flächendeckendes Tierwohlmonitoring einzuführen.
“Die artgerechte Tierhaltung wird aber auch für die Kunden immer wichtiger”, weiß man im Sennereiverband. Tatsächlich denken laut einer Umfrage der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) und der Uni Bozen von 2015 79 Prozent der Befragten, dass den Themen Tierschutz und Tierwohl in der Öffentlichkeit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde. Zugleich wären 86 Prozent bereit, für Produkte mit “Tierwohl-Garantie” mehr zu bezahlen – was wiederum auch den Betrieben zugute käme. Daran erinnert die VZS anlässlich des bevorstehenden Welttierschutztages am morgigen Freitag, 4. Oktober.

Doch was bedeutet “Tierwohl” eigentlich? Nach dem Konzept der fünf Freiheiten des britischen AWC (Animal Welfare Committee) beinhaltet Tierwohl das Freisein von Hunger, Durst und Fehlernährung, das Freisein von Unbehagen, das Freisein von Schmerzen, Verletzungen und Krankheiten, das Freisein von Angst und Leiden und das Freisein zum Ausleben normaler Verhaltensweisen.

 

In der EU gibt es Mindeststandards für den Tierschutz, die die einzelnen Mitgliedsstaaten noch verschärfen können. “Umwelt-, Ernährungs- und Tierschutzorganisationen stufen diese Standards bzw. die durchgeführten Kontrollen dennoch als nicht ausreichend ein”, zeigt die VZS auf. Verhaltensstörungen, Krankheiten und Schmerzen bei landwirtschaftlichen Nutztieren sind laut der Organisation foodwatch an der Tagesordnung. Viele Produkte im Handel würden nicht tiergerecht erzeugt.
“Etliche Missstände sind bekannt”, erinnern die Verbraucherschützer. “In der Aufzucht von Legehennen werden Millionen von männlichen Küken gleich nach dem Schlüpfen geschreddert, männliche Kälber aus der Milchkuhhaltung – sie geben keine Milch und ihre Mast ist nicht rentabel – müssen nicht selten strapaziöse Transporte bis nach Spanien oder in den Nahen Osten überstehen, zum Teil ohne ausreichende Versorgung und unter Nichteinhaltung der zulässigen Transportdauer.”

“Wer in den Bauern einfach Tierquäler sieht, liegt falsch. Die Tierhalter sind, wie die Tiere selbst und die Verbraucher, (...) Opfer eines Systems, das falsche Anreize setzt. Vor allem der Handel ist verantwortlich für einen Wettbewerb, der sich nicht um Qualität, sondern nur um den Preis dreht – das kann nur zu Lasten von Tieren, Bauern und letztlich auch Kunden gehen.”
(Matthias Wolfschmidt, stv. foodwatch-Geschäftsführer)

Um die Themen Tierwohl und Tiertransporte kreist eine öffentlich zugängliche Tagung, die am morgigen 4. Oktober in der Uni Bozen stattfindet. “Der Welttierschutztag ist ein guter Anlass nachzufragen: Wie ist die Situation in Europa und in Südtirol wirklich? Und wir müssen uns gemeinsam fragen: Wo besteht Handlungs- und Verbesserungsbedarf? Welche konkreten Handlungsmöglichkeiten haben wir, von den Bauern über die Viehvermarktung bis zu den Konsumenten?”, erklärt Martin Lintner. Der Professor für Moraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen wird die Veranstaltung gemeinsam mit Matthias Gauly moderieren.

Die Verbraucherschützer fordern indes “mehr Transparenz und tiergerechtere Haltungsformen in der Nutztierhaltung”.
“Die Haltungssysteme sollten an die Bedürfnisse der Tiere angepasst werden – und nicht umgekehrt”, betont VZS-Geschäftsführer Walther Andreaus. “Und die Verbraucher sollten anhand einer einfachen Kennzeichnung – am besten EU-weit einheitlich – auf einen Blick erkennen können, unter welchen Bedingungen das Schnitzel früher als Tier gelebt hat.” Das Argument, dass Fleisch aus tiergerechter Haltung zu teuer sei, lässt Andreaus nicht gelten: “Wenn man den eigenen Fleischkonsum reduziert und weniger oft Fleisch isst – was im Übrigen auch für die Umwelt und die eigene Gesundheit vorteilhaft ist –, kann man sich dafür eine bessere Qualität leisten.”