Cultura | Salto Talk
„Es braucht kein neues Festival“
Foto: Privat
Neben einem Überblick zu den im letzten Jahr ins Leben gerufenen Bolzano Art Weeks soll es im Hotel Mondschein in Bozen um Vernetzung des Inseldenkens, den Entwicklungsfaktor Kunst und Kultur, sowie neue Ansätze in der Stadtgestaltung gehen. Nina Stricker trifft im von Alexander Pichler geleiteten Talk auf Angelika Burtscher (Galerie Lungomare), Prof. Roberto Farneti (Freie Universität Bozen) und Ivan Bocchio (Research ETH Zürich).
Salto.bz: Frau Stricker, welches ist das Ziel der Bolzano Art Weeks (BAW)?
Nina Stricker: Die Energie dieser zehn Tage ist das wichtigste Resultat der (BAW). Ich habe in der Vergangenheit schon verschiedene Netzwerk-Veranstaltungen gemacht, man könnte vielleicht sagen, dass das meine Spezialität ist, aber das habe ich lange nicht mehr erlebt in Südtirol. Ich bin dann auch fortgezogen und kam erst im Lockdown mit meinen Kindern für sechs Monate zurück. Das war die Phase, während des zweiten Lockdown, als alles geschlossen war, im Herbst und Winter. In einem Moment in dem alle irgendwie in Schwierigkeiten sind, ist es am einfachsten sie wieder zusammen zu bringen. Auch wenn wir die erste BAW sehr kurzfristig eher zufällig zusammenstellen mussten, waren doch gute Projekte mit einer langen Gestationszeit dabei. Wir konzentrieren das und sorgen dafür, dass es zu einer Art Explosion kommt.
Es war ihr Geburtstag und wir haben mit Plastikbechern auf Distanz angestoßen und gesagt, wir müssen wieder etwas machen.
Wie ist die Idee der BAW entstanden?
Die Idee entstand auf einem Spielplatz mit Barbara Brugnara, mit der ich bereits oft zusammengearbeitet habe. Es war ihr Geburtstag und wir haben mit Plastikbechern auf Distanz angestoßen und gesagt, wir müssen wieder etwas machen. Besonders wichtig war mir, die BAW von Anfang an zweisprachig auszurichten, deswegen haben wir auch die Cooperativa19 als Trägerverein ins Boot geholt zusammen mit dem Südtiroler Künstlerbund vor allem als Vertretung für die Einzelkünstler.
Zum Glück war es mit den Restgeldern, die noch vom Covid-Notfall-Plan da waren möglich eine doppelte Finanzierung, sowohl von der deutschen, als auch von der italienischen Kulturförderung. Wir wollten natürlich niemanden etwas wegnehmen; Der Gedanke war, dem ganzen Sektor einen Schub zu geben. Die BAW konnte dann „Last Minute“ in drei Monaten 80 Events in zehn Tagen mit über 50 Partnern aufstellen.
Das Organisationsteam besteht aus mir, Barbara Brugnara, Valentina Camerotti und Massimiliano Gianotti von Coop19, sowie Hannes Egger als künstlerischer Berater. Wir haben das aber immer sehr demokratisch, mit riesigen Onlinecalls mit 50 Teilnehmern gemacht.
Wie ist das mit der Zweisprachigkeit, spielt diese auf einer anderen als der Förderebene eine Rolle? Ist nicht ein sehr großer Teil der Kunst ungebunden an Sprachgruppen?
Ich gehe von dem Grundgedanken aus, dass Kunst absolut nicht an Sprachgruppen gebunden ist, aber leider ist die institutionelle Organisation geteilt, weshalb es uns darum ging, ein inklusives Event, unabhängig von der Sprachgruppen-Zugehörigkeit zu schaffen. In Südtirol blickt jeder ein wenig auf seinen eigenen Garten, ein gemeinsamer Gedanke fehlt im Kultursektor. Meine Meinung ist immer, dass Kunst und Kultur für alle sind und allen zugänglich sein sollten. Deswegen ist ein solches offenes, lockeres Event über einen längeren Zeitraum auch wichtig. Die Dynamik ist dabei immer die gleiche: Es geht darum, alle zu involvieren, jedem seinen Platz zu lassen, was einen multiplikativen Effekt hat. Das funktioniert nur, wenn man die Entscheidungsgewalt - was recht umständlich ist - sehr offen-demokratisch hält.
Im Grunde geht es in Richtung einer Sharing Economy, also um ethische Werte mit einem wirtschaftlichen Effekt: Die Stadt ist voll, es sind Besucher da und es gibt Nationale Presse.
Sie sind Gast beim Talk „Flieg Bolzano, Bozen Vola“; haben Sie auch die Erfahrung gemacht, dass es im Format schwierig sein kann eine Situation auf der Bühne zu schaffen, wo miteinander geredet statt monologisiert wird?
Ich denke, dass das Panel sehr interessant zusammengestellt worden ist und vor allem Angelika Burtscher, die viele und sehr alternative Initiativen in Bozen aufstellt einiges dazu zu sagen haben wird. Der Mix mit Experten auf Universitätsniveau mit Ivan Bocchio und Roberto Farneti kann auch zu einem interessanten Austausch führen: Von Burtscher und meiner Seite mehr die Erfahrung, welche Grund-Dynamiken da wirken und von der anderen Seite ein wissenschaftliche Interpretation des Ganzen. Im Grunde geht es in Richtung einer Sharing Economy, also um ethische Werte mit einem wirtschaftlichen Effekt: Die Stadt ist voll, es sind Besucher da und es gibt Nationale Presse.
Man hat die BAW im Spät-Sommer, Früh-Herbst positioniert. Gab es die Überlegung auch im Zeitraum Winter bis Frühjahr zu spielen, wo immer einen gewisse Durststrecke in der Kultur ist?
Wir haben den Zeitraum im Herbst ausgesucht, weil es eine Tourismus-Saison ist, wo kulturell bereits viel angeboten wird. Es geht uns auch gar nicht darum ein neues Event zu schaffen, sondern das, was bereits besteht, - aber nicht einheitlich, übersichtlich und zugänglich genug ist - mit einem gemeinsamen Projekt zu valorisieren. Es braucht kein neues Festival, aber das Problem ist sowohl für lokale Besucher, die nicht so sehr kulturaffin sind, wie auch für den Touristen, die Sichtbarkeit. Südtirol ist mittlerweile das ganze Jahr überlaufen, das ist also meiner Meinung nach nicht das Kriterium - Stichwort Overtourism. Wenn überhaupt muss es um mehr Qualitäts-Tourismus gehen, da sind Kultur und Kunst sicher eins der Werkzeuge. Dadurch, dass im Herbst die wichtigsten Veranstaltungen stattfinden, haben wir eben genau diesen Zeitraum ausgewählt, um viele bestehende Elemente zu einem Ganzen zusammenzufügen. Wenn - wie das heuer der Fall ist - fünf größere Institutionen zusammen eröffnen, hat das einen Gesamt-Effekt.
Wird es bei dem Talk vielleicht auch um Verteilungsgerechtigkeit bei den Fördermitteln gehen? Es sind die Fördermittel im Land oft an das Recht des Dienstälteren gebunden.
Es ist, obwohl wir ein großes Netzwerk haben, schwierig da anzusetzen. Wir sind momentan in den roten Zahlen, obwohl wir große Resonanz gefunden haben. Wir sind an einem Punkt an dem wir unsere Zeit, Arbeit und Energie mehr oder weniger kostenfrei in das Projekt investieren, vielfach auch einfach, damit nach dem Covid-Notstand etwas passiert. Wir erhalten aber recht wenig zurück dafür. Kurz gesagt wir sind unterfinanziert und machen die Kommunikation für 80 Events. Ich denke, es handelt sich dabei um das größte Kunstevent, das in den letzten 10 Jahren in Bozen stattgefunden hat. Klar hängt das auch mit Kürzungen zusammen, bei welchen Südtirol aber immer noch eine privilegierte Position verglichen mit anderen Regionen hat. Es gibt durch die verschiedenen Museen und größeren Kultureinrichtungen eine sehr direkte und kontinuierliche Unterstützung. Etwas wie die BAW hat einen Langzeiteffekt: Das Event selbst ist nur die Explosion dieser Dynamiken.
Die BAW ist dabei nur ein Vorwand bestimmte Dynamiken, die ich für sinnvoll, nachhaltig und zukunftsweisend im Kultursektor halte, voranzutreiben.
Welche Kanäle öffnen sich durch gebündelte Kommunikation?
Als ich in Bozen war, wollte ich immer schon einen koordinierten Veranstaltungskalender für alle Kulturveranstaltungen. Das habe ich mehrfach versucht anzuschieben, es stieß aber nie auf den notwendigen Willen. Die BAW ist dabei nur ein Vorwand bestimmte Dynamiken, die ich für sinnvoll, nachhaltig und zukunftsweisend im Kultursektor halte, voranzutreiben. Wir sind froh, dass wir kurzfristig etwas auf die Füße stellen können, aber man muss sehen, ob auch langfristig das Interesse da ist.
Es geht auch darum zu sagen: „Wollen wir heuer nationale Presse?“ Dann muss jeder bitte Minimum 100 Euro Kommunikationsbeitrag einzahlen. Wenn dann nur ein Bruchteil einzahlt, dann ist das auch eine Entscheidung. Jeder finanziert seine Kommunikation, was auch recht ist, aber nie die Reichweite hat, die man gebündelt hätte.
Braucht es vielleicht den Blick von Außen, aus dem akademischen Bereich um neue Wege zu finden?
Ein Blick von außen, auch von jemandem der nicht in Südtirol ansässig ist, ist immer sinnvoll. Ich habe zum Beispiel auch keine anderen Aktivitäten, Interessen oder Institutionen, denen ich verpflichtet bin in Südtirol. Es geht um eine unabhängige Perspektive auf den Sektor: Da kann die akademische eine sein. Das Risiko in Südtirol ist immer, dass man sich, wenn man zu lange dort ist in einer Bubble befindet und die Dinge aus einem recht privilegierten aber begrenztem Kontext sieht, der vieles verfälscht.
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