Cultura | Salto Afternoon

Bäriger Mondbär

Sarah Scherers Stück "Der Mondbär" erlebt eine Wiederaufnahme und ist nun sogar als Hörspiel erschienen. Ein Gespräch über ihre Arbeit auf, vor und hinter den Bühnen
foto_sarah_scherer_jan_frankl.jpg
Foto: Jan Frankl

Was können Sie zu der Entstehungsgeschichte "Der Mondbär" erzählen? Unter welchen „Vorzeichen“ ist die Regie für dieses Stück entstanden?

Sarah Scherer: Der Mondbär ist ein Musiktheater für junges Publikum und die Bayerische Staatsoper lud mich 2021 ein, die Regie für diese kleine Oper zu übernehmen. Die Idee dafür kam von Catherine Leiter, sie ist Leiterin des Kulturvermittlungsbereichs Community/Kind&Co der Bayerischen Staatsoper. Wir kennen uns noch vom Theater an der Wien, wo ich jahrelang als Regieassistenz – und später auch Regisseurin –, für die von ihr geleitete Jugendoper gearbeitet habe. Sie hatte die Idee, auf Grundlage eines bekannten Kinderbuches und musikalischer Literatur zum Thema Mond eine Oper zu kreieren. Und so machten wir uns ans Werk: Ich begann, das Libretto zu schreiben, und der Komponist Richard Whilds schrieb die Arrangements und Musikstücke. Schritt für Schritt entstanden auch das Bühnenbild und die Kostüme – von Katharina Ravlic. Und dann konnten wir uns auch schon in die Proben mit den Sänger*innen, der Schauspielerin und dem Orchester stürzen. 
 

Als kleines Ballettkind durfte ich im Waltherhaus Bozen zum ersten Mal auf der Bühne stehen. Der Duft von Haarspray lag in meiner Nase und ich habe Gerti Drassl als Dornröschen bewundert.


Das Stück läuft als Wiederaufnahme in der Bayerischen Staatsoper. Wird es auch einmal in Südtirol zu sehen sein?

Die Premiere von Der Mondbär fand im Herbst 2021 statt und wurde aufgrund der großen Beliebtheit in der Saison 2022/23 wieder aufgenommen. Es wäre natürlich wunderbar, wenn das Stück auch einmal in Südtirol zu sehen wäre! 
Bis dahin haben neugierige Kulturfans die Möglichkeit, sich das neu erschienene Hörspiel Der Mondbär anzuhören. Für diese Audioproduktion habe ich das Stück adaptiert und sogar um eine Erzähler-Rolle erweitert. Es wurde von Bayerische Staatsoper Recordings produziert und ist seit kurzem auf CD und bald auch online verfügbar. Und wer es nicht erwarten kann, das Stück live zu sehen, darf gerne zum Gastspiel von Der Mondbär in der BMW-Welt in München am 16. April 2023 kommen.
 


Der Mondbär ist ein Stück für Kinder. Erinnern Sie sich an Ihren ersten Bühnenauftritt?

Kinder sind das ehrlichste Publikum das es gibt: wenn es nicht gefällt, sitzen sie nicht einfach nur still da und lassen das Bühnengeschehen über sich ergehen. Es herrscht augenblickliches Feedback und das macht es so anspruchsvoll, für diese Publikumsschicht zu inszenieren. Die Kunst besteht also darin, das junge Publikum zu verzaubern und die Erwachsenen durch eine zusätzliche (Meta-)Ebene zu fesseln. 
Mein Kulturdurst wurde in jungen Jahren mit den Vorstellungen der Ballettschule Renate Kokot entfacht. Als kleines Ballettkind durfte ich im Waltherhaus Bozen zum ersten Mal auf der Bühne stehen. Der Duft von Haarspray lag in meiner Nase und ich habe Gerti Drassl als Dornröschen bewundert. Ich erinnere mich daran, wie ich kurz vor unserem Auftritt hinter den Kulissen stand und die Schattenlinie betrachtete, die „on- & off“-Stage trennte. Die Faszination für die Bühne habe ich seitdem nicht mehr losbekommen. 
 

 

Auch im "Poetry Slam" haben Sie sich versucht?

Ja tatsächlich, das ist aber lange her! Ich denke, ich war 16 oder 17 Jahre alt – hätte mich fast selbst nicht mehr daran erinnert, haha. Aber ja, damals war Poetry Slam noch ein relativ neues Phänomen. Ich mochte diesen freien, performativen Zugang zu Sprache und Dichtung  und die Interaktion zwischen Vortragenden und Publikum. Ich erinnere mich an einen Auftritt in Meran, aber weiter habe ich das poetry slammen nicht mehr verfolgt. 
 

Es ist die Aufgabe, Kunst und Kultur für die Menschen im Jetzt erlebbar zu machen, zu ihnen vorzudringen, sie zu bereichern und zu inspirieren.


Sie sind im Südtiroler Unterland aufgewachsen. Welche Rolle spielte das Kulturhaus "AurOra" in ihrer Jugend. Wie verfolgen Sie die aktuelle Diskussion um das Gebäude?

In meiner Erinnerung ist das ehemalige Bahnhofsgebäude vor allem deshalb, weil die Bar darin ein Ort war, in der sich eine Künstlerseele wohlfühlen konnte: tolle Bilder an der Wand, Bücher die zum lesen und Ecken die zum verweilen einluden, es fanden Konzerte statt und es gab auch ein kleines Kino und eine Kleinkunstbühne - die ich erst entdeckte, als mir der Bürgermeister Martin Feichter und Roland Pichler vor einigen Jahren die Türen zu diesen Räumen öffneten.
Dass nun die Vision für ein zukünftiges übergemeindliches Kulturhaus entsteht, habe ich (von Wien aus) mit großen Ohren verfolgt und es freut mich unglaublich! Im Unterland einen Ort des kulturellen Zusammenkommens, des künstlerischen Austausches durch alle Bevölkerungsschichten zu schaffen, war, um ehrlich zu sein, längst überfällig und es ist das, was ich und viele meiner Freunde uns in unserer Jugend immer gewünscht hätten. Es gibt viele engagierte Menschen, die gemeinsam an  diesem neuen Vorhaben arbeiten und das breite Interesse der Unterlandler zeugt vom Hunger auf Kunst und Kultur und dem Willen, sich daran zu beteiligen. 
 


Sie arbeiten am Theater und für Filmprojekte, auf der Bühne, oder ziehen die Fäden dahinter. Ist die berufliche Vielfalt eine gute kreative Begleiterin?

Ja, meine berufliche Laufbahn ist sehr vielseitig - neben der Regie arbeite ich auch als Schauspielerin, Sprecherin und Videokünstlerin und ich wechsle projektbezogen gerne zwischen den Bereichen Oper, Theater und Film. Diese Perspektivenwechsel sind für mich als Künstlerin prägend und ausgesprochen bereichernd. 

Außerdem sind Sie für die "Johann Strauss-Festspiele" tätig, bewegen sich also zwischen dem Schaffen des "Walzerkönigs" und zeitgenössischen Theaterprojekten. Wie gelingt der Spagat?

Seit einigen Monaten arbeite ich als Kuratorin für das Johann Strauss Festjahr 2025, im Auftrag der Stadt Wien. Anlässlich des 200. Geburtstags von Johann Strauss Sohn wird ein ganzjähriger Festreigen auf und abseits der Bühnen Wiens stattfinden, bei dem eine zeitgenössische, genreübergreifende – durchaus auch sehr freie und unkonventionelle – Auseinandersetzung mit Johann Strauss, seinem Wirken und seinen Werken im Zentrum stehen soll. Das Programm umfasst Operette, Konzert, Tanz, Theater, Ausstellungen, Film, Installation und Performance. Wir kooperieren dafür mit hunderten nationalen und internationalen Künstler*innen, zahlreichen Kulturinstitutionen und -initiativen der Stadt, um spannende, multidisziplinäre Projekte auf den Weg zu bringen. Das ist eine neue, spannende Herausforderung, die aber auch vieles von dem umfasst, womit ich mich schon lange beschäftige. Es ist die Aufgabe, Kunst und Kultur für die Menschen im Jetzt erlebbar zu machen, zu ihnen vorzudringen, sie zu bereichern und zu inspirieren. Der Spagat zu meinen parallel fortlaufenden Projekten als Künstlerin vollzieht sich hauptsächlich auf der zeitlichen Ebene: in den ganzen Vorbereitungen bleibt wenig Zeit für Ruhe und Schlaf.
 

 

Woran arbeiten Sie gerade und welches Projekt möchten Sie in Ihrem Leben unbedingt realisieren?

Neben meiner Arbeit als Kuratorin kommen in den nächsten Monaten einige tolle Projekte auf mich zu. Als Videokünstlerin werde ich die Produktion Get lost (Bayerische Staatsoper) begleiten, die Clubmusik mit der Klangwelt des barocken Komponisten Monteverdi und Motiven der Odyssee verknüpft. Außerdem arbeite ich im Auftrag der Staatsoper Wien mit einer Gruppe Jugendlicher mit Flucht-Biografie zusammen, die szenischen Ergebnisse werden Teil der Performance Tschick on the Road sein. Eine weitere Produktion am Staatstheater Wiesbaden folgt, bei der ich in der barocken Oper Polifemo als Videokünstlerin mitwirke. Es gibt Vorbereitungen für die Wiederaufnahme Die Jahre von Theater*Nyx, bei der ich als Schauspielerin auf der Bühne stehe. Es gibt einiges mehr, das ich noch nicht verraten darf und worauf ich mich sehr freue.
In Zukunft habe ich ungemein Lust darauf, eine große, spartenübergreifende Oper zu inszenieren. Außerdem gibt es ein Spielfilm-Projekt, welches schon seit Jahren auf meinem Tisch liegt und mich anstarrt. Das möchte ich gerne verwirklichen, sobald es die Zeit zulässt. Wann das ist, steht in den Sternen.

Kommen wir nochmal zum Mondbär, mit einer erweiterten Nachfrage. In der Astrologie heißt es: Das Mondzeichen beleuchtet die Facetten unserer Persönlichkeit, die nicht sofort erkennbar sind und sich eher im Unterbewusstsein abspielen. Was können Sie verraten?

Mit Astrologie kenne ich mich leider nicht so gut aus, obwohl ich den wahrsagerischen Aspekt daran sehr lustig finde. Die hypnotische Wirkung des nächtlichen Himmelskörpers verführt den Bären im Stück dazu, den Mond aus Einsamkeit und Egoismus ganz für sich alleine haben zu wollen und ihn vom Himmel zu stehlen. Am Schluss wird er von den anderen Tieren daran erinnert, dass man alles Schöne im Leben teilen muss. 
Bei mir ist es eher eine innere Rastlosigkeit, die sich im Unterbewusstsein abspielt - die ich manchmal nachts in mir erkenne und vom Licht des Mondes beruhigen lassen möchte. 
 

Seht ihr den Mond dort stehen, 
er ist nur halb zu sehen, 
und ist doch rund und schön. 
So sind wohl manche Sachen, 
die wir getrost belachen, 
weil unsre Augen sie nicht sehn.