Heiß, heißer, Sommer in Südtirol
Die extrem warmen Sommer bringen nicht nur unsere Pole zum Schmelzen, sie machen auch uns Menschen ordentlich zu schaffen - vor allem wenn wir bei der Hitze auch noch arbeiten müssen. AFI-Arbeitspsychologe Tobias Hölbling erklärt, wie die hohen Temperaturen unsere Arbeitsleistung beeinflussen.
salto.bz: Herr Hölbing, ist es eigentlich vertretbar, bei dieser Hitze zu arbeiten?
Tobias Hölbling: Um Ihre Frage mit einem Sprichwort zu beantworten: "Es wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird.” Diese Diskussion taucht immer wieder im Sommer auf, verebbt aber genauso schnell wieder, sobald der Sommer vorbei ist.
Dennoch erschwert es unseren Arbeitsalltag…
Das ist wahr, wichtig ist deshalb das Modell der humanen Arbeitsgestaltung. Es beschreibt, wie ein Arbeitsplatz beschaffen sein sollte, damit der Arbeiter oder Angestellte möglichst gute Leistung erbringen kann. Und das ohne Gefahr zu laufen, körperlich oder psychisch geschädigt zu werden.
Gemäß dieses Modells darf der Arbeitnehmer keiner Hitze ausgesetzt sein?
Nein, so extrem ist es nicht. Es gibt hier auch das Kriterium der Beeinträchtigungsfreiheit, wenn es um Hitze geht. Es besagt, dass die Arbeitstätigkeit auf Dauer nicht beeinträchtigt werden darf. Kurzzeitig kann man sich anstrengen, hohen Temperaturen ausgesetzt zu sein oder mal eine Menge an Deadlines haben. Das macht uns körperlich und geistig nichts aus. Wir Menschen können kurzfristige Belastungen gut ertragen, ohne einen Schaden davon zu tragen. Damit wären wir beim Kriterium der Schädigungslosigkeit, die gewährleistet sein muss. Und zuletzt ist noch die Persönlichkeitsförderlichkeit zu nennen. Kompetenzen der Mitarbeiter sollen ausgebaut werden und die Arbeit soll den Menschen bereichern und persönlich weiterbringen und dazulernen lassen.
Bei welchen Temperaturen arbeiten wir am besten?
Unsere Wohlfühlzone liegt etwa zwischen 20 und 27 Grad in Büroräumlichkeiten. Darüber wird's unangenehm und beeinträchtigend. Man kann die Arbeit dann nicht mehr konzentriert und frei von schädlichen Einflüssen ausführen, denn die Hitze beeinflusst das Konzentrationsvermögen negativ. Wir sind leichter abgelenkt, schneller erschöpft und schlaffer. Aufgaben, die geistige Konzentration erfüllen sind dann nur noch unter erhöhtem Aufwand erfüllbar. Körperliche Arbeit fällt uns schwerer und wir fangen an zu schwitzen. Der Wasserbedarf steigt. Damit Müdigkeit nicht zu Erschöpfung führt, müssen mehr Pausen eingelegt werden.
Man kann die Arbeit dann nicht mehr konzentriert und frei von schädlichen Einflüssen ausführen, denn die Hitze beeinflusst das Konzentrationsvermögen negativ.
Wie sieht es hingegen im Außenbereich aus? Straßenarbeiter sind beispielsweise im Sommer noch höheren Temperaturen ausgesetzt - und das bei hoher körperlicher Belastung.
In einer Studie aus dem Jahr 2016 haben wir hierzu Daten erhoben. Eine Frage lautete “Wie viel Zeit verbringen Sie unter Einfluss von Hitze?”. Es kommt bereits ab einem Viertel der Arbeitszeit zu beeinträchtigenden Folgen, wenn man unter großer Hitze arbeiten muss. Manche Berufsgruppen kommen aber kaum drum herum. Denken Sie beispielsweise an Bauarbeiter oder Köche. Mangelnde Konzentration und körperliche Ermüdung können auftreten. Und es nimmt mit zunehmenden Zeitverlauf zu. Verbringt man mindestens drei Viertel der Arbeitszeit unter großer Hitze, kann sogar eine Schädigung auf Dauer erfolgen.
Zu welchem Ergebnis führte die Umfrage?
In Südtirol haben 72% der Befragten unserer Studie angegeben nie oder fast nie bei hohen Temperaturen zu arbeiten, 24% bei einem Viertel bis die Hälfte der Zeit. 4% sagen es sind mindestens drei Viertel der Arbeitszeit. Viele Handwerksberufe fallen hier hinein, weil sie externe Hitzequellen ausgesetzt sind. Ich möchte zudem ergänzen, dass diese Studie im Sommer durchgeführt und darum gebeten wurde, die Fragen im Kontext von sommerlichen Bedingungen zu beantworten.
Wie schnitten unsere Nachbarn im Norden und Süden im Vergleich dazu ab?
Fast 9% der Österreicher gaben an, drei Viertel ihrer Arbeitszeit bei hohen Temperaturen zu verbringen, 18% ein Viertel bis die Hälfte der Zeit. In Italien sind es vergleichsweise nur 4% und 10%.
Komisch, das würde man doch eigentlich anders vermuten, oder?
Nun ja, es ist eine subjektive Bewertung. Und die hängt vor allem davon ab, was man gewohnt ist. Womöglich sind Menschen in Italien höhere Temperaturen einfach mehr oder besser gewohnt als Österreicher oder Südtiroler. Italien ist als Mittelmeerland für höhere Temperaturen bekannt. Ich denke, es ist auch Gewöhnungssache.
Was kann der Arbeitgeber tun, um seine Mitarbeiter zu schützen?
Unternehmen haben natürlich selbst das größte Interesse, mit Klimaanlagen und Belüftungssystemen der Hitze entgegenzuarbeiten, um eine negative Arbeitsleistung der Angestellten zu vermeiden. Es gilt aber zu sagen, dass auch Klimaanlagen eine körperliche Belastung darstellen können. Die Amerikaner sind ja bekannt für ihren Faible für Klimaanlagen. Anders als wir, die unsere Jacken im Büro ablegen, ziehen sie im Bürokomplex die Jacken an. Das ist dann die Anpassung des Subjekts an die Umgebung. Besser wäre es, die Raumtemperatur dem Mitarbeiter selbst regeln zu lassen, denn Menschen haben gerne Kontrolle. Läuft es über einen Zentralrechner, der das ganze Haus regelt, ohne dass die Mitarbeiter es für sich individuell anpassen können und bleibt das auch bei wiederholtem Protest so, dann werden sich die Angestellte in ihrer Kontrollfunktion eingeschränkt fühlen. Und das beeinträchtigt nicht nur das körperliche, sondern auch das psychische Wohlbefinden. Ich würde meinen, mangelnde Kontrollierbarkeit ist schlimmer als eine Erkältung aufgrund einer zu kalt eingestellten Klimaanlage.
Besser wäre es, die Raumtemperatur dem Mitarbeiter selbst regeln zu lassen, denn Menschen haben gerne Kontrolle.
Was kann der Arbeitgeber sonst noch tun?
Hitze erhöht unseren Wasserbedarf und wir brauchen mehr Pausen. Auch hier sind wir wieder bei der Kontrolle: Wer übt sie aus? Kann ich als Mitarbeiter selbst entscheiden? Wenn ich am Fließband arbeite oder im Gastgarten 50 Gäste auf die Bedienung warten oder in der Küche die Essensausgabe garantiert werden muss, ist das nicht so leicht möglich. Ein kluger Chef räumt seinen Mitarbeitern im Rahmen seiner Möglichkeiten so viel Kontrolle wie möglich ein. Es wird immer Arbeitsabläufe geben, wo man nicht anders kann. Das stelle ich gar nicht in Abrede. Aber bei allem anderen ist es immer besser, den Mitarbeitern Kontrolle abzugeben. Mineralwasser auf Kosten des Hauses oder mal ein Eis zur Verfügung zu stellen sind wertschätzende Gesten. Solch kleine Dinge machen viel aus. Und in manchen Berufen ist es vielleicht auch möglich, mit kurzen Hosen und lockerem Dresscode zur Arbeit zu kommen, wenn es der Chef erlaubt.
Die Hoffnung, dass die Hitze
Die Hoffnung, dass die Hitze vom heurigen Sommer nur ein Ausreißer war, wird sich leider nicht erfüllen.
Die fast un-vertragbare Hitze, die sehr schwierig zu löschenden Flächen-Brände und die Probleme der heimischen Pflanzenarten mit den erhöhten Temperaturen zurecht zu kommen, sind drohende Anzeichen für die ENTGLEISUNG des Lebensraumes.