Politica | Österreich-Wahl

Sieg der Vernunft

Eine deutliche Mehrheit der österreichischen WählerInnen hat den scheinbar unaufhaltbaren Siegeszug des rechten Nationalpopulismus vorerst gestoppt. Eine Atempause.
AVB
Foto: upi

Alexander Van der Bellen und eine breitest angelegte Bewegung von Grünen, Linken, Bürgerlichen, Kultur- und Medienstars sowie rührigen Aktivisten war erfolgreich. Zum Erfolg besonders beigetragen haben Jungwähler, Frauen (60%) und frühere Nichtwähler.

Sie haben für die feste Verankerung Österreichs in der EU und die damit verbundenen Werte gestimmt. Sie haben auch für eine besonnene Amtsführung des Bundespräsidenten gestimmt. Aber wie die Analyse der Wählermotivation zeigt, haben mehr als zwei Drittel der Van-der-Bellen-Wähler vor allem gegen Norbert Hofer gestimmt. Gegen dessen Ankündigung, die Regierung abzuberufen, wenn sie in seinen Augen ihrer Aufgabe nicht gerecht wird – wie etwa im Sommer 2015, als sie massenhaft Flüchtlinge ins Land gelassen und betreut hat. Sie haben gegen die fremdenfeindliche Umvolkungs- Rethorik Hofers, wonach Flüchtlinge und Migranten die Wurzel aller Übel im Lande seien, gestimmt. Und sie haben gegen die ausgrenzende Behauptung gestimmt, nur wer die Positionen der FPÖ teilt gehöre zum Volk, alle anderen seien Teil des korrupten Systems und einer abgehobenen Elite. Die Liste ließe sich fortsetzten.

Die Angst und das kleinere Übel

Das heißt aber auch, dass ein großer Teil der Wählerinnen Van der Bellen lediglich als kleineres Übel gewählt hat. Seit Brexit und Trump-Erfolg wurde vielfach fundiert analysiert, wie die Angst vor dem Verlust sozialer und nationaler Sicherheit und vor dem Identitätsverlust bei den „Abgehängten“ (neues Modewort) der Globalisierung und des Turbo-Finanzkapitalismus die Menschen scharenweise in die Hände von Rechtspopulisten treibt. In Österreich haben jetzt sehr viele WählerInnen ebenso aus Angst dem unabhängig Grünen ihre Stimme gegeben. Aus Angst vor den internationalen Reaktionen und aus Angst vor der Unberechenbarkeit der Rechtsnationalen. Ein Sieg der Vernunft. Zugleich ist das Ergebnis aber auch nicht mehr als eine Atempause. Die gesellschaftlichen Ursachen für den andauernden Erfolgskurs der FPÖ bleiben und die nächste Wahl – diesmal des Parlaments – könnte viel früher notwendig werden als zum geplanten Zeitpunkt im Herbst 2018. Die Koalition zwischen SPÖ und ÖVP bleibt zerstritten und in der Volkspartei liebäugeln bedeutende Kräfte seit langem mit einem Schwenk. Im Unterschied zu Schwarz-Blau im Jahr 2000 würde eine solche Wende diesmal allerdings Blau-Schwarz mit Christian Strache als Kanzler ergeben, denn die FPÖ liegt seit langem in allen Umfragen bis zu 10 Prozent vor SPÖ und ÖVP.