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Mank

David Fincher veröffentlicht seinen ersten Spielfilm seit sechs Jahren. In nostalgischem Stil erzählt er die Geschichte des Drehbuchautors Herman J. Mankiewicz.
Mank
Foto: Netflix

Citizen Kane“ von Orson Welles zählt zu den umjubelten Klassikern der Filmgeschichte. Unbestritten ist der Einfluss des Debüts des jungen Welles, sicherlich vergleichbar mit Jean-Luc Godards „Außer Atem“, unbestritten die Wirkung, die bis heute nachhallt, ob man den Film nun mag oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Nun erzählt ausgerechnet der nicht unbedingt für seine nostalgische Ader bekannte amerikanische Regisseur David Fincher die Entstehungsgeschichte von „Citizen Kane“ nach. Wobei das so nicht ganz stimmt, vielmehr porträtiert Fincher in „Mank“ den illustren Charakter des Drehbuchautors Herman J. Mankiewicz, genannt Mank, den man heute nicht mehr so recht kennt, der aber sicherlich seinen Teil zum Erfolg des Film beigetragen hat. Um dieses Herzensprojekt auf die Beine zu stellen, wandte sich Fincher an seine Freunde bei Netflix, mit denen er in den letzten Jahren vor allem im Serienbereich wilderte (House of Cards, Mindhunter). Die etablierten Studios wollten dem Drehbuch, das im Übrigen vom verstorbenen Jack Fincher, dem Vater von David, verfasst wurde, nicht das Vertrauen schenken, das in letzter Zeit immer häufiger von den Streamingdiensten kommt. Fincher verzichtet also erstmals auf einen Kinorelease und reiht sich damit in eine Reihe großer Namen ein. Scorsese, Coen, Cuarón. Viele werden folgen. Und schaut man sich „Mank“ nun an, wird möglicherweise klar, warum die großen Studios skeptisch waren. Das Drehbuch als solches erlaubt sich keine großen Experimente, sondern erzählt konsequent unterhaltsam von Mank und seinem Schreibprozess. Von Orson Welles und den Dreharbeiten zu „Citizen Kane“ sieht man wenig bis nichts. Stilistisch reist Fincher in der Zeit zurück. Nicht nur spielt die Handlung in den 1930er Jahren, auch die Inszenierung passt sich dieser Periode an. Überblendungen, die für die Zeit typisch waren, eine episodische Art, Szenen aneinanderzureihen, die Art, mit Musik Spannung zu erzeugen, kontrastreiche Bilder in Anlehnung an den Film Noir, Licht und Schatten, sowohl auf visueller wie narrativer Ebene. „Mank“ ist deshalb vor allem ein Experiment, und zwar eines, das nur allzu leicht hätte scheitern können. Zu verspielt könnte so ein Vorhaben enden, ein Experiment um des Experiments willen, bei dem aber von der Substanz nicht viel zu sehen ist. Nun, glücklicherweise baut Fincher seine Regiearbeit auf den Grundfesten eines durchdachten Drehbuchs. Der Charakter Mank ist interessant genug, die Umwelt, namentlich Hollywood mit all seinen Facetten, dem Glanz und Glamour, feucht-fröhlichen Depressionen, Exzess und intellektuellen Konversationen zwischen Studiohallen und Kulissen, verrauchten Büros wirtschaftlich denkender Produzenten… Die Atmosphäre stimmt und lässt die gegenwärtige Situation unserer Welt, aber auch die der zeitgenössischen Filmwelt vergessen. Dabei fällt spätestens nach dem Ende des Films auf… so viel hat sich seit 1936 nicht geändert. Noch immer kämpfen eigenwillige Künstler um die Anerkennung ihrer Person und ihrer Arbeit, noch immer haben Filmproduzenten ein erstaunliches Talent, Kreativität und Innovation im Keim zu ersticken, noch immer zählt das Geld mehr als die Kunst. Der Figur Mank merkt man den Hass gegen das System Hollywood an, gegen die Macht der Produzenten und Studios. Er geht seinen Weg und stolpert, fällt, richtet sich irgendwie wieder auf, und tut das alles in der Gestalt des Schauspielers Gary Oldman, der gewohnt brillant spielt. Er gibt einen Drehbuchautor, hinter dessen etwas beleibter Silhouette, der unverbesserlichen Anfälligkeit für alle möglichen Süchte, besonders aber der nach Alkohol, doch der große Künstler durchblitzt. Wenn er am Ende sein bestes Werk in die Hände des erst 24-jährigen Orson Welles übergibt, und sich mit den Launen des jungen Wunderkinds herumschlagen muss, kann Mank einem leidtun. Doch der würde vermutlich abwinken und einen Drink zu sich nehmen, und in sich hinein lachen, ebenso wie die Zuschauer, denn Finchers neuester Film ist erstaunlich humorvoll. Das kennt man von einem, der vor allem für Spannung bekannt ist, nun eher nicht, und so würde man „Mank“, ohne Vorwissen, wohl eher den Coen-Brüdern als Fincher zuschreiben. Doch der Genre-Wechsel ist hervorragend gelungen. Die Handschrift Finchers scheint immer noch durch, die Lakonie der Inszenierung jedoch täuscht nicht darüber hinweg, wie perfektionistisch sie gleichzeitig ist.

 

MANK | Official Trailer | Netflix

Mank“ ist zu großen Teilen einer Liebhaberfilm, einer, der für Cineasten sicherlich am besten funktioniert, nicht nur, weil sie „Citizen Kane“ kennen, sondern auch mit der Armee an bekannten Namen zurechtkommen, die im Minutentakt genannt werden, oder in persona auftreten. Louis B. Mayer, William Randolph Hearst (das Vorbild für Charles Foster Kane), Marion Davies (wunderbar verkörpert von Amanda Seyfried), Irving Thalberg, David O. Selznick, um nur einige zu nennen.

Am Ende fühlt sich „Mank“ beinahe wie eine Fingerübung Finchers an. Man wird hier nicht Neues erleben, und doch ist es erfrischend, einen derart lockeren Film von ihm zu sehen. Gary Oldman darf mit zahlreichen Preisen für seine Performance rechnen, und wohl auch Fincher, denn Filme über Hollywood, und seien sie auch noch so kritisch, haben im Allgemeinen immer recht große Chancen auf die Gunst der Filmpreis-Akademien.

Mank“ macht die Welt auf den Autorenstreit rund um „Citizen Kane“ aufmerksam, entzaubert die Lichtgestalt Orson Welles zumindest ein bisschen und rückt den Mann ins Rampenlicht, der nur allzu lang im Schatten des Wunderkinds stand. Herman J. Mankiewicz.