Società | Falcone & Borsellino

Emotionen gegen die Mafia

Mit einem zweistündigen Festakt im großen Vorlesungssaal der Universität Bozen feierte man die Ankunft des „L'albero dei Tutti“ und gedachte Falcone und Borsellino.
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Foto: Privat
Vor dem Verwaltungsgebäude befindet sich - man kann weder von Stehen noch Liegen sprechen - das Kunstwerk, welches ein weiteres Mittel zur Erinnerung darstellt, ein „Megaphon gegen die Stille“, wie es heute Vormittag von Kunst hieß. Die Tanne, von Nadeln und Rinde getrennt trägt an ihren 136 Ästen ebensoviele Figuren, welche an bekannte und weniger bekannte Opfer von Mafia-Gewalt erinnern. Das Kunstwerk von Gregor Prugger, das von der Fondazione Falcone in Auftrag gegeben wurde, macht bis Ende Jänner Station in Bozen, bevor es seine Reise, die in Palermo und Rom Anfang des Jahres begonnen hatte, durch weitere italienische und europäische Städte fortsetzt. Der Baum selbst kann als Metapher gelesen werden, da er „sowohl Wurzeln als auch Triebe“ hat und damit für eine lebendige Erinnerungskultur steht, ist gleichzeitig aber auch ein wichtiges Symbol des Gedenkens an Falcone, da an einem Baum vor dem Haus der Familie die Niederlegung von Kärtchen begonnen hatte, aus welcher Maria Falcone Mut für ihre andauernde Erinnerungsarbeit schöpfte.
 
 
In den zahlreichen Wortmeldungen von Leiterinnen von Bildungsinstitutionen (Universität Bozen und Istituto tecnico economico „Falcone e Borsellino“), Vertretern der Landespolitik inklusive Landeshauptmann, Vertretern des Italienischen Heeres, Aktivisten und nicht zuletzt Maria Falcone, der Schwester des aus dem Leben gerissenen Richters wurde versucht, die Erinnerung an die beiden Mafiagegner und deren Engagement an die vielen im Saal anwesenden Schüler:innen und Student:innen weiter zu geben. Immer wieder wurde dabei die Wichtigkeit betont, dass Polizei, Militär und insbesondere Zivilgesellschaft eine gemeinsame Front gegen die organisierte Kriminalität bilden: „Entweder sind wir alle Antikörper gegen die Mafia, oder es gibt keine“, brachte es etwa Kompatscher auf den Punkt, in einer Rede, welche er frei führte, da sie von Herzen kommen müsse.
Daran, dass dazu Kunst einen Beitrag leisten kann, glaubt auch Maria Concetta Capilupi, Direktorin der Brixner „Falcone e Borsellino“ Schule, welche vor wenigen Tagen ein neues Murales der Mafiajäger präsentiert hatte. Es zeigt die beiden, wie im Hintergrund des Vortrages heute, lebensfroh und lächelnd. Capilupi kündigte an, dass weitere Kunstprojekte von Schülern in der Brixner Bahnhofsgegend folgen würden, mit dem ersten sei im Januar zu rechnen.
Auf ihren etwas zu lang geratenen Beitrag folgte die Vorführung von Martin Demetz’ Kurzdokumentar „L’arte contro la mafia. Un progetto di comunità“ in welchem die Kunstwerke „Il trionfo della memoria“ von Peter Demetz, „L’albero dei Tutti“ von Georg Prugger, die Performance „Opzione 2“ von Fabrizio Biz Senoner und „Risorto da combattimento“ von Gerald Moroder vorgestellt wurden. Gerade die Aussagen des anwesenden, aber nicht ans Mikrophon getreten Alessandro de Lisi, welcher die Kunstprojekte der Fondazione Falcone betreut, machten die Substanz des Filmes aus. Er rechtfertigte das Einbeziehen der Grödner Künstler in den Prozess lebendiger Erinnerung „als Arbeit an der eigenen Gegenwart“ und als „analfabetische Sprache“ welche alle erreichen könne. Gleichzeitig gab der Film dem Publikum einen Lektüreschlüssel für den „Allebaum“ zur Hand und erzählte vom Diebstahl von 23 der 136 Miniatur-Skulpturen, die in Folge vom Künstler ersetzt wurden. Einen schalen Beigeschmack hatte jedoch die Musikauswahl, die zum Werk Moroders unpassend elektronisch war, wie auch die medienwirksame Aufnahme von Arno Kompatscher und Daniel Alfreider in die Schnittbilder, welche an Wahlkampfvideos erinnerte.
Robert Aquilina erzählte von seinem eigenen, fünf Jahre jungen Engagement im Kampf gegen die Mafia, welche er - wie wohl auch hierzulande viele Menschen - als etwas von Malta weit entferntes wahrgenommen, bis zur Ermordung der Journalistin Daphne Caruana Galizia durch eine Autobombe und unterstrich, einmal mehr die Wichtigkeit eines breit aufgestellten Einsatzes für die Rechtsstaatlichkeit.
 
 
Das vorletzte Wort hatte schließlich Maria Falcone, welche überzeugt davon war, dass nur über Emotionen die Wichtigkeit des Themas zu vermitteln sei. Sie erzählte von persönlichen Zweifeln und dem Antrieb, welchen sie aus den Reaktionen auf den Tod ihres Bruders schöpfe. „Er ist nicht vergeblich gestorben, wir machen weiter.“, stand in einer der zahlreichen am Feigenbaum niedergelegten Trauerkarten, worin Maria Falcone einen Wechsel im Umgang mit Mafia-Gewalt sah. Sie erinnerte sich an einen zehn Jahr zuvor verübten Mafia-Mord in Palermo, nach welchem am Tatort „Hier ist die Hoffnung gestorben“ zu lesen war. Emotionen spielten in ihrer Ansprache, die sie geziehlt und in besonderer Weise an die junge Generation im Raum richtete die zentrale Rolle, aus einem schlichten Grund: „Emotion schafft Erinnerung.“ Auf ein eigentlich perfektes Schlusswort folgte wunderlicherweise noch eine Wortmeldung Alfreiders, hier soll mit den letzten Worten Maria Falcones bei der Veranstaltung Schluss sein: „Ricordatevi ragazzi: emozionatevi come mi emoziono io.“
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Daniel Alfreider Mar, 12/06/2022 - 20:01

Es tut mir leid, wenn den Autor meine kurze Rede gestört hat. Eine Stellungnahme meinerseits war der ausdrückliche Wunsch von Maria Falcone, nachdem mein Büro dieses Event mit-organisiert hat und ich mit Kurator De Lisi und Frau Falcone in ständigem und engem Austausch stehe.

Mar, 12/06/2022 - 20:01 Collegamento permanente