Politica | Gemeindepolitik
Lorenzner Kasperle-Theater
Foto: Google Maps Street View/Pixabay
Als Show und Theater haben manche Gemeinderäte die Sitzung, die am Montag (6. Februar) im Rathaus von St. Lorenzen abgehalten wurde, beschrieben. Die Gräben zwischen der Freien Liste St. Lorenzen und der Regierungsmehrheit waren hör- und spürbar, als es um die Frage ging, wer statt Manfred Huber (ehemals Freie Liste nun unabhängiger Kandidat) in den Ausschuss nachrücken soll. Anders als erwartet, endete die Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt nicht mit der Wahl von Markus Ferdigg, sondern, nachdem die beiden Vertreter der Freien Liste Markus Ferdigg und Dietmar Demichiel aufgestanden und einfach gegangen sind, mit einer Vertagung.
Huber ist neben Markus Ferdigg der zweite Gemeinderat, der sich der ladinischen Sprachgruppe zugehörig erklärt hatte. Laut Bestimmung müssen sich die Vertretungen der jeweiligen Sprachgruppen auch in der Besetzung des Ausschusses widerspiegeln. Daher lautete die Vorgabe an den 2020 wiedergewählten Bürgermeister Martin Ausserdorfer, entweder Huber oder Ferdigg in den Ausschuss zu holen – oder als dritte Möglichkeit: einen ladinischen Vertreter von Außen zu bestellen. Ausserdorfer entschied sich jedoch dafür, die Freie Liste miteinzubeziehen. Offenbar führte dies zu internen Konflikten innerhalb der Fraktion, die sich nicht auf einen Kandidaten einigen konnte.
Der Vorschlag des Bürgermeisters lautete deshalb, einen Halbzeitwechsel zu vollziehen: Huber sollte bis Anfang Jänner 2023 das Ressort für Anliegen der Ladiner, Mobilität, Kultur, Museum, Dorfchronik und Energie übernehmen, bis zum Ende der Legislatur sollte Markus Ferdigg diese Kompetenzen übernehmen. Huber hat wie vereinbart vor Kurzem seinen Rücktritt eingereicht und damit den Weg frei für die Wahl Ferdiggs gemacht. Trotz seiner eigenen Bedenken und aufgrund von Vorbehalten seitens einiger Gemeinderatsmitglieder hielt Ausserdorfer an seinem Plan fest und wie er Salto.bz gegenüber erklärte, tat er etwas, was er zuvor noch nie getan hat. „Ich habe vorab alle Gemeinderäte angerufen und sie zu überzeugen versucht, für die Ernennung Ferdiggs zu stimmen.“ Wie der Bürgermeister erklärt, habe er eine Mehrheit für sich gewinnen können, weshalb er der Gemeinderatssitzung relativ gelassen entgegen gesehen habe. Doch ist es anders gekommen als gedacht und von manchen Ratsmitgliedern wurde der Verdacht geäußert, dass alles nur inszeniert gewesen sei – eine Show sozusagen, mit welcher sich die Gemeinderäte der Freien Liste aus der Regierungsverantwortung stehlen wollten. „Ob das zutrifft, sei dahingestellt. Niemand von uns hat jedoch verstanden, was da eigentlich passiert ist“, so Ausserdorfer, der das Verhalten von Demichiel und Ferdigg als nicht nachvollziehbar bezeichnet.
Nach dem gestrigen Abend, ist sicher kein Gemeinderat mehr bereit, Ferdigg in den Ausschuss zu wählen.
Was nun die zukünftige Besetzung des Ausschusses betrifft, müssen noch einige Optionen geklärt werden. „Nach dem gestrigen Abend, ist sicher kein Gemeinderat mehr bereit, Ferdigg in den Ausschuss zu wählen“, so der Bürgermeister von St. Lorenzen. Aber auch hinter einem Verbleib Hubers steht ein Fragezeichen. Denn wie Ausserdorfer im Rahmen der Sitzung ebenfalls erklärte, sei möglicherweise Hubers Amt als Gemeinderat unvereinbar mit dessen beruflicher Tätigkeit. Huber, Unternehmer eines Busdienstes, beteiligte sich an einer Ausschreibung des Mobilitätskonsortiums Bruneck für die City-Buslinie St. Lorenzen. Zwar hat er nur den zweiten Platz errungen, als Subunternehmer wird er allerdings für das erstplatzierte Unternehmen Taferner Reisen Fahrten übernehmen. Nachdem mehrere Stellen involviert sind – so übernimmt auch der Tourismusverein einen Teil der Spesen – ist die Frage nach der Unvereinbarkeit nicht restlos geklärt. Noch habe man nicht alle Gutachten einholen können, möglicherweise könnte es jedoch sein, dass Huber aus dem Gemeinderat austreten müsse. In diesem Fall müsste ein ladinischer Vertreter von Außen berufen werden. Wie Ausserdorfer erklärt, soll die Sachlage so schnell wie möglich geklärt werden, „davor wird sicher kein neues Mitglied in den Ausschuss berufen“. Sein Ziel sei es, sich sobald wie möglich wieder auf die Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Lorenzen konzentrieren zu können.
Protest-Aktion
Im Laufe der Sitzung wurden die tiefen Gräben zwischen der Gemeindeverwaltung und den beiden Mandataren der Freien Liste, Demichiel und Ferdigg, offensichtlich. Mehr als deutlich wurde dies auch vom ehemaligen Bürgerlisten-Vertreter Huber in dessen Stellungnahme angesprochen. So erklärte Huber, dass nach den Gemeinderatswahlen keine Einstimmigkeit bezüglich der Besetzung des Ausschusses geherrscht habe. Vonseiten des Bürgermeisters sei der Vorschlag gekommen, nach der Hälfte der Legislaturperiode einen Wechsel vorzunehmen. Während er prinzipiell mit dieser Lösung einverstanden gewesen sei, habe sich Ferdigg dagegen ausgesprochen. Während der vergangenen beiden Jahre habe er einiges an Erfahrung sammeln können, bemängeln müsste er jedoch – gerichtet an seinen ehemaligen Partei-Kollegen Ferdigg – dass dieser nie einen Austausch oder eine Aussprache gesucht habe.
Ich zweifle nicht an deiner Kompetenz, trotzdem werde ich mit Nein stimmen.
„Ich zweifle nicht an deiner Kompetenz, trotzdem werde ich mit Nein stimmen“, so Huber und begründete seine Entscheidung damit, dass schließlich auch Ferdigg bei der Wahl Hubers mit Nein gestimmt habe – wie Gemeinderat Dietmar Demichiel (Freie Liste St. Lorenzen) erklärte, entspreche dies jedoch nicht der Wahrheit: Nicht Ferdigg, der bei besagter Sitzung nicht anwesend gewesen sei, habe mit Nein gestimmt, sondern er selbst. Alois Pallua (Unabhängiger Kandidat) verwies auf die „klaren Spielregeln“ bzw. auf die Vereinbarung über den Wechsel nach der ersten Hälfte der Legislatur. „Das sind wir unseren Wählern und Wählerinnen schuldig“, so Pallua, der mit Ja stimmte und betonte, dass gegebene Versprechen eingehalten werden müssten. Berta Mairhofer Frenner (Unabhängige Kandidatin) schloss sich dieser Ansicht an und meinte, dass man mit seiner Arbeit wachse. „Sobald Markus in seiner Arbeit drin ist, wird er seine Arbeit schon erledigen.“
Wie soll so eine Zusammenarbeit funktionieren?
Heidrun Hellweger (SVP) allerdings war anderer Meinung und stimmte mit Nein. „Abgesehen von persönlichen Befindlichkeiten, die zwischen mir und Markus standen, waren die vergangenen Jahre kein Miteinander – im Sinne von gemeinsam für die Bevölkerung arbeiten – ich habe auch kein Vertrauen in unsere Arbeit gespürt. Wie soll so eine Zusammenarbeit funktionieren?“, fragte Hellweger in die Runde.
Kurt Winklers (SVP) Kommentar zur Vereinbarung lautete: „Ausgemacht ist ausgemacht!“ Der SVP-Mandatar sprach aber auch den seiner Meinung nach fehlenden Willen für eine Zusammenarbeit an und betonte: „Ich habe noch nicht gesehen, dass jemand von der Freien Liste bereit gewesen wäre, auf uns zuzugehen – umgekehrt jedoch schon!“ Zusammenarbeit gerne, aber dann müsse ein Neustart erfolgen, so Winkler. „Wir betreiben klare Oppositions-Arbeit“, entgegnete ihm Dietmar Demichiel (Freie Liste) und betonte, dass bei 95 Prozent aller Gemeinderatsbeschlüsse auch die Freie Liste mit Ja stimme. Von einer Obstruktionsarbeit könne deshalb keine Rede sein. „Unsere Arbeit besteht darin, kritische Fragen zu stellen – wir haben nie eine Zusammenarbeit zugesagt“, so der Vertreter der Freien Liste, der erklärte, dass Bürgermeister Ausserdorfer ihnen zwar die Zusammenarbeit angeboten habe, sie sich jedoch entschieden haben, es „anders machen zu wollen“. Hier gehe es auch nicht um eine politische Entscheidung, sondern um eine gesetzliche Bestimmung, erklärte Demichiel und zitierte die entsprechende Passage in der Gemeindesatzung.
Unsere Arbeit besteht darin, kritische Fragen zu stellen – wir haben nie eine Zusammenarbeit zugesagt!
„Danke Dietmar Demichiel für deine rechtlichen Erleuchtungen – wir kennen das Rechtsgutachten auch. ich möchte mich von dir nicht immer belehren lassen“, entfuhr es Ausserdorfer, was in einem lauten Wortwechsel mit Demichiel mündete. Der Bürgermeister widersprach der Aussage des Vertreters der Freien Liste, dahingehend, dass es eine politische Entscheidung sei – wer in den Ausschuss nachrückt, entscheidet der Gemeinderat –, und kritisierte die Art und Weise, wie die Oppositionspartei Politik betreibe. Mit subtilen Mitteln würde den Gemeindevertretern Verfehlungen unterstellt. „Ständig wird diese schlechte Stimmung verbreitet und jede Möglichkeit genutzt, jemandem ins schlechte Licht zu rücken“, ärgerte sich der Lorenzner Bürgermeister und betonte, dass mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Gemeinderat ein Ladinder oder eine Ladinerin in den Ausschuss geholt werden könnte. Obwohl man der Freien Liste das Angebot gemacht habe, sich bei den Arbeitstreffen einzubringen, hätten diese mit dem Argument „Wir machen ja Oppositionspolitik“ abgelehnt, weder hätten sie sich per E-Mail noch telefonisch nach politischen Vorhaben erkundigt, stattdessen habe man mühsam Unterlagen für offizielle Anfragen herbeischaffen müssen. „Das kreiert eine Riesen-Arbeit für unsere Verwaltung, die man auch unkompliziert hätte lösen können“, so Ausserdorfer.
So wie ich heute in die Schusslinie geraten bin aufgrund der zynischen Vorwürfe, die zwar nicht benannt, aber in den Raum gestellt werden, kann ich das so nicht stehen lassen.
„Es ist höchst unangenehm, was heute hier passiert“, meldete sich Ferdigg zu Wort und startete einen Frontal-Angriff gegen Ausserdorfer. „So wie ich heute in die Schusslinie geraten bin aufgrund der zynischen Vorwürfe, die zwar nicht benannt, aber in den Raum gestellt werden, kann ich das so nicht stehen lassen“, betonte Ferdigg, der auf einen Artikel verwies, der in der Freitags-Ausgabe der Südtiroler Tageszeitung erschienen ist und in welchem die „politische Rochade“ zum Thema gemacht wurde. „Ich bin von Herzen enttäuscht darüber, was in dieser Gemeinde passiert“, so Ferdigg und erklärte, dass, wenn die Gemeinde einen Ladiner von Außen berufen könne, sie dies tun solle. „Ich lasse nicht so mit mir umgehen. Ist es noch erlaubt, in dieser Gemeinde Fragen zu stellen?“, kritisierte Ferdigg und schrie Ausserdorfer mit den Worten an: „Du führst immer nur Monologe! Diese Diskussion ist heute unter jeder Gürtellinie, ich brauche das nicht“, sprach‘s und verließ den Saal. Sichtlich überrascht, fing sich Bürgermeister schnell wieder und erklärte, dass auch Ferdiggs Aussagen in der Vergangenheit unter der Gürtellinie gewesen seien. Derweil zog sich auch Demichiel seine Jacke über und verließ den Saal mit den Worten: „Ich wünsche der Sitzung einen guten Verlauf. So etwas muss man sich nicht sagen lassen.“
Ich wünsche der Sitzung einen guten Verlauf. So etwas muss man sich nicht sagen lassen.
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