Cultura | Ausstellung

Exkursion in die dunklen Sphären des Internets

RANDOM DARKNET SHOPPER (2014), ein Projekt der !Mediengruppe Bitnik

Salto arts ist im März mit den Themenkreisen "Kunst und Geld" beschäftigt. Hier möchten wir ein Projekt vorstellen, das beide Bereiche auf eine gewiefte Art verschränkt.
"Random Darknet Shopper" von der !Mediengruppe Bitnik ist ein automatisiertes Online-Kauf-Programm (ein sog. "bot", ein Computerprogramm, das weitgehend automatisch sich wiederholende Aufgaben abarbeitet, ohne dabei auf eine Interaktion mit einem menschlichen Benutzer angewiesen zu sein). Ihm werden 100 Dollar in Bitcoins pro Woche zur Verfügung gestellt. Einmal in der Woche geht der "bot" auf Shoppingtour im Deep Web.

DEEP WEB
Das Deep Web (auch Hidden Web oder Invisible Web) bzw. Verstecktes Web bezeichnet den Teil des World Wide Webs, der bei einer Recherche über normale Suchmaschinen nicht auffindbar ist - also aus Inhalten, die nicht frei zugänglich sind und/oder Inhalten, die nicht von Suchmaschinen indexiert werden oder die nicht indexiert werden wollen. Das Deep Web besteht zu großen Teilen aus themenspezifischen Datenbanken (Fachdatenbanken) und Webseiten.

Dort kauft diese Art Roboter ein zufällig gewähltes Objekt und schickt es an die Kunsthalle St. Gallen, wo die Artikel in der Ausstellung "The Darknet: From Memes to Onionland" vom 18. Oktober 2014 – 11. Januar 2015 gezeigt wurden.
"The Random Darknet Shopper" ist ein Live Mail-Kunstwerk, eine Erkundung des Deep Web durch die dort gehandelten Waren. Es verbindet das Darknet direkt mit dem Kunstraum (Ausstellungsraum). Durch die Konstante des Zufalls wird garantiert, dass eine sehr breite Auswahl der über 16.000 verschiedenen aufgelisteten Waren des Agora-Marktes präsentiert werden können. Unter den Ausstellungsobjekten befinden sich u.a.: eine gefälschte Jeans von Diesel, ein Scan eines ungarischen Passes, eine Baseballmütze mit versteckter Kamera, eine Sprite-Dose mit versteckter Aufbewahrungsfunktion, Ecstasypillen in einer CD-Hülle, eine Visa-Karte, Zigaretten aus der Ukraine, und ein Schlüsselbund.
 

AGORA ONLINE BLACK MARKET
Agora ist ein virtueller Schwarzmarkt, der als versteckter Dienst (Tor) angeboten wird. Im September 2014 hat er die sog. Silk Road überholt, und ist damit zum größten Dark Net-Marktplatz aufgestiegen. Alle Transaktionen auf Agora funktionieren mit Bitcoins. Agora wurde bei der im November 2014 stattfindenden Operation Onymous nicht beeinträchtigt, wo mehrere größere Online-Schwarzmärkte (u.a. auch Silk Road) durch Strafverfolgungen beschlagnahmt wurden.

BITCOIN
Bitcoin ist ein weltweit verfügbares dezentrales Zahlungssystem und der Name einer virtuellen Geldeinheit. Überweisungen werden von einem Zusammenschluss von Rechnern über das Internet und mithilfe einer speziellen Peer-to-Peer-Anwendung abgewickelt, sodass dabei keine zentrale Abwicklungsstelle – wie im herkömmlichen Bankverkehr – benötigt wird. Die Guthaben der Teilnehmer werden in persönlichen digitalen Brieftaschen gespeichert. Der Marktwert von Bitcoins ergibt sich aufgrund von Angebot und Nachfrage. Das Bitcoin-System unterliegt keinen geographischen Beschränkungen – außer der Verfügbarkeit einer Internet-Verbindung – und kann länderübergreifend eingesetzt werden.

Dieses Projekt "hackt" nicht nur den Kunstraum, sondern auch den virtuellen Schwarzmarkt, und vor unseren Augen entfaltet sich ein gewundener Kreislauf von Transformationen und Übergängen verschiedenster Arten: von der Kulturförderung zum Bitcoin zum illegalen Objekt zum Kunstwerk, vom virtuellen und als illegal deklarierten Raum zum realen Kunstraum. Die Objekte der Begierde sind immer dieselben, ein Stück Stoff, ein Stück Papier, ein paar gemixte Chemikalien - nur der Kontext und die ihnen damit beigemessene Bedeutung variiert. Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie in desakralisierten Zeiten wie den heutigen der Mensch nach Werten sucht und die Dinge, die er produziert, aufzuladen sucht. Nach Ende der Ausstellung wurden alle Objekte von der Staatsanwaltschaft St. Gallen beschlagnahmt und werden bis dato unter Verschluss gehalten - als Hauptargument wurde angegeben, dass es sich um den vom Roboter erstandenen Pillen um echtes Ecstasy handelte.

Die !Mediengruppe Bitnik lebt und und arbeitet in Zürich und London. Sie benutzt "Hacken" als künstlerische Strategie; ihre Arbeiten re-kontextualisieren Bekanntes, um Neuinterpretationen von etablierten Strukturen und Mechanismen zu ermöglichen. Sie wurden bekannt, als sie in Londons Überwachungssystem eingegriffen haben, indem sie die Videobilder von CCTV-Kameras mit einer Einladung zum Schachspiel ersetzt haben.