Politica | Düngerkreislauf

Gülle für die Obstwiesen

Südtirol hat zu viel Gülle im Osten und zu wenig Dünger im Westen. Andreas Leiter Reber will den Kreislauf schließen – mit regionaler Aufbereitung statt Import.
Andreas Leiter Reber
Foto: AT/SALTO
  • Südtirol produziert zu viel Gülle im Osten und importiert zu viel Kunstdünger im Westen – das muss sich ändern, fordert Andreas Leiter Reber. Mit seinem aktuellen Beschlussantrag, den der Landtagsabgeordnete der Freien Fraktion heute (7. April) vorgestellt hat, will er einen geschlossenen Düngerkreislauf im Land schaffen.

    „Gülle ist ein wertvoller Rohstoff“, sagte Leiter Reber gleich zu Beginn der Pressekonferenz. „Ohne Gülle bzw. ohne Düngemittel könnten wir unsere Landwirtschaft weltweit nicht so gestalten – und auch die Weltbevölkerung nicht ernähren.“ Trotzdem habe das Thema in Südtirol in den letzten Jahren ein Imageproblem bekommen – ausgelöst durch Überdüngung, Nitratbelastungen und Konflikte mit Naturschützern.

  • Gülle-Ausbringung: Insbesondere die Ausbringung in Natura-2000-Gebieten führt zu Konflikten. Foto: Seehauserfoto

    Was Südtirols Situation besonders macht, ist die geografische Schieflage: Während im Osten des Landes mit seiner intensiven Viehwirtschaft (Pustertal, Eisacktal, Wipptal) ein Überschuss an Gülle besteht, kämpft der Obstbau im Westen mit Nährstoffmangel – und gleicht diesen mit großen Mengen an Kunstdünger aus. Der Grund für das Ungleichgewicht liegt laut Leiter Reber in mehreren Fehlentwicklungen: zum einen der gestiegene Import von Kraftfutter, weiters die moderne Tierhaltung, die zunehmend statt festen Mist Gülle produziert, und zum anderen wird durch die leistungsorientierte Zucht mehr Milch produziert, was entsprechende Güllemengen zur Folge hat. „Es ist ein Unterschied für die Stickstoffbilanz der Gülle, ob ein Tier mit viel Gras und Heu gefüttert wird – oder mit proteinreichem Kraftfutter“, erklärte Leiter Reber. Die Folge: Ein wachsender Gülleüberschuss, der auf den Flächen vieler Betriebe kaum noch sachgerecht ausgebracht werden kann.

     

    „Früher hatten wir viel mehr Artenvielfalt – das ist nicht nur gefühlt so.“

     

    Besonders problematisch sei diese Entwicklung für sensible Ökosysteme wie Natura-2000-Gebiete, Moore und artenreiche Magerwiesen. Diese seien durch Überdüngung und intensive Bewirtschaftung akut gefährdet. „Früher hatten wir viel mehr Artenvielfalt – das ist nicht nur gefühlt so“, sagte der Landtagsabgeordnete. Heute würden viele Wiesen mehrfach jährlich gemäht, oft schon im frühen Wachstumsstadium, „sodass viele Gräser und Kräuter gar nicht erst zur Blüte kommen.“ Auch für das Grundwasser und die Flüsse sei die Stickstoff- und Phosphorbelastung ein wachsendes Problem. Besonders in Tallagen rund um Bruneck und Kaltern wurden in den letzten Jahren wiederholt erhöhte Nitratwerte gemessen.

  • Kunstdünger aus dem Ausland statt Südtiroler Gülle

    Während der Osten mit zu viel Gülle kämpft, werde im Apfelanbau im Westen massiv gedüngt – mit Chemie von außen. Rund 5.000 Tonnen Kunstdünger würden laut Leiter Reber jährlich importiert, um den Stickstoffbedarf der Apfelplantagen zu decken. Der freie Abgeordnete kritisiert, dass es weder verlässliche Zahlen zu den importierten Futtermitteln noch zum importierten Kunstdünger gebe – die Menge müsse allerdings enorm hoch sein. Eine frühere Landtagsanfrage blieb weitgehend unbeantwortet. Dabei wäre ein regionaler Kreislauf – Viehhaltung liefert Nährstoffe für den Obstbau – ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich effizient.

  • Apfel-Anlage: Während für die Obstwiesen Kunstdünger zugekauft werden muss, gibt es in anderen Teilen Südtirols einen Dünger-Überschuss. Foto: Seehauserfoto
  • Erste Ansätze

    Einzelne Initiativen existieren bereits. So startete 2022 das Projekt „INNONährstoffe“, bei dem ein Viehbetrieb im Vinschgau seine Gülle an einen nahegelegenen Obstbauern liefert. Auch im Klimaplan der Landesregierung wird die Thematik erwähnt. Leiter Reber lobt diese Ansätze, warnt jedoch vor Symbolpolitik: „Es ist sehr löblich, dass es diese Symbiosen gibt – aber das Ausmaß in Südtirol ist ein anderes.“ Um die Mengen zu bewältigen, brauche es industrielle Lösungen, wie sie in anderen Ländern längst Standard seien: Biogasanlagen, Gülle-Aufbereitung, Düngemittelproduktion.

    Kern des Beschlussantrags ist daher eine Machbarkeitsstudie, die klären soll, ob und wo eine großtechnische Anlage zur Aufbereitung von Gülle realisierbar wäre. Die Vision: Gülle wird in einen festen, transportierbaren Dünger umgewandelt, der im Obst- und Gartenbau eingesetzt werden kann. Der Landtagsabgeordnete schlägt als Standort den Raum zwischen Brixen und Bruneck vor – nahe an den Hotspots der Gülleproduktion. Parallel soll geprüft werden, ob bestehende Biogasanlagen oder Klärwerke technisch nachgerüstet werden könnten.

     

    „Ich glaube, der Südtiroler Landtag hat selber Möglichkeiten, aktiv zu werden – und sollte sich nicht zu devot vor der Landesregierung verhalten.“


    Besonders wichtig ist dem Abgeordneten, dass nicht nur die Landesregierung beauftragt wird – sondern der Landtag selbst aktiv wird. „Ich glaube, der Südtiroler Landtag hat selber Möglichkeiten, aktiv zu werden – und sollte sich nicht zu devot vor der Landesregierung verhalten.“ Die Finanzierung der Studie solle direkt über das Land erfolgen. Das stärke die Eigenverantwortung und vermeide politische Blockaden.

    Abschließend erklärte Leiter Reber, dass die Gülleproblematik kein reines Umweltproblem sei, sondern auch eine Chance für Innovation, regionale Wertschöpfung und Kreislaufwirtschaft. „Wenn ich mir ansehe, was in den letzten Jahren an Millionen für Seilbahnen ausgegeben wurde, dann sollte es auch möglich sein, Geld in eine zukunftsfähige Lösung für unsere Landwirtschaft zu investieren“, so Leiter Reber. Der Antrag wird demnächst im Südtiroler Landtag behandelt. Bis dahin hofft Reber auf breite Unterstützung – nicht nur aus der Politik, sondern auch aus Landwirtschaft und Umweltverbänden.

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Johannes Engl Lun, 04/07/2025 - 20:49

Der Ansatz klingt plausibel: weniger Methan in die Luft entlassen durch industrielle Gülleverarbeitung, weniger Dünger importieren, bei dessen Herstellung viel CO2 entsteht.
Dem entgegen steht der Aufwand eines kapillaren Sammlungssystems der Gülle.

Lun, 04/07/2025 - 20:49 Collegamento permanente
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Salto User
nobody Lun, 04/07/2025 - 21:21

Prinzipiell geht es um Wirtschaftlichkeit. Ob die Sammlung zwingend kapillar erfolgen muss? Prinzipiell sind mehrere Biogasanlagen denkbar. Immerhin steht in jeder Kläranlage ein Faulturm. Zudem dürfte es EU-Geld für so etwas geben. Wo gehen die sonst hin?

Lun, 04/07/2025 - 21:21 Collegamento permanente