Cultura | Salto Afternoon

Séance mit Fellin

Samstag Vormittag wurde in der Festung Franzensfeste eine Ausstellung eröffnet welche Peter Fellins Werke mit zeitgenössischen konfrontiert. Ein Dialog mit Nachhall.
Am Anfang der von Esther Erlacher, Sandra Mutschlechner und Eleonora Klauser Soldà als Dreigestirn kuratierten Ausstellung stand eine fast schon naheliegende Idee: Durch die im November neugeschaffene Doppeldirektion des Museums Eccel Kreuzer in Bozen und der Festung Franzensfeste, Werke von Peter Fellin aus der Sammlung Kreuzer in die Festung zu bringen und neue Positionen mit diesen zu konfrontieren. Gehabt hat die Idee glücklicherweise Esther Erlacher.            
Zu sehen ist damit hauptsächlich eine Werkübersicht aus der Sammlung Kreuzer, die 14 Kunstwerke stellt, der dauerhaft installierte Nachbau von „Die Göttliche Belastung“ (1991/2009) sowie eine Leihgabe Matthias Schönwegers des posthum vollendeten gemeinsamen Manifests und ein 1993 von Traudl Messini für die Rai angefertigtes Videoportrait. Über eine offene Ausschreibung im Euregio Raum wurde eine Gruppe von gut zwanzig Künstler:innen aus verschiedensten Disziplinen ermittelt, welche dem séancehaften Dialog mit den Werken Fellins mittels bestehender und eigens geschaffener Positionen (insgesamt 26 Werke) aufnahmen.
„Im Dialog mit Peter Fellin“ heißt also gewissermaßen - nicht nur durch die Präsenz von Audio- und Videoarbeiten in der Festung - zuhören. Bei der Eröffnung am Samstag hieß das auch, sich fürs Erste zu gedulden, nachdem das ensemble chromoson einstimmende Takte gespielt hatte. Es sollte später das Eröffnungspublikum auf seinem Weg durch die Ausstellung an mehreren Stationen begleiten und sich zwischen Klanginstallationen für die Ausstellungsdauer einfügen.
 
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Im Dialog mit Peter Fellin: Die Eröffnungsrede zog sich, durch viele kluge Worte, manche davon doppelt, in die Länge. Das Publikum lauschte konzentriert, die Geduld der kleinsten Besucher ist besonders zu loben. | Foto: Tiberio Sorvillo
 
Durch die gutgemeinte und deckende Zweisprachigkeit des Museumsdirektors, der Dreierkonstellation von Erlacher, Mutschlechner und Klauser Soldà, sowie die Vielzahl an ausgestellten Künstler:innen zog sich die Einleitung in die Länge. Sie fasste dabei auch noch für alle, denen Fellin noch ein Fremder hätte sein sollen (wohl in der Minderheit) das Leben und die künstlerischen Schaffensphasen des 1920 in Revò im Nonstal geborenen und 1999 in Meran verstorbenen Künstlers zusammen. Wir belassen es mit einem Zitat Fellins, welches auch bei der Eröffnung Anklang fand: „Ich hatte in meinem Leben mehr Perioden als so manche Frau.“
Ein weiterer taktischer Fehler war meines Erachtens auch an die Dreiviertelstunde Eröffnungsreden, nach welchen bereits das Mikrofon der Kuratorinnen zu versagen drohte, die künstlerische Intervention Matthias Schönwegers, Freund und Wegbegleiter Fellins anzuschließen. Nach einem Gang durch die Ausstellung wäre das Publikum sicher weniger von Worten gesättigt und aufnahmefähiger gewesen. Seine objektbezogene poetische Performance war so, in ihrem anhäufenden Charakter von Assoziationen, Kommentaren und (abgewandelten) Zitaten nicht ganz im Stande, ihr Potenzial zu entfalten.
 
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Matthias Schönweger: Er vertilgte bei seiner Performance einen Paradiesapfel, bzw. Paradeiser samt Putz und Stingl und aller biblischen Implikationen: „Und weil's so schön war gleich noch einmal“ | Foto: Tiberio Sorvillo​​​​​​​
 
Dank sei noch Petrus für die gnädige Wolkendecke ausgesprochen, welche er schützend zwischen Publikum und Sommerhimmel legte.
 

Ins Gespräch kommen

 
Der Dialog beginnt beim Selbst und beim Göttlichen: Eingangs ist mit einem Selbstporträt Fellins und Claus Vitturs „Äußeren und inneren Selbstporträts“ auch gleich eine weitere Sensibilität des Kurations-Trios zu erkennen, welche sich mit der zusehenden Orientierung des Künstlers hin zu abstraktem und flächigem Arbeiten noch vertiefen sollte. In Kontakt mit der historischen Bausubstanz der Festung wird aus dem Dialog ein Trialog und das Mauerwerk wird in seiner Materialität und Farbe gewinnend ins Gespräch aufgenommen (wie zu sehen im Titelbild, links eine Arbeit von Jörg Hofer), da die Werke sich oft einfügen, als wären sie für den Ort geschaffen. Hubert Scheibes „Salvator Mundi“ nimmt die sakrale „Brotkunst“ Fellins vorweg, welche immer schon ein Spiel mit der Reduktion gewesen war und in seinen „Schreibern“, bzw. Aposteln später im Ausstellungsparkour auf die Spitze getrieben wird.
 
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Peter Fellin und Hubert Kostner: Die sakrale Brotkunst des gläubig-ungläubigen Fellin bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Reduktion und zunehmenden Zweifel am Göttlichen. | Foto: Othmar Seehauser
 
Besonders an die aus der Notwendigkeit heraus geborenen Beschäftigung mit dem Sakralen knüpft „Polychromos“ eine Reihe von Objekten Hubert Kostners an. Die Bearbeitungen maschinell im Grödnertal gefertigter Heiligenfiguren stehen bei Fellins „Mutter mit Kind und Blumen“, welche das Heilige (Maria und Jesu-Kind) mit dem Biographischen (Fellin wurde früh Vollwaise) zueinander in Verbindung bringen. 
Über die Außenbrücke werden wir zum nächsten Themenblock übergeleitet der mit Fellins „Noten“, Elisabeth Melkonyans „Visuellen Sprachrohren“ und einem in situ Langgedicht Brigitte Knapps erklingt: Musik. Während sich die hohlen Rohre aus Hanf und Marmorkies neben dem markanten Kleinformat in der Zugluft wiegen, spricht Knapp in Assoziationen und Blautönen einen fünfteiligen Sprachmäander mit sanfter Gesangsumrahmung.
 
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Peter Fellin und Giancarlo Lamonaca: Wie zeitlos Fellins Kompositionen sind zeigt auch die Gegenüberstellung mit dem Album-Artwork zu Sense of Akashas „Splendid Isolation“. Die der Festung verpflichtete Südtiroler Band hat sich leider, wie das Motiv, bereits aufgelöst. | Foto: Othmar Seehauser
 
Alles andere als sanft, wenngleich auch nicht tönend ist Leander Schwazers prominentes „Knockin’ on Heavens Door“, das mit über die Köpfe der Besucher gestellten Neonlettern den archaisch dunkelblau gehaltenen „Schreibern“ Fellins ein wenig die Show stiehlt. Gleichzeitig nimmt Leanders Installation von oben den Raum drückend, aber auch „Die göttliche Belastung“ vorweg, welche ein Stockwerk tiefer bald folgt.
Das Thema der Naturbetrachtung und - da sich der Gegenstand in der Darstellung oft verliert und nur eine Emotion bleibt - Naturmeditation führt neben einem abstrakten Werk Fellins (Aquarell, Öllasur auf Gips und Sperrholzplatte) eine Fotoarbeit Gustav Willeits ein, die den scheinbaren Widerspruch des Vorraumes fortführt. Fellin wird in der Ausstellung nicht bloß „nachgesprochen“, er wird auch unter anderem durch „Laava“ kontrastiert. Neben das durch Materialität geprägte Bild tritt eine Fotoarbeit glatt Wasser ablichtend und bringt so greifbare Oberfläche zu ungreifbarem Spiel von Lichtbrechungen.
 
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Peter Fellin, Brigitte Knapp und Elisabeth Melkonya: Die offene Tür spendet dem tanzenden Windspiel Zugluft, dem dunklen Kleinformat Fellins etwas Licht. | Foto: Othmar Seehauser
 
Im unteren Stock ist es schließlich Wil-ma Kammerer, welche sich dem Monolith Fellins stellt, auf schlüssige und harmonisierende Weise: Unter den schwarzen, tiefhängenden Horizont der „Göttlichen Belastung“ wird eine innerlich von Ventilatoren aufgepeitschte, rauschend See  („Black deep carpet“) gesetzt, die nicht zur Ruhe kommt. Das gebildete Ensemble wirkt erhaben und leicht bedrohlich und könnte auch aus einem Guss sein, wüsste man es nicht besser – es kommt in der Umdeutung zur Landschaft einer Neuinterpretation gleich. Luca Formentinis neugeschaffenes Werk rückt angesichts solcher Naturgewalt an den Rand der Wahrnehmung.
 
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Peter Fellin und Leander Schwazer: Wenngleich Schwazers Installation raumgreifend ist, hat sie nicht die schiere Wucht von Fellins Deckenarbeit. | Foto: Othmar Seehauser
 
Und apropos Monolith: Zwischen abstrakten Werken finden sich archaische Werke, sowohl die beiden mystischen Anordnungen „Die Schabebank“ von Josefh Delleg und die „Aurel Kora“ des Duos „Earweego“ (Echo Ho und Hannes Hölzl), wie auch Fellins kultischer „Moosfelsen“. Auf kurze Distanz steht das einem Felsen nachempfundene Objekt auch im Dialog mit Paul Sebastian Feichters „Schwerer Niederschlag“, einer ähnlichen Konstellation.
Zu beiden Werken hätten auch die durch Peter|||KOMPRIPIOTR|||Holzknechts Klangarbeit hervorgerufenen rauen, wie unbehauener Stein klingende Töne gepasst, vor denen ein Kleinformat Fellins an die Deckenschräge flüchtet, aber die räumliche Distanz zu anderen Klangquellen ist schließlich auch schlüssig.
 
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Peter Fellin und Wil-ma Kammerer: Ein sturmgepeitschter Ozean „aktiviert“ die Dauerinstallation nach Peter Fellin, welche Festungsgängern vertraut sein dürfte. Ursprünglich war diese im Original in der Bozner Ar/Ge Kunst entstanden. | Foto: Othmar Seehauser
 
Im letzten Teil der Ausstellung finden wir großformatige Abstraktionen von Fellin und anderen Künstlern wieder, welche sich an entgegengesetzten Wänden die Stirn bieten. Die Kunst ist hier in der Auflösung und Zersetzung begriffen und wir nähern uns dem großen Unbekannten an. Da erscheint es treffend, dass hier noch einmal der Mensch Peter Fellin, mehr noch als der Künstler zu Tage tritt: Auf einer Couch gibt es vor Traudi Messinis „Peter Fellin. Ein Denker und seine Kunst“ eine letzte Gelegenheit zu verweilen“, während ausgangs eine Auswahl aus „Manifest II - Edition F“ wartet. Das Gemeinschaftsprojekt von Peter Fellin und Matthias Schönweger wurde kurz nach dem Tode des gebürtigen Nonstalers vollendet. Schön, dass auf der letzten ausgestellten Seite ein Foto des lächelnden Künstlers zu sehen ist. Ein Abschied.
 
Bild
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Peter Paul Ped… Sab, 07/08/2023 - 07:37

schade, daß es die -wächter des abstrakten- als einheit eines ganzen, nicht geschaft haben, bei Fellins werken dabei zu sein! man sagt: es hätte sehr gut hinein gepasst und er hätte es sich verdient. meistens schaffen es immer die selben, zur freude derselben! ist schon mal für den heutigen kunst-durchblickenden menschen, aufklärung genug! was natürlich für den punkt, in der mitte der kunst, nicht gerade gut ist! aber macht ja nichts, man weiß ja, wie der hase läuft und wo er hin zu laufen hätte.

Sab, 07/08/2023 - 07:37 Collegamento permanente