Cronaca | Pflegeheime

Pflegeplätze ohne Pflegepersonal

Pflege braucht Menschen, keine leeren Betten: Jetzt handeln, bevor das System kollabiert.
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  • Mit großer Sorge nimmt die Gewerkschaft AGB/CGIL die Berichte über leere Betten in Südtirols Pflegeheimen zur Kenntnis, insbesondere in einem Moment, in dem hunderte ältere Menschen verzweifelt auf einen Pflegeplatz warten.

    Die Ursache für diese paradoxe Situation liegt laut Aussagen des Verbandes für Seniorenwohnheime in einem eklatanten Personalmangel, ein Problem, das die Gewerkschaft seit Jahren anprangert.

    Pflegeplätze ohne Pflegepersonal sind wie Klassenzimmer ohne Lehrkräfte, sie stehen bereit, aber niemand kann sie nutzen.

    Diese Situation ist Ausdruck eines strukturellen Problems, das sich seit Jahren abzeichnet und nun immer deutlicher wird, so Angelika Hofer, Landessekretärin im AGB/CGIL. Sie betrifft nicht nur die pflegebedürftigen Menschen und ihre Familien, sondern auch die Beschäftigten im Bereich, die oft am Rande ihrer Belastungsgrenze arbeiten.

    Der Pflegenotstand ist keine Überraschung und die demografischen Entwicklungen sind seit langem bekannt. Die Tatsache, dass die Zahl der über 75-Jährigen in Südtirol bis 2040 um 35 % steigen wird, ist kein plötzlicher Schock, sondern ein vorhersehbares Szenario.

    Dennoch wurden bis heute weder ausreichende Maßnahmen, noch strukturelle Weichenstellungen vorgenommen, um das System langfristig abzusichern. „Wir stehen heute nicht vor einem unerwarteten Notfall, sondern vor den Konsequenzen jahrelangen politischen Zögerns und der systematischen Vernachlässigung der Arbeitsbedingungen im Pflegebereich“, kritisiert Hofer.

    Ohne bessere Arbeitsbedingungen werden wir den Beruf nicht retten.

    Die Gewerkschaft fordert seit Jahren faire und konkurrenzfähige Entlohnung aller Pflegekräfte, mehr Personal pro Schicht zur Entlastung der Beschäftigten und zur Qualitätssicherung, verlässliche Arbeitszeiten zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, Investitionen in Aus- und Weiterbildung, Maßnahmen gegen physische und psychische Überlastung im Pflegealltag, sowie die Wertschätzung und gesellschaftliche Anerkennung für die tägliche Arbeit im Pflegebereich.

    Der Pflegeberuf ist essenziell für den sozialen Zusammenhalt. Doch unter den aktuellen Bedingungen entscheiden sich viele junge Menschen gegen eine Karriere in diesem Bereich und das können wir uns angesichts des demografischen Wandels nicht leisten“, warnt die Landessekretärin.

    Viele Pflegerinnen und Pfleger arbeiten unter Dauerstress, mit zu wenig Kolleginnen und Kollegen und bei vergleichsweise niedrigen Löhnen, gerade in einem Beruf, der körperlich und emotional höchst anspruchsvoll ist. „Solange ein Pflegeberuf bedeutet, dass man sich aufopfert und dabei kaum über die Runden kommt, werden wir diesen Beruf nicht attraktiv machen, auch nicht für junge Menschen“, unterstreicht die Gewerkschaft.

    Laut der Präsidentin des Verbandes für Seniorenwohnheime spielt die Familie zu Recht eine wichtige Rolle in Südtirols Pflegemodell. Diese tragen, auch dank des Pflegegeldes, einen wesentlichen Teil der Betreuungsarbeit. Doch dieser Einsatz hat klare Grenzen, insbesondere, wenn Angehörige neben Pflege auch noch berufstätig sind. „Pflege darf nicht zur individuellen Belastung der Familien werden. Die Politik und die Gesellschaft tragen Mitverantwortung“, so der AGB/CGIL.

    Ebenso ein wichtiger Aspekt ist, dass die Pflegelast in der Regel die Frau trägt, oft ohne Lohn, Absicherung oder Rentenansprüche. Daher fordert die Gewerkschaft die Anerkennung der informellen Pflegearbeit als gesellschaftlich relevante Leistung, auch finanziell, den Ausbau wohnortnaher Angebote wie Tageszentren, Kurzzeitpflege, mobile Dienste, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Pflege durch gezielte Förderungen und Rechtsanspruch auf Pflegezeit. „Es kann nicht sein, dass sich Familien in finanzielle Not bringen müssen“, so Hofer.  

    Pflegeheime in Südtirol sind Teil des Sozialsystems und zählen nicht zur gesundheitlichen Versorgung. So wird der Bereich finanziell oft nicht gleich behandelt wie der Gesundheitsbereich, was sich bei Löhnen, Personalschlüssel und Finanzierung zeigt.

    Die Gewerkschaft fordert daher eine bessere Finanzierung der Pflegeheime, unabhängig von der Trägerschaft, die Anpassung der Personalschlüssel, auch für Nachtdienste und Fachkräfte, die Angleichung der Vertragsbedingungen der privaten Seniorenwohnheime an den öffentlichen Dienst und den Rechtsanspruch auf einen Pflegeplatz, sobald die pflegerische Notwendigkeit besteht.

    Aus Sicht der Gewerkschaft ist es höchste Zeit für einen Pflegepakt zwischen Land, Gemeinden, Sozialpartnern und Zivilgesellschaft. Ziel muss ein zukunftsfähiges, solidarisches Pflegesystem sein, das auf qualitativ hochwertige Pflege setzt, gerechte Finanzierung garantiert, Pflegeberufe aufwertet und schützt, Angehörige entlastet und ein innovative Wohn- und Versorgungsformen entwickelt.

    Pflege darf kein Spielball der Finanzierbarkeit sein. 

    Es geht um Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit und ein funktionierendes Miteinander. „Wir fordern ein entschlossenes Umdenken – jetzt“, schließt Hofer ab.