Panoptikum eines Lebens

Die ungebrochene dramatische Kraft bei Ödön von Horváth wie auch die politisch-kulturelle Aktualität sind die wesentlichen Impulse, die der Ausstellung im Bozner Haus der Kultur – dem Waltherhaus – zugrunde liegen, welche ursprünglich für das Theatermuseum Wien von Peter Karlhuber gestaltet wurde. Die Kuratoren Nicole Streitler-Kastberger und Martin Vejvar verweben darin drei bekannte Horváth-Stücke: Italienische Nacht, Geschichten aus dem Wiener Wald (beide 1931) und Kasimir und Karoline (1932). Über sie werden die verschiedenen Zugänge zu seinem Werk, seinem Verhältnis zum Theater, aber auch die Kontexte zur Weimarer Republik erzählt.
Ich denke ja gar nichts, ich sage es ja nur
(Ödön von Horváth)
Geboren wurde Ödön von Horváth am 9. Dezember 1901, als Sohn des ungarischen Diplomaten Dr. Edmund Josef Horváth und der Maria Hermine Prehnal im damals ungarischen Fiume (Rijeka, Kroatien).
Zunächst besuchte er Schulen in Budapest, Wien und München, anschließend studierte er Germanistik an der Universität München. Seine frühen Theaterstücke, wie Revolte auf Côte 3018, zeigen seine Hinwendung zur Volkskultur und politischen Geschichte Deutschlands. Aufgrund des Erstarkens der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) warnte Horváth in seinen Stücken zunehmend vor den Gefahren des Faschismus.
Im Jahr 1930 veröffentlichte er den Roman Der ewige Spießer.
1931 kam es zur Uraufführung der bedeutendsten Horváth-Theaterstücke Italienische Nacht, Geschichten aus dem Wiener Wald und Carl Zuckmayer wurde auf ihn aufmerksam. Zwischen beiden entwickelte sich eine enge Freundschaft. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten übersiedelte Horváth nach Wien und schrieb dort weiterhin Theaterstücke und Romane. 1937 kam es zur Uraufführung der Komödie Figaro läßt sich scheiden und zur Veröffentlichung des gegen die Diktatur gerichteten Romans Jugend ohne Gott. Nach dem „Anschluss“ Österreichs emigrierte Horváth nach Paris. Er veröffentlichte noch den Roman Ein Kind unserer Zeit, starb allerdings am 1. Juni deselben Jahres auf den Champs-Élysées, als er während eines Gewitters von einem Ast erschlagen wird. Am Tag seines Unfalltods lehnte der abergläubische Autor das Angebot, ihn mit dem Auto ins Hotel zurückzubringen, mit der Begründung ab, dass dies zu gefährlich sei. Stattdessen machte er sich zu Fuß auf den Weg.
In der Ausstellung werden zahlreiche Materialien Horváths gezeigt, die seinem Nachlass am Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek und der Wienbibliothek im Rathaus entstammen. Entwürfe und frühe Fassungen zu seinen bekannten Werken geben Einblick in die spezifische Arbeitsweise des Autors, seine kunstvolle Verwendung und literarische Aufladung trivialer Szenen und kolportagehafter Vorlagen ebenso wie seine eminent theaterpraktische Denkweise.
Textauszug aus „Kasimir und Karoline“ (Uraufführung: 18. November 1932)
Karoline: Schau! Oh...jetzt sieht man den Zeppelin gar nicht mehr! Der Zeppelin, der fliegt jetzt nach Oberammergau...
Kasimir: Das ist mir wurscht! Da fliegen droben zwanzig Wirtschaftskapitäne und herunten verhungern derweil einige Millionen! Ich scheiß dir was auf den Zeppelin! Ich kenne diesen Schwindel und hab mich damit auseinandergesetzt. Der Zeppelin, verstehst du, das ist ein Luftschiff, und wenn einer von uns dieses Luftschiff sieht, dann hat er so ein Gefühl, als tät er auch mitfliegen - derweil haben wir bloß die schiefen Absätz und das Maul können wir uns an das Tischeck hinhauen!
Karoline: Wenn du so traurig bist, dann werd ich auch traurig.
Kasimir: Ich bin kein trauriger Mensch.
Karoline: Doch. Du bist ein Pessimist.
Kasimir: Das schon. Ein jeder intelligenter Mensch ist ein Pessimist. Du kannst natürlich leicht lachen. Ich habe es dir doch gleich gesagt, dass ich heut unter gar keinen Umständen mit dem Zug auf dein Oktoberfest fahr. Gestern abgebaut und morgen stempeln, aber heut sich amüsieren, vielleicht gar noch mit lachendem Gesicht!
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