Wo beginnt Natur?
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Von Anfang an verdeutlicht eine Wölfin, aus Kunstharz und Kunstfell, die dem Besucher als erstes begegnet, den roten Faden der Ausstellung, nämlich das Zusammenspiel zwischen Kultur und Natur.
Da sind auf der einen Seite Tierschädel vom Reh bis zum Rind und die vielfältige Blumenwelt der Almen, auf der anderen Seite Repliken neolithischer Gefäße, dahinter in strahlendem Königsblau die berühmten Kalenderbilder aus dem Stundenbuch des Duc de Berry, einer Handschrift aus dem 15. Jahrhundert. Auch mit Erkenntnissen der Archäologie beleuchtet das Museum die tief greifenden Einwirkungen des Menschen in die Natur
Mit vielfältigen Leihgaben, beispielsweise aus dem Diözesanmuseum in Brixen oder dem Innsbrucker Ferdinandeum, bis hin zu Schnitzereien und Plastiken des Vinschgers Friedrich Gurschler, mit Märchen aus dem Ötztal, Irland oder Albanien und Zitaten aus dem Gilgamesch-Epos und der christlichen Theologie malt die Ausstellung ein eindrückliches Bild der Kulturgeschichte der Weide zum Lesen, Sehen und Hören.
Das Museum holt weit aus, muss es auch, um die ganze Breite diese Aspektes der menschlichen Kultur aufzuzeigen, der vielerorts im Verschwinden begriffen ist.
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Dabei gleitet die Ausstellung nicht in eine Hirtenromantik ab. Ja, die vielen Arten traditioneller Holzzäune werden erwähnt, daneben aber stehen auch moderne Plastikzäune und in einem Video erklärt der Hirte selbst deren richtigen Einsatz.
Interviews mit Profis und ein anschauliches Weide-Modell der Schlandrauner Alm im Vinschgau beleuchten die vielfältigen Aufgaben der Hirten, nachdem sie diese in ihren historischen Kontext gesetzt haben.
Am Ende macht die Ausstellung nochmal einen Sprung. In Kooperation mit dem Forschung-durch-Design-Projekts Feral Wool stellt sie Fragen nach der möglichen Zukunft lokaler Wolle.
Auch dem Besucher werden am Ende Fragen gestellt, zu Gesetzgebung und politischer Zielsetzung der Weidewirtschaft, gleichzeitig wird er mit den Missständen der Massentierhaltung konfrontiert.
Am Ende wartet ein Mikrofon mit rotem Knopf. In maximal 50 Sekunden kann jeder Besucher seine Meinung über die Rolle der Weidewirtschaft und des Wolfes kundtun.
Ein Thema, das in den letzten Jahren nicht nur durch die Gasthäuser Südtirols gegeistert ist, jedoch selten mit solcher Nuance behandelt wurde.
Das Naturmuseum schafft mit dieser Ausstellung einen Dialog, wie es nur das Kennenlernen des Gegenübers ermöglicht. Baut Brücken zwischen Welten, die zusehends auseinanderdriften.
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Die Austellung
Die Ausstellung im Naturmuseum Südtirol in der Bindergasse 1 in Bozen läuft vom 26. Oktober 2024 bis zum 12. Oktober 2025. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit den Initiativen LIVEstockProject, Natura2000 und der Europäischen Union.