Economia | Raiffeisen
Operation Sesselkleber
Es ist ungewöhnliches Terrain, das die drei gestandenen Herren an diesem Abend im Februar 2019 betreten. Drei Obmänner von Südtiroler Raiffeisenkassen sitzen am Tisch in der Salto-Redaktion. „Es geht einfach nicht an, dass man diese Sache still und leise auszusitzen versucht“, sagt einer aus dem Trio. Der andere geht noch weiter: „Hier wird das Gesetz gebogen, ausschließlich zum persönlichen Vorteil einiger weniger“.
Das Dossier und die Geschichte, die die Herren an diesem Tag übergeben, sind in Raiffeisenkreisen bekannt. Man redet und tuschelt seit Monaten darüber. „Spätestens jetzt dürfte für alle klar sein, dass es einigen Herren nur darum geht, viel Geld einzustecken“ lautet der harte Vorwurf am Ende des Gesprächs.
Die abenteuerlich anmutende Geschichte spielt sich seit Monaten an der Spitze der Südtiroler Raiffeisenlandesbank (RLB) ab und könnte zu einem rechtlich brisanten Nachspiel im Reich von Wilhelm Friedrich Raiffeisen führen.
Die Statutenänderung
Die Geschichte beginnt mit der staatlichen Reform der Genossenschaftsbanken. 2018 hat Italien ein Gesetz erlassen, das vorschreibt, dass sich die Genossenschaftsbanken zu Bankengruppen mit einer sogenannten „capogruppo“ zusammenschließen müssen.
Im Südtiroler Raiffeisenkosmos gab es dazu von Beginn an zwei divergierende Haltungen. Auf der einen Seite die einzelnen Raiffeisenkassen, die sich dagegen wehren wollten, weil sie durch diese Reform ihre Autonomie völlig verloren hätten. Auf der anderen Seite die amtierende Spitze der Raiffeisenlandesbank, die endlich die Chance sah, die bestehenden Machtverhältnisse völlig umzukrempeln.
Unter der Federführung von RLB-Präsident Michael Grüner wurde ein Modell entworfen, in dem die Landesbank „capogruppo“ werden und die einzelnen Raikas nur mehr bessere RLB-Filialen sein sollten. Selbst der mächtige Raiffeisenverband wäre dann kaum mehr als eine Art Hilfsorganisation gewesen.
Während die Gegner dieses Modells in Rom lang versuchten, politisch eine Ausnahmelösung durchzusetzen, arbeiteten Grüner & Co im Schnelldurchgang an der Umsetzung ihres Traumes. Man entwarf ein Statut für das neue Gebilde, holte sich dafür das Plazet der Bankenaufsicht und schritt zu Umsetzung.
Am 15. Oktober 2018 trafen sich die RLB-Gesellschafter zur Vollversammlung (42 Raiffeisenkassen halten 99,677 Prozent des Gesellschaftskapitals der Landesbank) und zur Genehmigung des neuen Statuts. Die meisten Obmänner stimmten an diesem Tag gegen ihre Überzeugung für das neue Statut. Weil die staatliche Regelung ansonsten zu Jahresende den Entzug der Banklizenz vorsah, sah man sich dazu gezwungen. Notar Walter Crepaz überwachte und begleitete auf der Sitzung die Statutenänderung.
Der Verwaltungsrat
Einer der zentralen Punkte im neuen Statut war die Aufstockung des Verwaltungsrates von sieben auf 11 Mitglieder. Auf der Vollversammlung fanden dann auch umgehend die Neuwahlen der RLB-Gremien statt. In den Verwaltungsrat gewählt wurden Michael Grüner, Hanspeter Felder, Josef Alber, Massimo Andriolo, Walter Dallemulle, Flora Emma Kröss, Jakob Franz Laimer, Michele Tessadri, Stefan Tröbinger, Manfred Wild und Peter Winkler. Der Aufsichtsrat wurde mit Klaus Steckholzer, Hubert Berger und Hildegard Oberleiter bestückt.
Gleichzeitig wurden auch die Entschädigungen deutlich angehoben. Mit der Begründung, dass die Verantwortung und die Aufgaben der Verwaltungs- und Aufsichtsräte mit dem neuen Statut und als „capogruppo“ deutlich zunähmen, wurden ihre Vergütungen mehr als verdoppelt. 2017 erhielt der gesamte RLB-Verwaltungsrat ein Entgelt von 294.000 Euro, der neue Beschluss setzte jetzt eine Vergütung von deutlich über 700.000 Euro fest. Jeder Verwaltungsrat erhält über 45.000 Euro im Jahr. Ebenso wurden die Entschädigungen der drei Aufsichtsräte angehoben.
Am 16. Oktober 2018 wählte der neue Verwaltungsrat Michael Grüner zum Präsidenten und Hanspeter Felder zum Vizepräsidenten.
Der Paukenschlag
Doch dann passierte etwas, das alles auf den Kopf stellte. Ende Dezember 2018 genehmigte das Parlament in Rom doch noch eine Ausnahmebestimmung für Südtirol. Südtirols Raiffeisenkassen können das Modell eines „institutsbezogenen Sicherungssystems“ (IPS) umsetzen. Es ein gemeinsames unabhängiges Kontrollsystem, das es auf europäischer Ebene in vielen Ländern bereits gibt. Damit erfüllen die Raiffeisenkassen die staatlichen Vorgaben.
Im Umkehrschluss heißt das aber: Die gesamte Statutenänderung der Landesbank wäre eigentlich hinfällig. Denn das "capogruppo", die mit dem neuen Statut entstehen sollte, braucht es nicht mehr, und sie wird auch nicht umgesetzt werden.
Alle Beobachter gingen deshalb davon aus, dass man auf einer Vollversammlung die Statutenänderung rückgängig macht, das alte Statut wieder in Kraft setzt und so weiterarbeitet wie in den vergangenen viereinhalb Jahrzehnten.
Doch weit gefehlt: An der Spitze des Landesbank spielt man das Drei-Affen-Spiel: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.
Der Hauptgrund dafür ist simpel: Nach diesem Paukenschlag braucht die RBL auch den elfköpfigen Verwaltungsrat nicht mehr. Vor allem aber wären die hohen Entschädigungen kaum mehr vertretbar.
Doch diese Fragen dürfen im Raiffeisenkosmos nicht gestellt werden. Denn der neue Verwaltungs- und Aufsichtsrat bleiben im Amt und arbeiten so, als sei nichts passiert. Aber nicht nur das. Am 27. Dezember 2018 wurden – nach Informationen von salto.bz - die ersten Entschädigungen an alle Mitglieder ausgezahlt. Genau das könnte aber zu einem ernsthaften Problem werden. Denn Fachleute gehen davon aus, dass der RBL-Verwaltungsrat seit fünf Monaten ohne Rechtsgrundlage arbeitet.
Kein genehmigtes Statut
Das italienische Zivilgesetzbuch (Art. 2436) sieht vor, dass Änderungen eines Gesellschafts- oder Genossenschaftsstatutes erst dann Rechtsgültigkeit erlangen, wenn sie im Handelsregister eingetragen sind. Doch das neue Statut der Landesbank ist bis heute nicht eingetragen.
Der Grund dafür: Das Statut ist bisher nicht offiziell genehmigt.
Die gesetzlichen Bestimmungen sehen im Fall von Genossenschaftsbanken einen besonderen Genehmigungsweg vor. Die Banca d’Italia muss zuerst ein positives Gutachten abgeben. Danach muss das Amt für Genossenschaftswesen des Landes ebenfalls das Statut prüfen, und schließlich muss es die Landesregierung genehmigen. Erst dann kann das Statut in der Handelskammer eingetragen werden und erlangt somit Rechtskraft.
Nicht nur der Hausverstand, sondern auch die konsolidierte Rechtssprechung sagen deshalb klar: Erst dann kann der neue Verwaltungsrat gewählt werden und seine Tätigkeit aufnehmen.
Bis heute fehlt aber diese Genehmigung der Statutenänderung durch die Banca d´Italia. Auch im Amt für Genossenschaftswesen hat man das neue RLB-Statut noch nicht genehmigt. „Es ist ein laufendes Verfahren, deshalb kann ich keine Auskunft gegeben“, sagt Amtsdirektorin Manuela Paulmichl. Nur soviel: „Es handelt sich um ein komplexes Verfahren“.
Was man nicht sagt: Normalerweise geht es völlig anderes. Das macht ausgerechnet eine andere Südtiroler Raiffeisenkasse vor.
Die Raika Ritten hat sich bekanntlich der genossenschaftlichen Bankengruppe „Cassa Centrale Banca – Credito Cooperativo Italiano“ angeschlossen. Die Vollversammlung genehmigt am 25. Oktober 2018 das neue Statut. Die Banca d’Italia hat am 7. Dezember 2018 das positive Gutachten dem Amt für Genossenschaftswesen übermittelt. Am 18. Dezember 2018 hat die Landesregierung dann das neue Rittner Statut genehmigt.
Die Sackgasse
Dass es bei der Landesbank nicht klappt, liegt an einer „furbata“, die man bei der Statutenänderung eingebaut hat. Ganz am Ende des neuen Statutes findet sich eine Übergangsbestimmung. Dort heißt es sinngemäß, dass einige Bestimmungen des neuen Statutes ihre Wirkung verlieren, wenn es nicht zur Gruppenbildung kommt.
Die Aufstockung des Verwaltungsrates und die (Fast)-Verdreifachung der Entschädigungen würden damit ihre Wirkung nicht verlieren. „Damit wird klar, um was es diesen Herren von Anfang an gegangen ist“, ärgern sich die drei Raika-Obmänner heute.
Das Problem: Ausgerechnet diese Bestimmung scheint bei der Bankenaufsicht Bedenken auszulösen. Weil es inzwischen die Ausnahmebestimmung für Südtirol gibt, sieht die Banca d’Italia kaum mehr Sinn darin, das neue Statut zu genehmigen.
Das Problem: Ausgerechnet diese Bestimmung scheint bei der Bankenaufsicht Bedenken auszulösen. Weil es inzwischen die Ausnahmebestimmung für Südtirol gibt, sieht die Banca d’Italia kaum mehr Sinn darin, das neue Statut zu genehmigen.
Doch damit befindet sich die Spitze der Landesbank in einer Sackgasse. Man versucht derzeit mit allen Mitteln, die Sachlage irgendwie zu sanieren. Wobei diese Sachlage mehr als problematisch ist. Denn der Aufsichtsrat der Landesbank müsste hier laut Bankenbestimmungen einschreiten und eine Lösung fordern. Was bisher nicht geschehen ist. Aufsichtsratspräsident Klaus Steckholzer war für salto.bz nicht zu sprechen.
Wobei für alle Beteiligten eines klar ist: Kommt es zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung und womöglich zur Verkleinerung des Verwaltungsrates, verlieren einigen ihren Verwaltungsratssessel.
Vor allem RLB-Präsident Michael Grüner. Grüner, der seit 22 Jahren als Präsident die Landesbank leitet, rutschte am 15. Oktober als Siebtgewählter in den Verwaltungsrat. Dass man ihn dennoch als Präsident bestätigte, erregte in der Raiffeisenwelt breiten Unmut. Möglich wurde das nur durch eine diskrete Abmachung: Grüner versicherte, nach einhalb Jahren auszuscheiden und das Amt an Hanspeter Felder zu übergeben. Neuwahlen würde der Langzeitpräsident demnach wohl nicht überleben.
Deshalb soll diese Geschichte solange wie möglich totgeschwiegen werden.
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...wäre eine elitaristische
...wäre eine elitaristische Auslegung des Gedankens der gegenseitigen Mitgliederförderung!