Economia | Porträt

"Design ist mehr als Form und Farbe"

Wie kann Design unsere Gesellschaft beeinflussen und können Designer davon auch leben? Das Kollektiv „Brave New Alps“ hat dazu am Samstag Spannendes zu erzählen.
Perceptive Safari (London, 2009).
Foto: Brave New Alps

Es ist eine Tatsache, mit der sich vor allem die steigende Zahl an Freischaffenden auseinander setzen muss: Nicht alles, was arbeitsmäßig sinnvoll erscheint und Befriedigung verschafft, bringt die nötigen Einnahmen, um das eigene Leben finanziell zu bestreiten. Ein Thema, das von  10. bis 12. März auch Schwerpunkt der Konferenz „By Design or by Disaster“ an der Freien Universität Bozen ist. „Make work work!“, so das Motto der Desing-Konferenz, die sich in ihrer aktuellen Ausgabe mit Praktikern aus ganz Europa vor allem dem Bereich des öko-sozialen Designs und seinen wirtschaftlichen Aspekten widmet.

Ein Duo, das geradezu prädestiniert ist, darauf Antworten zu liefern, sind Bianca Elzenbaumer und Fabio Franz vom  Kollektiv Brave New Alps.  Seit ihrem Bachelorstudium an der Uni Bozen haben die gebürtige Olangerin und der Trentiner mit deutschem Vater, die beruflich und privat ein Paar sind, eine gemeinsame Vision. „Uns ist schon recht bald klargeworden, dass wir nicht daran interessiert sind, Produkte für Auftraggeber im klassischen Sinn zu entwerfen, sondern uns sozialen und ökologischen Themen widmen wollen“, sagt Elzenbaumer.  Design ist mehr als Form, Farbe oder Typographie, Design liefert auch Instrumente, um aktuelle gesellschaftliche Themen und Probleme kritisch zu beleuchten und neue Perspektiven aufzuzeigen, so die Überzeugung des Duos.

 Elf Jahre nach Abschluss ihres Studiums in Bozen finden sich auf der Homepage von Brave New Alps  zahlreiche praktische Beispiele für ihren Ansatz von öko-sozialem Design. Begonnen bei ihrer gemeinsamen Diplomabeit, die das Duo neben Aldous Huxleys Kultroman zum Markennamen ihres Kollektivs inspirierte und sich den Auswirkungen von Massentourismus auf die lokale Kultur und Natur widmete. Teil der Arbeit war damals eine fake news über eine Gesellschaft aus München, die die letzten Überbleibsel unberührter Natur in den Alpen mit einer fünf Meter hohen Mauer umzäunen und reichen Touristen vorbehalten will. Eine Nachricht, die nach allen Regeln der Kunst glaubhaft gemacht wurde und es so sogar auf die Titelseite des Tagblatts Dolomiten schaffte – bevor die Geschichte schließlich auf einer Pressekonferenz aufgelöst und erklärt wurde.

Seitdem haben Bianca Elzenbaumer und Fabio Franz in- und außerhalb von Europa zahlreiche Projekte angestoßen,  unterrichten an verschiedenen Unis, veranstalten Workshops und haben mittlerweile einen Master am Londoner Royal College of Art absolviert sowie - ebenfalls in England - ein Doktorat gemacht bzw. begonnen. Eine ihrer Schienen ist der Kunstbetrieb, über den sie ihre Ideen auch dank mehrerer Artist Residencies realisieren konnten. In Südtirol bespielten sie unmittelbar nach ihrem Bozner Studienabschluss den Eurac Tower mit einer Arbeit zum Autoverkehr oder lebten im Rahmen der Manifesta 7 drei Monate lang in einem Camper in Franzenfeste, um dort gemeinsam mit der Franzensfester Bevölkerung ein Archiv ihrer Vergangenheit anzulegen, das neue Perspektiven für die Zukunft aufzeigen sollte.

Aktuell versuchen die beiden Designer in einer alten Industriehalle bei Rovereto einen Treffpunkt zu schaffen, in der unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen gemeinsam ins Tun kommen und voneinander lernen. Derzeit gibt es dort eine Holzwerkstatt und eine Druckerei; in Planung sind eine Nähwerkstatt und eine Töpferei. Zu Gast im QuerciaLab waren bislang nicht nur Studierende und Designer und Künstler aus dem In- und Ausland, sondern auch direkt daneben untergebrachte 80 Asylwerber, die dort ihre Fertigkeiten einbringen können. Auch an die Uni Bozen hat es Brave New Alps wieder zurückverschlagen – mit einem auf eineinhalb Jahre angelegten Forschungsprojekt, in dem sich die beiden Designer der Frage widmen, die auch im Mittelpunkt der diesjährigen Design-Konferenz steht: Wie schaffen es öko-soziale Praktiken in Europa und in den USA, sich auch wirtschaftlich über Wasser zu halten?

 

 „Mapping Eco-social Desgin“, so der Titel des Projekts, das eine Fortsetzung der Arbeit ist, die das Duo bereits im Rahmen des Doktorats von Bianca Elzenbaumer am Londoner Goldsmiths College startete. Die theoretische Auseinandersetzung der Pustererin mit den prekären Arbeitsbedingungen in der Design-Branche führte 2014 zu einem weiteren Projekt des Duos, dem Precarity Pilot. Eine Webplattform, mit der das Ziel verfolgt wird, andere Designer dabei zu unterstützen, sich in der Arbeitswelt zurechtzufinden und sich vor allem genügend Freiräume zu schaffen, um mit Design und seiner sozialen Relevanz zu experimentieren. „Als wir aus der Designerschule raus waren und unsere ersten Aufträge erhielten, hatten wir keine Ahnung, wie viel wir für unsere Arbeit verlangen sollten oder wie man zum Beispiel einen Kostenvoranschlag schreibt“, erinnert sich Fabio Franz. So sehr an Design-Unis in ganz Europa sozialkritische Projekte honoriert würden, so wenig praktisches Überlebens-Werkzeug würde den Studienabgängern mitgegeben. „Geld ist fast wie ein Tabu-Thema, über das niemand in der Ausbildung spricht“, meint er.

Die Folgen davon bekamen auch er und seine Partnerin zu spüren. „Über die Jahre hinweg haben wir es geschafft, auch wirtschaftlich auf eigene Beinen zu stehen“, erzählt der Designer. Trotz finanzieller Unterstützung ihrer Familien sei der Weg dorthin aber nicht leicht gewesen. Mit ein Grund dafür, dass sich das Duo der Thematik nun bereits seit Jahren widmet. Dank ihres Precarity Pilote finden junge Designer nicht nur jede Menge praktisches wirtschaftliches Handwerkzeug. Thematisiert werden dort auch Themen wie gegenseitige Solidarität und Unterstützung. „Wir sind nicht daran interessiert, wie man als einzelner Designer Erfolg haben kann“, meint Elzenbaumer.  „Uns geht es darum, einen Standard aufzubauen, der alle schützt und der Design als Feld nachhaltiger macht.“ Denn wie die beiden Designer schon bald nach ihrer Entscheidung für die öko-soziale Schiene von Design realisierten: „Wenn sich in der Welt etwas ändern soll, dann können das nicht nur Brave New Alps machen – dann brauchen wir jede Menge öko-soziale Designer oder Menschen, die sich für diese Themen engagieren.“