Der Bio-Häuslbauer
Häuslbauen ist für viele Menschen ein einschneidendes Lebensereignis. Den Vinschger Herbert Niederfrininger machte es gar vom Landesbeamten und leidenschaftlichen Förster zum Unternehmer. Schuld daran war eine Marktlücke, die seinem Traum vom Eigenheim im Weg stand: Aus Vollholz sollte es sein, aber auch leim- und metallfrei und leicht in den Stoffkreislauf rückführbar, hatte der damalige Leiter der Forststation im Vinschger Prad entschieden gehabt. Immerhin hatten die Natur, der Wald und das natürliche Material Holz das Leben des Bergbauernsohnes vom Sonnenberg nicht nur in der Kindheit stark geprägt. Seine Leidenschaft führte Niederfriniger zuerst zum Tischlerhandwerk, bevor er sich schließlich mit 26 Jahren mit der Försterprüfung einen alten beruflichen Traum erfüllte. Als er sich dann mit Mitte 30 auf die Suche nach seinem Traumhaus machte, fand er jedoch nichts, das seinen ökologischen Ansprüchen wirklich gerecht wurde: „Es gab damals nur ein Produkt auf dem Markt, das mich aber weder technisch noch ästhetisch überzeugte“, erzählt er.
Also behalf er sich selbst – und entwarf gemeinsam mit einem ehemaligen Kollegen aus der Holztechnikerschule in Brixen eine Lösung für ein Holzbausystem aus leim- und metallfreien Massivholzelementen. Damit legten Herbert Niederfrininger und der Ridnauner Armin Strickner nicht nur den Grundstein für sein eigenes ökologisches und baubiologisches Vollholzhaus, sondern auch für Südtirols heutigen Marktführer in diesem Bereich: das Prader Unternehmen Holzius, bis vor einem Jahr unter dem Namen Soligno bekannt. Am heutigen Freitag treffen sich dort Landespolitik und Branchenvertreter, um das 10-jährige Jubiläum des Betriebs und seiner mehr als 30 Mitarbeiter zu feiern – mit Fachvorträgen zu nachhaltigem Wirtschaften, Klimaschutz und dem Baumaterial Vollholz.
Schwierige Entscheidung
Knapp 400 Öko-Häuser hat Holzius in den vergangenen zehn Jahren zwischen dem Süden Italiens und dem Norden Deutschlands realisiert – hierzulande unter anderem das bekannte Bio-Hotel Theiners Garten in Garagazon. Heute zählt das Unternehmen in seiner Nische des ökologischen Vollholzbaus europaweit zu den drei Marktführern, sagt sein Geschäftsführer Herbert Niederfrininger. Bis es so weit kam, mussten jedoch jede Menge Steine aus dem Weg geräumt werden. So freudig die beiden einstigen Mitschüler ihre Idee zur Patentreife weiterentwickelt und an einem Gartenhäuschen getestet hatten – nach der Gründung einer gemeinsamen Firma im Jahr 2005 verebbte der Elan erst einmal.
Der erste Platz beim damaligen Südtiroler Businessplanwettbewerb Adventure X gab den Firmengründern zwar zusätzliche Bestätigung. Dennoch drohte ihr gemeinsames Projekt in einer Schublade zu enden. Denn für ein wirkliches Durchstarten fehlen den beiden Männern sowohl die Zeit als auch das Geld. „Wir hatten zwar eine Firma mit einem Patent und eine tolle Idee“, erzählt Herbert Niederfrininger. „Doch um im Holzbereich etwas zu machen, braucht es Kapital - und das fehlte uns.“ Noch dazu ging der Förster mit Leidenschaft seinem Vollzeitjob als Verantwortlicher der Prader Forststation nach. Und als Hobby hat ein Startup-Unternehmen bekanntlich wenig Erfolgsaussichten.
So kristallisierte sich für Herbert Niederfrininger immer klarer heraus, dass er sich entscheiden musste: für seine sichere Landesstelle als Förster oder eine ungewisse Zukunft als Unternehmer. Nachdem ihm sein Traumberuf noch immer viel Freude bereitete, wählte Niederfrininger in einem ersten Schritt den Förster-Job. Doch das gemeinsame Patent sollte zumindest die Chance bekommen, Früchte zu tragen. Und so klapperten die beiden Kompagnons Südtirols Holzbauunternehmen ab, um ihnen ihre Idee zu verkaufen.
Erfolg hatten sie damit erst beim Branchenprimus Rubner, vor dem sie eigentlich gewarnt worden waren. „Die fressen Euch mit Haut und Haaren, hat es damals geheißen“, lacht der Holzius-Geschäftsführer heute. Stattdessen fanden sie mit der Pusterer Firmengruppe einen starken Partner, der allerdings seine Lebensplanung noch einmal über den Haufen warf. „Stefan Rubner war vor unserer Idee zwar begeistert“, erzählt Niederfrininger. Statt sie ihnen abzukaufen, lautet die Bedingung des Pusterer Unternehmers allerdings:„Die Köpfe müssen zusammenbleiben“. In anderen Worten: Rubner übernahm die Mehrheit an ihrem Unternehmen, das unter der Marke Soligno in die Pusterer Unternehmensgruppe eingegliedert wurde. Niederfrininger und Strickner blieben jedoch nicht nur als Gesellschafter mit dabei, sondern sollten das Unternehmen auch operativ weiterbringen.
"Rubner frisst Euch mit Haut und Haaren, haben uns viele gewarnt"
Nach zehn Jahren ist ihnen das in ihrer Marktnische gelungen. Vor allem seit einer Neupositionierung vor zwei Jahren hat sich das kontinuierliche Wachstum des vergangenen Jahrzehnts noch einmal beschleunigt, erzählt Herbert Niederfrininger. Anlass dafür hatte ein Markenstreit mit einem deutschen Unternehmen gegeben, der zu einem jahrzehntelangen rechtlichen Hick-Hack auszuufern drohte. Stattdessen nutzte sie das Unternehmen für eine Neuausrichtung. „Verwende die Steine, die dir das Leben in den Weg legt, um dein Fundament zu stärken“, lautet die zugrundliegende Philosophie des naturverbundenen Unternehmers. Sprich: Nicht nur die Marke wurde von Soligno zu Holzius umbenannt. Auch die Unternehmensausrichtung wurde in einem Beratungsprozess mit dem Brixner Terra Institut noch einmal auf den Prüfstand gestellt. Und so hat das Unternehmen das Liefergeschäft, das bis vor kurzem seine Haupttätigkeit ausmachte, um weitere Geschäftsfelder bereichert: Neben Großprojekten und Geschosswohungsbau bietet Holzius seinen Kunden heute auch die Möglichkeit, die Bauprojekte bis zur fertigen Gebäudehülle auszuführen statt nur die Bauelemente zu liefern. Innovative Aufträge in Großstädten wie Berlin, Karlsruhe oder Stuttgart zeigen, dass die Nachfrage nach Bio auch im Baubereich immer stärker angekommen ist, sagt Niederfringer.
Wie wird das Klimahaus entsorgt?
Ein Trend, der im Sinne eines nachhaltigeren Wirtschaftens längst überfällig ist, wie der Unternehmer findet. Denn die Bauwirtschaft sei heute allein im Abfallbereich für rund 60 Prozent des Müllaufkommens verantwortlich. Dazu kommen unzählige Schadstoffe, die im herkömmlichen Bau in Bau- oder Dämmmaterialien, Oberflächenbehandlungen bis hin zu Materialien wie Stoffen und Teppichen enthalten seien. „Wenn man hier konsequent Schadstoffmessungen machen würde, würden ganz viele Bauten bis hin zu Schulen ganz schlecht dastehen“, ist Herbert Niederfringer überzeugt. Ausgenommen seien davon auch nicht die vielgepriesenen Klimahäuser und ihre Dämmmaterialien. „Das Prinzip, den Energieverbrauch zu reduzieren, während das Haus genutzt wird, ist sicher zu begrüßen“, sagt der Holzius-Geschäftsführer. „Doch wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, sollten man sich auch die verwendeten Materialien genauer ansehen und vor allem überlegen, wie es mit den Altlasten aussieht, wenn das Haus einmal abgerissen wird.“ Im ökologischen und baubiologischen Holzbau sei dieses Problem dagegen heute schon gelöst. Denn unbehandelte Vollholzwände ohne Leim und Nägel könnte leicht wieder in den Stoffwechsel zurückgeführt werden.
Nicht nur bei der Entsorgung, auch bei der Produktion der Produkte achtet man bei Holzius allerdings auf ökologische Grundprinzipien wie kurze Wege. Produziert wird ausschließlich im strukturarmen Obervinschgau. „Wenn wir nur die Finanzen und die Rohstoffe im Augen hätten, müssten wir nach Deutschland gehen, wo schon allein die Grundstückspreise ein Drittel von hier ausmachen“, sagt der Unternehmer. „Doch wir haben ein Vinschger Produkt, das vor allem ohne unsere Mitarbeiter nicht mehr dasselbe wäre.“ Und so schenkt man sich bei Holzius zum zehnjährigen Jubiläum statt dessen einen neuen Firmensitz in der Heimat. Noch sind die Firmeneigner auf der Suche nach dem passenden Grund. Sobald der gefunden ist, soll die bisher angemietete Betriebshalle durch ein eigenes Firmengebäude ersetzt werden.
Ein weiterer Meilenstein auf einem Weg, der zweifelsohne steiniger war als Niederfriningers früherer Landesjob. Bereut hat er den Wechsel bis heute dennoch „keine einzige Minute“, wie er versichert. „Förster zu sein war wirklich ein Traumberuf, doch als Unternehmer habe ich mich noch einmal persönlich weiterentwickeln können“, sagt er. Allen voran durch das Zusammentreffen mit vielen Menschen, die ähnliche Visionen und Ideen verfolgen wie sein Unternehmen. Ob sich diese im kommenden Jahrzehnt auch in der restlichen Südtiroler Baubranche immer mehr ausbreiten werden, wird sich zeigen. Luft nach oben gibt es in jedem Fall eine Menge, ist Herbert Niederfrininger überzeugt.