Plädoyer für die Freigabe
Es war die renommierte „Süddeutsche Zeitung“, die am Montag als erstes Medium die Nachricht lancierte. Geschrieben wurde der Artikel von keinem geringeren als Heribert Prantl. Prantl ist nicht nur Mitglied der Chefredaktion der Zeitung, sondern der studierte Jurist war vor seinem Wechsel zum Journalismus Staatsanwalt und Richter in Bayern, noch heute lehrt er als Honorarprofessor für Rechtswissenschaft an der Universität Bielefeld. Prantl war das Thema mehr als nur einen Aufmacher-Artikel wert. Der Polit-Journalist widmete der Sache auch gleich einen langen Kommentar, in dem er die Verwendung von Kriegsmetaphern im Strafrecht kritisiert und die These aufstellt, der amerikanischen Krieg gegen Drogen habe die deutsche Drogenpolitik in die falsche Richtung geführt.
Das Schildower-ManifestÜber zwei Dutzend Wissenschaftler, Mediziner und Experten, die im Strafvollzug, in der Suchttherapie, der Prävention oder im Strafrecht tätig sind, haben sich vor Jahren im „Schildower Kreis“ zusammengeschlossen.
Dieses antiprohibitionistische Experten-Netzwerk hat jetzt ein Manifest veröffentlicht, indem die Legalisierung des Cannabiskonsums in Deutschland gefordert wird. „Die strafrechtliche Drogenprohibition ist gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch“, heißt es gleich zum Beginn der Resolution. Die Forderung: Das Drogenstrafrecht muss dringend reformiert werden und die Kriminalisierung von Konsumenten ein Ende haben.
122 renommierte Strafrechtler, allesamt Universitätsprofessoren haben die Resolution bereits vor der Veröffentlichung unterzeichnet. Täglich kommen neue Unterzeichner dazu. Es ist bereits jetzt die hochkarätigste Initiative für eine Liberalisierung leichter Drogen und der kontrollierten Abgabe harter Drogen in Deutschland.
„Der Staat darf die Bürger durch die Drogenpolitik nicht schädigen. Es ist deshalb notwendig, Schaden und Nutzen der Drogenpolitik ideologiefrei wissenschaftlich zu überprüfen. Das kann nach unserer Auffassung nur dazu führen, die Drogenprohibition aufzugeben und legale Bezugswege zu schaffen“, heißt es in dem Manifest.
Als Gründe für die das Scheitern der strafrechtlichen Drogenpolitik und das nötige Ende der Repression führen die Unterzeichner fünf Thesen an.
1. Mit der Drogenprohibition gibt der Staat seine Kontrolle über Verfügbarkeit und Reinheit von Drogen auf. Nach Meinung der Juristen sei ein großer Teil der Konsumenten sozial integriert und komme im Alltag zurecht. Wer unter einer starken Abhängigkeit leide, brauche ärztliche Hilfe. Strafverfolgung habe nur negative Folgen.
2. Der Zweck der Prohibition wird systematisch verfehlt. Das Ziel, den Konsum von Drogen zu verhindern, sei auf der ganzen Welt gescheitert. Zwar könnte Strafen einige Leute abschrecken. Ein rigoroses Verbot sei aber noch nicht mal in Diktaturen oder Gefängnissen durchzusetzen.
3. Die Prohibition ist schädlich für die Gesellschaft. Das Verbot stärke in erster Linie den Schwarzmarkt und ermögliche der Organisierten Kriminalität große Gewinne. Zudem behindere das Verbot eine gute medizinische Versorgung von Drogensüchtigen.
4. Die Prohibition ist unverhältnismäßig kostspielig. Polizeieinsätze gegen Drogenhandel kosten Geld, das letztlich bei der Prävention und Behandlung von Süchtigen fehle.
5. Die Prohibition ist schädlich für die Konsumenten „Normales jugendliches Experimentierverhalten“ so die Verfasser, werde kriminalisiert und das Erlernen von „Drogenmündigkeit"“ erschwert. Konsumenten könnten so bereits früh auf die kriminelle Laufbahn geschickt werden.
Bewegung im BundestagDie 122 Professoren fordern eine nachhaltige Änderung der deutschen Drogenpolitik und –gesetzgebung. Der erste Schritt soll die Einrichtung einer Expertenkommission sein. Im „Schildower-Manifest“ heißt es: „Die Notwendigkeit der Einrichtung einer Enquete-Kommission des Bundestages ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber gemäß dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzip der Verfassung hinsichtlich geltender Gesetze eine Überprüfungspflicht hat und auf deutliche Veränderungen in der sozialen Wirklichkeit und in der Wissenschaft reagieren muss.“
Nach dem Bericht der Süddeutschen Zeitung wollen Linke und Grüne auf Basis der Resolution einen gemeinsamen Antrag auf Überprüfung des Drogenstrafrechts im Bundestag einreichen.
Die Initiatoren der Resolution wenden sich bereits in ihrem Manifest direkt an die Volksvertreter: „Als Kriminalwissenschaftler fühlen wir uns in besonderem Maße verantwortlich für die Einhaltung strafrechtstheoretischer Prinzipien und für die Zurückhaltung des Staates in der Anwendung der Ultima Ratio gesellschaftlicher Steuerung. Deshalb appellieren wir an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, nicht nur dem Fraktionszwang zu folgen, sondern auch ihrer individuellen Verantwortung.“
Es wird sich in den nächsten Monaten zeigen, wie weit diese Verantwortung da ist.
Lesen Sie hier die gesamte Resolution des Schildower Kreis.