Cultura | Preisverleihung

„Literarische Präzision“

Vorgestern wurde in Wien der Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch vergeben. Francesca Melandri bekam ihn für ihr publizistisches Gesamtwerk. Die Festrede.
Melandri
Foto: Karl-Renner-Institut
  • Die in Rom geborene Autorin Francesca Melandri verarbeite, so die Jury, „mit literarischer Präzision gesellschaftspolitische Themen und persönliche Geschichten zu komplexen und nuancierten Erzählungen“. Sie verknüpfe „meisterhaft Schicksale aus Vergangenheit und Gegenwart mit historischen und aktuellen Ereignissen.“ In seiner Laudatio würdigte der Jurypräsident Hannes Swoboda die italienische Autorin für ihr bisheriges publizistisches Gesamtwerk. Und freute sich bereits auf die Bücher, die von Melandri noch kommen würden. Besonders betonte er ihre Fähigkeit, Ambivalenzen in menschlichen Charakteren darzustellen und politische Zusammenhänge literarisch greifbar zu machen.

  • Das politische Buch: Autorin Francesca Melandri bei der Preisverleihung am Mittwoch in Wien Foto: Karl-Renner-Institut

    Ihren literarischen Durchbruch erzielte Melandri mit dem Roman Eva dorme, der in mehrere Sprachen übersetzt wurde und auch als italienisch-deutsche Koproduktion verfilmt werden sollte. Das Projekt scheiterte. Im Jahr 2012 veröffentlichte sie ihren zweiten Roman Più alto del mare und erhielt dafür mehrere Auszeichnungen, darunter den Premio Stresa und den Premio Campiello – Selezione Giuria dei Letterati. 2017 folgte ihr dritter Roman Sangue giusto, in dem Familiengeschichte, Kolonialismus und Migration miteinander verwoben sind. Darin thematisiert sie den faschistischen Rassismus der 1930er-Jahre und die italienische Besetzung Abessiniens 1935 sowie aktuelle Fluchtbewegungen aus Äthiopien und das Leben einer vierzigjährigen Lehrerin in der Gegenwart. Im vergangenen Jahr erschien Piedi freddi, ein Roman, der eine Parallele zieht zwischen den Erlebnissen des Vaters – eines alpinen Soldatenoffiziers während des „Rückzugs aus Russland“ im Zweiten Weltkrieg – und der russischen Invasion in der Ukraine im Jahr 2022. 

  • Festrede von Francesca Melandri (in Englisch) bei der Verleihung des Bruno-Kreisky-Preises 2024. Hier die Version in deutscher Übersetzung.
    (c) Karl-Renner-Institut

  • Melandri bedankte sich für die Auszeichnung und würdigte die Bedeutung Bruno Kreiskys. Gleichzeitig äußerte sie ihre Besorgnis über die aktuelle weltpolitische Lage. Sie warnte davor, Mitgefühl und moralische Haltung von ideologischer Zugehörigkeit abhängig zu machen, und forderte eine ehrlichere, umfassendere moralische Perspektive – auch im Umgang mit Deutschlands Vergangenheit und Verantwortung. 
    Anlässlich ihres Besuchs in Österreich war die Autorin auch im Italienischen Kulturinstitut zu Gast. Während der Veranstaltung wurde dabei unter anderem ihr letzter Dokumentarfilm Vera (2010, 48') gezeigt. Der Film ist der Geschichte von Vera Martin gewidmet, die 1924 in Zagreb in eine jüdische Familie geboren wurde und als einzige ihrer Familie den Krieg überlebte. Vera war im Jahr 2016 auch im Rahmen der Ausstellung The Magnificent Seven in der Galerie Prisma in Bozen zu sehen.

ATTENZIONE!
La diversità di opinioni è in pericolo!

Se venissero accettati i requisiti per i contributi ai media, non potresti vedere i commenti senza registrazione.

Ecco perchè

Bild
Salto User
m.gaismayr Ven, 05/09/2025 - 15:40

Zitat: "...und politische Zusammenhänge literarisch greifbar zu machen."

Von den Romanen, die Francesca Melandri veröffentlicht hat, habe ich nur „Eva dorme“ gelesen, aber das scheint mir alles andere als politisch und vor allem historisch korrekt zu sein. Aber wenn man es unter dem Gesichtspunkt einer gewissen Propaganda lesen will, dann ist es perfekt.

Ven, 05/09/2025 - 15:40 Collegamento permanente