How To Have Sex
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Der Film der Regisseurin Molly Manning Walker beginnt wie so viele „Partyfilme“. Drei Mädchen, zwischen 16 und 18 Jahre alt, fliegen nach Griechenland für einen ausgiebigen Partyurlaub. Sie sind höchst euphorisch, werfen sich kreischend in den Exzess der von Alkohol getränkten Nächte, kriechen am nächsten Tag verkatert aus den Betten und bekämpfen den dröhnenden Schädel mit noch mehr Schnaps, zwängen sich wieder in die engen Kleider, die sie sexy wirken lassen sollen, denn das ist ungemein wichtig. Die drei Freundinnen Tara, Eb und Skye sind nämlich nicht nur zum Feiern hier. Nein, sie wollen auch Sex haben, machen beinahe ein Spiel daraus, einen Wettkampf, wer mehr Männer oder Frauen flachlegt. Der Druck lastet besonders auf Tara, der jüngsten der drei. Sie ist noch Jungfrau und spricht nicht gerne darüber. Es ist das erklärte Ziel der drei, Tara zu entjungfern, zumindest ist das der Anschein. Schnell wird aber klar, dass Taras Freundinnen ihre eigenen Ziele verfolgen, und der anfangs so starke Zusammenhalt besonders dann ins Wanken gerät, wenn Grenzen überschritten und Auszusprechendes unausgesprochen bleibt.
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Die Jungs von nebenan
Zunächst ist aber alles gut. In der Wohnung nebenan zieht eine weitere Freundesgruppe ein. Auch sie sind trinkfreudig, feierwütig, und besonders die Jungs scheinbar rund um die Uhr auf der Suche nach einer willigen Frau. Auch Tara bekommt die Annäherungsversuche zu spüren. Sie geht zunächst auf Distanz, schüchtern und schlicht ratlos, wie sie darauf eingehen soll. Sie steckt in einem Dilemma, das viele junge Menschen gut kennen. Sie sollen Sex haben, aber wie geht das eigentlich? Und wie geht man mit den Grenzen der anderen Person um? Wann ist ein Ja ein Ja, und wann ist es nicht die vom Rausch vernebelte Angst, die nicht länger geäußert wird, die zum Schweigen gebracht wird, die sich zurückzieht zugunsten einer Coolness und dem Willen, dazuzugehören. Denn Tara ist, so entsteht der Eindruck, die einzige Jungfrau in der Runde. Sie wird im Laufe des Films ihre Unschuld verlieren. Das ist in diesem Film, der weniger von der Geschichte, sondern mehr von den zwischenmenschlichen Beziehungen lebt, kein Spoiler. Und ist die Unschuld erst einmal verloren, lässt sich darauf aufbauen. Wortlos aufbauen, sich wie selbstverständlich nehmen. Als hätte man einen Passierschein erhalten.
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Tara fehlen die Worte
Der Film erzählt auf authentische Art und Weise von der Unfähigkeit vor allem junger Menschen, von und über Sex zu sprechen. Es ist noch immer ein Tabu, gleichzeitig hängen Erwartungen daran, die mit den eigenen Befindlichkeiten kollidieren. Dass Tara nach dem ersten Sex sehr zwiegespalten zurückgelassen wird, diesen Moment, der stark alkoholisiert geschah, vermutlich lieber anders erlebt hätte, beispielsweise mit größerer Überzeugung, das jetzt wirklich zu wollen, all das interessiert den Mann, mit dem sie Sex hatte, kaum. Im Gegenteil nutzt er die nächste Gelegenheit, um es erneut zu tun. Die Widerworte Taras halten ihn nur kurz auf. Letztlich geschieht das, was wir Vergewaltigung nennen. Tara fehlen aber die Worte, es so zu nennen, obwohl sie im Innersten weiß, dass es das ist. Ihr fehlen die Worte und der Mut, sich selbst ihren Freundinnen anzuvertrauen. Zu denen verliert sie ohnehin den direkten Draht. Sie stürzen sich in eigene Abenteuer und das sei ihnen gegönnt. Man darf nicht den Fehler machen, den beiden Freundinnen, und sind sie in manchen Szenen auch noch so gleichgültig in Bezug auf Taras Verbleib, den Vorwurf zu machen, sie würden nicht auf sie aufpassen. Vielmehr ist an den Mann zu appellieren, der die Unsicherheit Taras ausnutzt. Und sein Vorhaben funktioniert. Er bekommt, was er will, und niemand erfährt etwas davon. Beinahe. Eine große Stärke des Films ist, dass er die Ereignisse nicht dramatisiert. Es gibt keinen Showdown, keine große Enthüllung, und auch keinen Skandal. Bloß die Normalität. Der Urlaub endet, und alle kehren zurück in ihren Alltag. Tara ist von diesen Nächten gezeichnet. Sie wird sie nicht vergessen. Sie ist möglicherweise traumatisiert, doch über das Trauma zu sprechen fällt schwer. Zu groß ist vielleicht die Angst, dass ihr nicht geglaubt wird. Dass es normal ist, dass ein Mann sich nimmt, was er will. Das Finden der Worte und das Aussprechen selbiger ist scheinbar das größere Tabu als die Vergewaltigung selbst, die, maskiert als harmloser Sex, von großen Teilen der (männlichen) Gesellschaft noch immer relativiert wird.
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(c) Polyfilm
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"How to have Sex" ist am kommenden Mittwoch, dem Valentinstag, ab 20 Uhr im Bozner Filmclub zu sehen. Die Vorführungsreihe Female Views zeigt den Film im Englischen Originalton mit deutscher Untertitelung.