Delegitimierter Landtag?
Die leitenden Beamten des Wohnbauinstitutes staunten nicht schlecht, als der zuständige Landesrat Christian Tommasini auf der Sitzung der Landesregierung die Pläne für die Reform ihres Institutes erläuterte. Sie erfuhren an diesem Vormittag zum ersten Mal, dass das Wobi zerschlagen werden und wichtige Bereiche des Institutes samt Personal an die Landesverwaltung übergehen sollen. Niemand hatte vorher mit der Wobi-Führungsebene darüber geredet.
Eine Woche später, am Dienstag vor zwei Wochen, genehmigte die Landesregierung die grundlegende Reform des Wohnbauinstituts. Auch der Mehrheit der Verwaltungsräte erging es wie den Bediensteten des Wobi. Sie erfuhren aus den Medien, dass der Verwaltungsrat in Zukunft nur mehr drei Mitglieder haben und nur mehr für drei Jahre im Amt sein wird. Bestätigt wurden Präsident Konrad Pfitscher und sein Stellvertreter Renzo Caramaschi. Dritte Wobi-Verwaltungsrätin ist die Amtsdirektorin Manuela Paulmichl.
Seitdem schüttelt man im Wohnbauinstitut nur mehr den Kopf. „Diese Aktion ist doch eindeutig gegen das Gesetz“, sagen gleich mehrere Beamte zu salto.bz.
Die Aufgaben und die Struktur des Wobi werden im Wohnbauförderungsgesetz geregelt. In Artikel 13 dieses Gesetzes heißt es:
Die Verwaltung des Wohnbauinstitutes besorgt ein Verwaltungsrat, der aus fünf Mitgliedern zusammengesetzt ist, und zwar:
a) aus dem Präsidenten,
b) aus einem Vertreter der repräsentativsten Gewerkschaftsverbände auf Landesebene, der aus den Vorschlägen derselben ausgewählt wird,
c) aus einem Vertreter der Bauwirtschaft, der aus einem Dreiervorschlag der entsprechenden Verbände ausgewählt wird,
d) aus einem Vertreter der Gemeinden, der vom Gemeindenverband der Provinz Bozen benannt wird,
e) aus einem Vertreter der Landesabteilung Wohnungsbau.
Ebenso ist im Gesetz festgeschrieben, dass der Wobi-Verwaltungsrat gleichlang im Amt ist wie die Landesregierung. Also fünf Jahre.
Diese gesetzlichen Bestimmungen sind bis heute nicht abgeändert worden und damit im Kraft. Trotzdem schert sich die Landesregierung anscheinend nicht darum. „Bevor man einen dreiköpfigen Verwaltungsrat auf drei Jahre ernennt“, kritisiert man jetzt nicht nur im Wobi, „wird man wohl zuerst dieses Gesetz ändern müssen“.
Eros Magnago, Generaldirektor des Landes, lässt diese Kritik nicht gelten. „Wir halten uns natürlich an die Gesetze, auch in diesem Fall.“ Der höchste Beamte des Landes stellt richtig: „Es gibt eine Bestimmung, die der Landesregierung genau das ermöglicht, was sie jetzt gemacht hat“.
Es war eines der letzten Gesetze der Ära Durnwalder. Am 9. September 2013 genehmigte der Landtag den Gesetzentwurf 176/13 mit dem Titel „Bestimmungen über öffentliche Veranstaltungen und Bestimmungen im Bereich der Nichterteilbarkeit und Unvereinbarkeit von Ämtern und Aufträgen“. In dieses Gesetz packte die SVP eine Art blinden Passagier, der den Aktionsradius des Südtiroler Landtages nachhaltig einschränkt und eine Art Freibrief für die amtierende Landesregierung in Sachen Umgestaltung der Landesverwaltung und der Landesgesellschaften ist.
Der Artikel, entworfen vom damaligen Generaldirektor des Landes Hermann Berger, wurde im allerletzten Moment in das Gesetz eingefügt. Erst bei der Behandlung des Gesetzes im I. Gesetzgebungsausschuss am 19. Juli 2013 legte Luis Durnwalder einen Zusatzartikel vor, der in der Sitzung von der Abteilungsleiterin des Rechtsamtes, Renate von Guggenberg, den Abgeordneten erläutert wurde. Guggenberg verwies laut Sitzungsprotokoll dabei „auf das Inkrafttreten des neuen staatlichen Antikorruptionsgesetzes, aufgrund dessen dringende Anpassungen der Landesgesetzgebung erforderlich sind.“
Dieser Artikel lautet:
Die Landesregierung ist ermächtigt, mit Verordnung, wodurch auch geltende Gesetze geändert oder ergänzt werden können, die Organisationsstruktur der Körperschaften, Agenturen oder Organismen, die vom Land abhängen oder deren Ordnung in seine, auch übertragenen Befugnisse fällt ...(...)... umzugestalten, um sie den Vorgaben des gesetzes vertretenden Dekrets vom 8. April 2013, Nr. 39, anzupassen.
Im Gesetzgebungsausschuss kommt es an diesem Tag zu einer kontroversen Diskussion. Selbst einigen SVP-Abgeordneten ist klar, dass man damit der Landesregierung die Macht gibt, per Verordnung grundlegende Strukturänderungen in den Landesgesellschaften herbeizuführen. Ohne den Landtag auch nur zu informieren. Am Ende wird der Artikel mit einer Gegenstimme (Alessandro Urzí) genehmigt.
Als das Gesetz am 9. September 2013 in den Landtag kommt, scheinen die meisten der Anwesenden bereits mit dem Wahlkampf beschäftigt gewesen zu sein. Nur so ist es zu erklären, dass ein einziger Abgeordneter die Tragweiter dieser Delegierung an die Landesregierung erkannte. Der ehemalige Freiheitliche Thomas Egger stimmte gegen diesen Artikel und erklärt: „Diesen Artikel möge man sich in Ruhe noch einmal durchlesen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir ermächtigen die Regierung, Gesetze zu ergänzen oder zu ändern! Also schon allein das war für mich Grund genug dagegen zustimmen. Ich habe es im letzten Moment rasch noch erfasst. Das gebe ich zu.“
Die neue Landesregierung hat am 18. März 2014 die im Gesetzesartikel geforderte „Verordnung über die Organisationsstruktur der Körperschaften, Agenturen oder Organismen, die vom Land abhängen“ erlassen.
Die zentralen Punkte: Alle Verwaltungsräte bestehen aus drei Mitgliedern und können bis auf sechs Personen erweitert werden. Es muss eine geschlechterspezifische und ethnische Ausgewogenheit bestehen. Die Amtsdauer beträgt nur mehr drei Jahre und es gilt eine Mandatsbeschränkung von 9 Jahren. „Ich verstehe diese Richtlinien im Sinne einer schmalen, sparsamen und modernen Verwaltung“, urteilt Generaldirektor Eros Magnago über die Neuerungen.
Obwohl vielen Juristen die Praxis, durch Verordnungen Landesgesetze abzuändern, durchaus skeptisch sehen, ist dem Landesregierungsbeschluss eine Liste beigelegt, in dem insgesamt 17 Landesgesellschaften angeführt werden, auf die diese neue Verordnung Anwendung finden soll. Ebenso angeführt werden die Landesgesetze und Gesetzesartikel, die durch diese Verordnung geändert oder abgeschafft werden.
Auffallend aber ist, dass in dieser Liste ausgerechnet jene Körperschaft fehlt, die man keine zwei Wochen später genau dieser Reform unterzieht: das Wohnbauinstitut.
Dass die Wobi-Reform eine Hau-Ruck-Aktion des Assessorats Tommasini war, wurde diese Woche noch deutlicher. Man merkte plötzlich, dass für die bereits medial angekündigte Reform der rechtliche Rahmen fehlt. Deshalb mussten man schnell nachbessern.
An diesem Dienstag hat die Landesregierung den Beschluss von 18. März widerrufen und einen neuen Beschluss gefasst. Dabei wurde kein Bestrich in der Verordnung geändert. Nur in der beigelegten Liste wurde eine Landesgesellschaft mehr aufgeführt. Das Wobi.
Am selben Tag trat der neue Wobi-Verwaltungsrat dann zu seiner ersten Sitzung zusammen.
"Heimführung" des Wobi
Hatte der Präsident der Provinz, wenn auch nicht dezidiert versprochen, so doch in Aussicht gestellt, privatrechtlichen Gesellschaftskonformationen all jene Tätigkeiten zu überlassen, welche dort besser aufgehoben seien. Warum sollte darunter nicht auch der Wohnbau untergebracht werden können? Ich finde die Politik einer weitgreifenden Machtkonzentratiom zwecks parteipolitischer Einflussnahme erfährt eine würdige Fortsetzung, siehe auch den Kampf um die Gerichtsaussenstellen, die nicht - wie Kompatscher sagte - vom Volke, sondern vielmehr von der Lobby der jeweils unmittelbar an der Erhaltung interessierten Kanzleien unter dem Vorwand eines fiktiven Vollswillens gefordert werden. Es ist bezeichnend, dass die Frontkämpfer die Namen Schramm, Zeller etc. tragen, alles Professionisti und Parteifunktionäre. Sowohl der Gerichtspräsident a.D., Heinrich Zanon als auch dessen Nachfolgerin Elsa Vesco haben sich klar für eine Zusammenlegung der Ämter ausgesprochen und somit das schriftliche Ersuchen von Senator Hans Berger in den Wind geschlagen. Diese hatte den Gerichtspräsidenten nämlich aufgefordert, beim justizministerium zu Gunsten des Erhalts der Aussenstellen zu intervenieren. Spending Review!!!!