Cultura | Tag der Mütter

„Mutterschaft ist kein Privatproblem“

Sich umhören, was Mütter erzählen. 10 Statements - zwischen überfordert und mutterseelenallein sein - die im Rahmen eines Ausstellungsprojektes entstanden sind.
exCHANGE
Foto: exCHANGE
  • „Aber es ist ihre eigentliche Bestimmung, Kinder zu gebären“, schrieb 1762 der Aufklärer Rousseau in seinem Hauptwerk Émile. Das kulturelle Narrativ Mütterlichkeit prägt nach wie vor das Außenbild einer Frau, obwohl nicht nur die Fürsorgepflicht heute auch anders gedacht wird. Offiziell gelten Mütter viel und sind doch unter dem Druck von Anforderungen und Rahmen allzu oft mutterseelenallein. 
    Das Thema exCHANGE: Exploring pathways of Art-Science collaboration to tackle inequalities, eine Zusammenarbeit der Eurac und des Südtiroler Künstlerbundes im vergangenen Jahr zum Thema Ungleichheiten, hat die Wissenschaftlerin Sara Parolari und mich angeregt, sich mit der „Mutterschaft“ (motherhood) auseinanderzusetzen und rund 50 Mütter anhand eines 7-seitigen-Interviewbogens zu befragen. Das von der Eurac-Mitarbeiterin Giulia Isetti begleitete Projekt wurde mit den Arbeiten anderer „Tandems“ vor geraumer Zeit in den Räumlichkeiten des Südtiroler Künstlerbundes ausgestellt. Die Namen der Interviewten wurden mit Absicht anonymisiert, das Projekt diente dem Versuch, Wissenschaft und Kunst auf eine Ebene zu bringen.
    Die folgenden Aussagen sind Zitate aus einigen Interviews.

  • Motherhood - Zehn Statements

    1990 geboren und in der Nähe von Bozen aufgewachsen, lebt heute mit ihrer Frau und dem gemeinsamen kleinen Sohn im Eisacktal. 

    Obwohl mein Kind nicht biologisch von mir ist, bin ich Mutter – und das war ich schon, als unser Sohn im Bauch meiner Frau heranwuchs. Nach einem Jahr und vier Monaten des Wartens bin ich nun auch offiziell als Mutter anerkannt, und unser Sohn trägt meinen Nachnamen. Muttersein bedeutet für mich nicht nur das Körperliche, sondern vor allem das Emotionale. Ich selbst bin in einem liebevollen Zuhause mit Mutter, Vater und meiner Schwester aufgewachsen. Dieses Gefühl von Geborgenheit möchte ich auch in unserer Familie weitergeben, denn auch als Regenbogenfamilie sind wir wie jede andere. Ich bin eine Mutter, wie jede andere auch.
     

    ::::::::::::::::::::::::::::::::::


    Geboren im Eissacktal, wohnt in Norddeutschland, arbeitet als Kreativdirektorin und Autorin, bekam mit fast 41 ihre Tochter, alleinerziehend.

    Idealerweise wären Mutter und Vater gleich wichtig in der Kindeserziehung. De facto kümmert sich oft die Mutter mehr. Weil sie sich (aus welchen Gründen auch immer, seien sie anerzogen oder doch biologisch) in den meisten Fällen verantwortlicher für das Wohlergehen des Kindes fühlt, sich mehr bemüht, auch um mehr Empathie. 
     

    Mutter-Sein erlebe ich als widersprüchlich. Beschränkend und bereichernd. 


    Mit dem Mutter-Sein ist auch eine große psychische Belastung hinzugekommen. Ängste, mir könne etwas passieren und das Kind wäre allein. Ich habe Angst vor der Zukunft. Ich bereue es, angesichts der düsteren Zukunftsaussichten, ein Kind bekommen zu haben. Ich will nicht, dass meine Tochter in einer Welt der Klimakatastrophen, Kriege und sozialen Ungerechtigkeiten leben muss. Das habe ich ihr zugemutet. Müsste ich mit dem Wissen von heute noch einmal entscheiden, ob ich ein Kind will, ich würde mich dagegen entscheiden. Ich habe aber auch viele Stärken entwickelt in dieser Rolle. 
    Gleichzeitig muss ich immer daran denken, dass angeblich so viele Menschen im Angesicht des Todes nach ihrer Mutter rufen. Das geht schon tief.
    In einer Welt voller Ungleichheiten Mutter zu sein bedeutet für mich Beschränkungen zu haben, aber auch Möglichkeiten, ein Gleichgewicht zu finden, zwischen dem Wunsch, die Dinge (gesellschaftlich) zum Besseren zu wenden und der Gelassenheit, Dankbarkeit (?) es so viel besser und einfacher zu haben als die meisten Frauen auf dieser Erde. Ein Mädchen hier großziehen zu können, wo sie nicht automatisch denselben Gefahren und derselben Unterdrückung ausgesetzt ist wie Mädchen in fast allen anderen Teilen der Welt. 
     

    ::::::::::::::::::::::::::::::::::

  • Foto: exCHANGE

    Geboren 1956, lebt in einem Seitental des Pustertales, Mutter eines Adoptivsohnes und eines Bauchsohnes. Selbst in einer Familie mit acht Kindern aufgewachsen. Sie war bereits bei der Geburt der Kinder selbständig und hatte nur ein „Entweder-Oder“, nach je zwei Monaten Karenz kehrte sie zurück ihren Betrieb.

     „Eine brasilianische, mir unbekannte Frau hat ihren Sohn weggegeben. Ich danke ihr oft für meinen großen. An jedem seiner Geburtstage brennt auch eine Kerze für sie. Ich fühle mich beschenkt. Als Mutter bin ich für meinen Adoptivsohn die zweite Mama, ich hoffe eine👍🏽. 
    Am Muttersein erfreut mich das Sein meiner Söhne, ihre Geschichte und ihre Geschichten, ihr Heimkommen, das Haus voller Leute, der leere Kühlschrank, der volle Esstisch….
    Mir imponieren meine Mutter und meine Schwiegermutter und auch meine freiheitsliebenden Schwestern, tolle Frauen, die keine Kinder haben, Frau sein ist in unserem Umfeld nicht an die Mutterschaft geknüpft. Die Frauen meiner angeheirateten Familie sind Feministinnen, emanzipiert und stark. Beginnend mit meiner Schwiegermutter❤️
     

    ::::::::::::::::::::::::::::::::::


    Geboren 1969 in Bozen, wo sie auch wohnt. Rechtsanwältin, Mutter von zwei Söhnen, in keiner Partnerschaft.

    Ich würde einem Mädchen (ungewollt, bin mir aber trotzdem sicher, dass es mir passieren würde) mehr zumuten und mehr abverlangen. Ich wäre weniger nachsichtig. Ob es ist, weil ich mich durch sie verwirklichen möchte?
    Ich würde mir wünschen, das Mutter-Sein nicht nur als Berufung, sondern auch als Beruf anzuerkennen (egal ob man auch „wirklich“ berufstätig ist). Mutter als Zweitjob ist genauso anstrengend wie als Hauptjob
    Außerdem plädiere ich für eine Pflichtkarenz für Väter. Wenn der Arbeitgeber nicht mehr weiß, dass nur die Frau für ein paar Monate ausfallen wird, dann kann er auch keine (versteckt) diskriminierenden Entscheidungen mehr treffen.
    Der Staat muss die Väter mehr in die Pflicht nehmen und bei Trennungen auch finanziell unterstützen: Wo soll ein schlechtverdienender Vater seine Zeit mit den Kindern verbringen, wenn die gemeinsame Wohnung bei der Mutter bleibt.
     

    ::::::::::::::::::::::::::::::::::

  • Foto: exCHANGE

    Geboren 1970 in Casablanca, Marokko, lebt und arbeitet in Bozen, Uniabschluss, Oberschullehrerin, 1 Sohn, verheiratet

    Ich habe den Beruf gewechselt, um mehr Zeit für meinen Sohn zu haben. Aber auch mein Mann hat seine Arbeitszeiten angepasst. Mit Unterstützung meines Mannes konnte ich mich beruflich weiterentwickeln.
    Es gibt noch immer gesellschaftliche Spannungen und Missverständnisse (traditionelle Rollenbilder) darüber, was es bedeutet, eine „vollständige Frau“ zu sein, sei es mit oder ohne Kinder. Diese Vorstellungen wandeln sich jedoch kontinuierlich, und es wird immer mehr erkannt, dass Frauen in all ihren Lebensentwürfen – ob als Mütter, Nicht-Mütter oder in anderen Rollen – vollwertige Individuen sind.
    Die Erziehungs- und Elternzeit müssen anderes honoriert werden. Es braucht eine ausgeprägte Gleichstellungspolitik und eine familienfreundliche Kultur. Die Mütter müssen noch lauter werden, um sich Gehör zu verschaffen. Sonst bekommen Frauen noch weniger Kinder.
     

    ::::::::::::::::::::::::::::::::::


    Geboren 1971, stammt aus dem Südtiroler Unterland, lebt in der Nähe von Bozen und in München. Masterabschluss, Supervisorin und Coach, 1 Tochter, 2 Söhne. Verheiratet.

    Wir müssen aufpassen, dass wir die Kinder nicht vergessen. 
    Mutter-Vater-Sein ist für mich die einzige Rolle, aus der ich/ wir mein/ unser ganzes Leben nicht aussteigen kann/ können... 
    Kinder sind in einer Gesellschaft das Wichtigste, das sie hat, sie sind das Einzige, was Zukunft sichern kann. Im Moment beobachte ich, dass die Begleitung und Erziehung dieser unserer Kinder zunehmend an den Staat delegiert wird, das macht mir Sorgen.
    Kinder brauchen die Zeit der Eltern – Mütter und Väter – es muss Müttern und Vätern zusammen möglich sein, sich diese Zeit finanziell leisten zu können. Bis ein Kind 3 Jahre alt ist, sollte es die meiste Zeit mit seinen Eltern verbringen. Dort wo es schwierig ist, brauchen wir aufsuchende Familienarbeit und viel mehr Unterstützung. Kinder so früh wie möglich und am besten den ganzen Tag fremdbetreuen, kann nicht die Lösung sein.
    Was ich mir wünschen würde: Vom Staat nach der Geburt bezahlte Zeit für Mütter und Väter am besten für ein halbes Jahr beide zusammen – dann, bis das Kind 3 Jahre alt ist, abwechselnd. Von meinem Umkreis: Mehr Nachbarschaftshilfe und weniger Neid.
     

    ::::::::::::::::::::::::::::::::::


    Geboren 1936, drei Söhne. Lehrerin im Ruhestand, verwitwet. Vom Ritten, wohnt in Bozen. Der Zweitgeborene verunglückte als Jugendlicher in den Bergen tödlich.

    Ich habe – auch wenn ich wohl an die 80% der Betreuungsarbeit geleistet habe – mir doch die Erziehung der Kinder mit meinem inzwischen verstorbenen Mann geteilt. 
    Die Karenzzeit war damals – in den 60er Jahren - nur sehr kurz, sechs Wochen vor, acht Wochen nach der Geburt. Insofern war es damals – berufsbedingt – kaum möglich, die Kinder länger als acht Wochen zu stillen. Ich musste sie abstillen, bekam eine Brustentzündung und Fieber, aber länger als zwei Tage vom Unterricht fernbleiben war nicht gern gesehen.
    Da zwischen den ersten beiden nur 14 Monate Altersunterschied liegen, war die Zeit sehr schwierig für mich, es gab keine Möglichkeit der Verlängerung der Karenz oder einer Teilzeit, keine helfende Oma in der Nähe. So musste ich meine Babys einem Hausmädchen anvertrauen. Ein Kindergeld oder eine finanzielle Unterstützung der Familie gab es damals nicht. 
    44 Jahre ist es nun her, dass mein zweiter Sohn am zweiten Sellaturm verunglückt ist. Wir gedenken am Jahrestag immer seiner und sitzen beieinander. Ich habe lernen müssen es anzunehmen. Für eine Mutter gibt es wohl nichts Schlimmeres als ein Kind zu verlieren. Er würde bald 61 Jahre alt.
    Als ich 1973 meinen dritten Sohn bekam, nutzte ich das Angebot in Frühpension zu gehen. Nun konnte ich das Muttersein sehr genießen und empfand es als großes Glück, dieses Kind in seiner Entwicklung selbst begleiten zu dürfen.
    Diese Möglichkeit würde ich jeder Mutter wünschen.
     

    ::::::::::::::::::::::::::::::::::


    Geboren 1976, aufgewachsen im Eisacktal, wohnt im Wipptal, nahe der Familie, aber in einer Stunde Entfernung zur Arbeit. Verheiratet. Forschungsdoktorat und Habilitation. Hat ihre Karriere zugunsten des Kindes aufgegeben, ist nun Landesbedienstete formell, Wissenschaftlerin aus Gefühl. Mutter einer Tochter, die sie im Alter von 44 Jahren bekam und die sie und ihr Partner sich sehr wünschten.

    Die Gesellschaft hat vergessen, dass Frauen nicht nur da sind, Kinder zu erziehen, sondern auch ein Recht auf Karriere haben. Gleichstellung fängt dann an, wenn Frauen sich nicht mehr zwischen Karriere und Familie entscheiden müssen und dabei zwangläufig ihre Karriere verlieren. Männer werden durch Kinder in der Karriere normalerweise nicht ausgebremst. Es ist klar, dass die Frau mitgeht. Ebenso ist es klar, dass die Frau sich für die Familie entscheiden muss, da der Mann nicht mitgeht, wenn er dadurch seine Karriere aufs Spiel setzt. Man versucht zu hoffen, dass sich in Zukunft wirklich etwas an der Gesellschaft ändert, wodurch Frauen auch Karriere haben können, wenn sie Kinder haben.
    Ich erlebe das Mutter-Sein als tolle Zeit und als anstrengende Mehrfachbelastung zwischen Arbeit, den Bedürfnissen meines Kindes, dem Druck der Gesellschaft was Frau soll (100% Mutti sein) und eigener Erfüllung im Job (Forschung noch machen zu „dürfen“). Ich habe immer Angst eine schlechte Mutter zu sein, laut Gesellschaft bin ich das ja auch, da ich nicht glücklich bin, nur Mutter zu sein. Ich habe Gewissensbisse, wenn ich aufgrund meiner Forschung nicht da bin, wo/ so ich sein sollte.
     

    Als Mutter ist man nicht selbstbestimmt, man ist immer fremdbestimmt.


    Kinder schätzen dich, der Mann schätzt dich normalerweise so lange alles läuft, wie er es will, die erweiterte Familie rümpft die Nase, die Gesellschaft definiert dich je nach Moment und Tag als role model oder als Rabenmutter.
    Leider ist Europa noch mit einer der besten Orte, klarerweise sind die skandinavischen Länder uns Lichtjahre voraus: Schweden, Norwegen, Finnland und überall dort, wo die Gleichberechtigung dafür sorgt, dass nicht nur auf dem Papier theoretisch die Frauen gleich viele Rechte, sondern de facto die Männer gleich viele Pflichten haben.
    In einer Welt voller Ungleichheiten Mutter zu sein ist ein Kraftakt, weil ich manchmal das Gefühl habe Schach spielen zu müssen, um zu überleben aber nie riskieren darf, Schach matt zu gehen. Ich verliere das Recht auf Risiko und Ich-sein zugunsten der Pflicht ein neues Leben beschützen zu müssen und dürfen.
     

    ::::::::::::::::::::::::::::::::::


    Geboren 1971 in Meran, zwei Bachelors, arbeitet in der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie. Ein Sohn, eine Tochter. Zwischen den beiden zwei Fehlgeburten, wenig Begleitung in der Trauer und ein Gedankenkreisen, das sie schwer unterbrechen konnte. Lebt in Beziehung mit dem Vater ihrer Kinder.

    Mein Partner hatte das exklusive Sorgerecht für seine 2 Kinder aus erster Ehe. Ich habe gesehen, wie er das managt, und dann war mir klar: „Wenn, dann mit diesem Mann.“
    Trotzdem, im Falle einer Trennung würde ich die Verantwortung lieber alleine tragen: Weil ich sie (ich weiß, es ist ein egoistischer Gedanke), als MEINE Kinder empfinde. In meinem Bekanntenkreis gibt es viele Eltern, die sich die Kids 50:50% aufteilen, das macht den Kindern Stress, sie sind nirgends „richtig“ zuhause. 
     

    Und ja, wir haben der Männerwelt etwas voraus: YES! Der blödeste Patriarch kommt aus einer Gebärmutter!!! Ätsch


    Giorgia Meloni möchte die Mutterschaft attraktiv machen *Ironie off*. Sommerbetreuungen sind extrem teuer, Öffnungszeiten Kita und Kiga mit vielen Jobs unvereinbar… es gibt immer Luft nach oben!
    Ich würde mir Wohngemeinschaften für alleinerziehende Frauen wünschen und vom Staat: Sichere Straßen
    Es gibt für eine Mutter wohl kein besseres Gefühl, als unsere Kids wohlbehalten und gut unterwegs zu wissen. Dieses Gefühl sollte uns verbinden, uns zusammenführen und uns dazu bringen, uns gemeinsam um eine gute Zukunft für ALLE zu sorgen! Das mag romantisch klingen, ist jedoch eine Kampfansage an das Patriarchat.
     

    ::::::::::::::::::::::::::::::::::


    Geboren 1987 in Bozen, verheiratet, lebt mit ihrer Familie in Deutschland; arbeitete bis zur Geburt der zweiten Tochter im Mai 2024 in der Neonatologie im Krankenhaus, nach der Karenz wird sie Ärztin in einer Kinderarztpraxis, um sich besser an die Bedürfnisse ihrer zwei Töchter anpassen und beruflich an den Erfahrungen anknüpfen zu können, die für sie selbst in Zeiten der Schwangerschaft und Geburt mitunter traumatisch waren. 

    „Wie geht es dem Baby?“ Das ist eine Frage, die man in den ersten Wochen nach der Geburt eines Kindes sehr häufig gestellt bekommt. Dass es dem Baby gut geht und es gesund ist, ist doch das Wichtigste. Da kann man doch nur glücklich und dankbar sein, oder?
    Ist das so? Auch ich habe vor der Geburt meines ersten Kindes so gedacht. Ich bin Kinderärztin und habe viele Kindern bei ihrem Start ins Leben begleitet. Und der Fokus lag auch bei mir stets auf dem Wohlergehen des Kindes. 
    Bis ich selbst schwanger wurde. Eine Schwangerschaft, die ich so niemandem wünsche. Andauernde Übelkeit, unzähliges Erbrechen, Hilflosigkeit. Alles sehr kräfteraubend. 
    „Du bist doch nur schwanger, nicht krank“. Tatsächlich habe ich das einige Male hören müssen. Aber ich war krank, Hyperemesis gravidarum ist der Fachbegriff dafür. Das ist selten, aber für die Betroffenen unglaublich herausfordernd in einer Zeit, in der man vor Glück nur so strahlen möchte und sollte. 
    Das Ziel Geburt stets vor Augen habe ich nach einer gefühlt endlosen Zeit endlich meine Tochter im Arm gehalten. Ein absolutes Wunschkind. Und das ersehnte Glück war da. Zunächst.
    Dann kamen viele schlaflose Nächte und stundenlanges Babyweinen. Und damit die ersten Zweifel und Ängste. Und die Scham und Verzweiflung, weil man nicht imstande ist, das eigene Kind zu beruhigen. Und schließlich kam ein großes Loch. Tief, dunkel, kalt. Panikattacken und Ängste bestimmten mein Leben. Ich kann mein Kind nicht mehr versorgen. Ich bin unfähig. Ich werde nie wieder schlafen können. Ich bin keine gute Mutter. Diagnose postpartale Angststörung/ posttraumatische Belastungsstörung.
    Mein Umfeld reagierte zunächst ungläubig, hilflos. Ich musste mir zunächst selbst helfen. Es mir einzugestehen und Hilfe zu holen waren die ersten Schritte aus diesem Loch. Und mit einer wundervollen, zum Teil auch professionellen Unterstützung kamen langsam die Zuversicht wieder, das Vertrauen und das Licht. Und eine unbändige Freude über das kleine Menschlein, das ich jede Sekunde liebte, auch in der Dunkelheit. 
    Ich wünsche mir, dass eine Frau nach der Geburt öfter gefragt wird: „Wie geht es dir? Was brauchst du?“ In manchen Ländern wird eine Frau nach der Geburt gefeiert, im Wochenbett wird sie verwöhnt und unterstützt. In anderen soll eine Frau nach einer Woche wieder voll funktionstüchtig ihren Pflichten nachkommen. Unabhängig davon, wie es ihr geht. Was sagt das über eine Gesellschaft aus? 
    Bei meinem zweiten Kind habe ich einiges anders gemacht. Ich bin für mich eingestanden, habe Besuch aufgeschoben, habe um Hilfe gebeten und mir und meinem Baby Ruhe geschenkt. So gut es ging. 
    Unabhängig von Herkunft, sozialem Status, Alter, Beruf, es kann jede treffen. Eine Mutter kann nach der Geburt überglücklich sein, eine andere hilflos und verzweifelt oder krank. Die eine braucht weniger Unterstützung, die andere mehr. Manchen macht die Hormonumstellung kaum zu schaffen, andere leiden darunter.
     

    Wir dürfen anders sein. Wir dürfen ungleich sein.


    Wir dürfen uns als Mütter mal glücklich und mal weniger glücklich fühlen. Wir dürfen stillen, solange wir wollen, und wir dürfen die Flasche geben. Wir dürfen arbeiten oder zu Hause bleiben. Was wir Mütter nicht brauchen, sind Kritik, zu viele gute Ratschläge und den Druck, alles „richtig machen zu müssen“.
    Was wir alle brauchen, sind Wertschätzung und Unterstützung auf emotionaler, sozialer, gesellschaftlicher, finanzieller Ebene. 
    Mutterschaft ist herausfordernd. Für mich ist Mutterschaft die größte Herausforderung und das größte Glück. 

  • Ausgestellte Statements: Das Projekt exCHANGE wurde im vergangenen Herbst in Bozen in den Räumen von SKB Artes gezeigt. Foto: exCHANGE
  • Fortsetzung folgt...

ATTENZIONE!
La diversità di opinioni è in pericolo!

Se venissero accettati i requisiti per i contributi ai media, non potresti vedere i commenti senza registrazione.

Ecco perchè