Sextner Aufarbeitung
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„Nicht den Kampfhandlungen galt unser Interesse“, betonte Waltraud Kofler-Engl von der Plattform für Kulturerbe und Kulturproduktion, bei der heutigen Vorstellung zu einem von ihr federführend geleiteten interdisziplinären und mehrjährigen Projektes rund um die Gemeinde Sexten, welches den Fokus auf den Ersten Weltkrieg setzte und nun, über 100 Jahre danach, eine gründliche Aufarbeitung der Ereignisse mit Ergebnissen vorlegen kann. Mit im Boot: Kulturerbe- und Geschichtswissenschaft, Konfliktarchäologie, Soziologie, Anthropologie, Geografie sowie Design und Kunst. Das zusammengeschweißte Produkt ist nun online einsehbar.
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Die Leiterin der Plattform begrüßte, danke allen Beteiligten (speziell der Presse) und führte kurz (über Kernthemen) in die Thematik ein. Etwa zu den militärischen Infrastrukturen, oder zu Erinnerungsgeschichten des Dorfes, welches zerstört wurde und erst Jahre später mühevoll wieder aufgebaut werden musste.
Die zeitnahe Annährung erfolgte landschaftlich, mit den Drei Zinnen als Blickfang, bzw. Schauplatz für das Drumherum der verjährten Kriegshandlungen. Projektziele und Arbeitsschwerpunkte waren „Vermessung und Dokumentation der baulichen Spuren des Krieges am Plateau der Drei Zinnen“, Kultur- und Sozialgeschichte, sowie eine „flächendeckende historische Forschung in öffentlichen privaten nationalen aber auch österreichischen Archiven in lokalen Archiven nach Dokumenten“. Dies alles versammelt wird im modernen Kleid einer zeitgemäßen Website präsentiert. Außerdem eine Wander-App für neugierige Spürnasen auf friedlichen Kriegspfaden.Rektor Nitzan Cohen sprach in seiner Rolle als Dekan der Fakultät für Design und Kunst der Freien Universität Bozen von einer „fantastischen Manifestierung und Verkörperung“, der vielen eingebrachten Themen und lobte die kleine Gruppe an „motivierten und vor allem professionellen Menschen“, die beim Projekt mitgemacht haben. „Sei vorsichtig mit deinen Wünschen, denn sie könnten in Erfüllung gehen“ war dann auch von seiner Seite ein passendes Zitat Richtung Projektgruppe. Zur Projektvorstellung nach Bozen gekommen war auch Sextens Bürgermeister Thomas Summerer, der in seiner Rede unter anderem an die „Kriegsereignisse in der Ukraine, aber auch an vielen anderen Orten in der Welt“ erinnerte, welche durchaus Anlass zur Sorge „für den kurzfristigen, aber auch mittel- und langfristigen Weltfrieden“ geben würden. Summerer endete optimistisch. Das Sextner Geschichts- und Kulturprojekt sei in seinen Augen ein „kleiner, bescheidener Beitrag für eine bessere Welt“.
Mit einer Ausstellung, einer Tagung und mit Führungen hatte die an der Universität Bozen angesiedelte Plattform Kulturerbe und Kulturproduktion in den vergangenen Jahren akribisch das Erbe der Gebirgsfront Schicht um Schicht sichtbar gemacht. Zwei Jahre lang trug ein fächerübergreifendes Team der Uni aus Archiven, speziellen Fachbereichen, Feldforschungen im Dorf und im Hochgebirge, zahlreiche Zeugnisse zusammen, die der Krieg bei Leuten und in der Landschaft hinterlassen hat.
Auf einer dreisprachigen und multimedialen Webseite werden nun die wichtigsten Ergebnisse zu den Forschungsschwerpunkten mit umfangreichen Hinweisen und Quellenangaben zugänglich gemacht. Eine Wander-App mit drei Wanderrouten am Drei-Zinnen-Plateau (und eine in Sexten und Moos) wird allerdings erst ab Ende Juli verfügbar sein. Bis dahin können sich Interessierte durch die grafisch anspruchsvolle Website klicken, und einen großartigen Panoramablick in die Geschichte dieser Gegend und die dazugehörige Landschaft wagen.
Das aufwendige Projekt zwischen Sexten und Bozen scheint ganz im Sinne des Sextner Historikers und Journalisten Claus Gatterer (1924-1984) gestaltet, nach welchem auch einmal die Universität Bozen benannt hätte werden sollen. Aber das kann ja noch werden. In 100 Jahren vielleicht.Articoli correlati
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