Kultur- und Stadtentwicklungen
„In Zürich werden in Zukunft keine öffentlichen Plätze mehr mit einem Unterbau realisiert. Also keine Tiefgaragen…, denn richtig große Bäume für die Beschattung brauchen viel Platz für das Wurzelwerk. Das mit dem Parken muss also anders gelöst werden.“ Der Diskussionsteilnehmer Ivan Bocchio hat beim gestrigen Salto-Talk einige innovative Ansichten aus der Schweiz mitgebracht und gegen Ende der Gesprächsrunde aus dem Ärmel geschüttelt. Bocchio servierte Beispiele, wie sich eine Stadt – zugunsten der Bewohnerinnen und Bewohner – besser entwickeln kann. Dass Bozen in diesem Zusammenhang kein Paradebeispiel ist, belegen die Ablehnung der Tram-Lösung ins Überetsch, das vor sich hin dümpelnde Seilbahnprojekt Jenesien, oder fehlende Bäume in Fußgängerzonen, auf neuen Plätzen, oder in den jeweiligen Stadtvierteln. Auch das vor Jahren angedachte Projekt einer grünen Ader entlang der Talfer blieb in den Schubladen der lokalen StädteplanerInnen liegen. Warum? Zu grün? Zu öko? Zu alternativ?
Mit solchen Fragen gingen an diesem Abend aufmerksame Besucherinnen und Besucher nach Hause, dabei war die Diskussion eigentlich zu einem ganz anderen, wenn auch naheliegenden, Thema gestartet. Während des Salto-Talks ging es nämlich zunächst gar nicht um mangelhafte, sondern in erster Linie um positive Akzente einer Stadtentwicklung, wie sie es beispielsweise die Plattform Bolzano Art Week (BAW) seit dem vergangenen Jahr voranzutreiben versucht, indem Bozen über Kunst und Kultur bunt und sprachübergreifend kennengelernt werden kann. „Im vergangenen Jahr waren es mehr als 80 Events, heuer sind es weit mehr“, erzählte Nina Stricker die Ideatorin und Koordinatorin von BAW, einem organisatorischen Überbau, der zunächst die beiden bestehenden Strukturen Cooperativa 19 und Südtiroler Künstlerbund für ein gemeinsames Ganzes zusammenführen wollte. Entstanden ist dann etwas noch viel Größeres. „Die Konzentration auf die wenigen Tagen bei der BAW, sorgt für kollektive Energie, steigert die Publikumszahlen und ist auch eine Aufwertung der diversen Veranstalter“ betonte Stricker.
„Es gibt in Bozen sehr viele interessante Inseln, mit einem interessanten Kulturangebot“, meinte der gekonnt durch den Abend führende Moderator Alexander Pichler und wünschte sich, „eine bessere Koordination oder Kooperationen der verschiedenen Inseln.“ Die Kulturarbeiterin und Designerin Angelika Burtscher berichtete von ihrer Insel Lungomare, mit der sie vor 19 Jahren mit Daniele Lupo an der Talstation der mittlerweile aufgelassen Seilbahn Jenesien strandete. „Wir waren immer für eine interdisziplinäre Ausrichtung, wo Kunst, Kultur, Design, Theorie und Stadtplanung in einem Raum für Begegnungen zusammenkommen können.“ Lungomare bemüht sich seit vielen Jahren auch um das Bespielen des öffentlichen Raumes, etwa im aktuellen Projekt Flux über die Wasserläufe der Stadt Bozen. „Wir möchten Kulturproduktion in der Gesellschaft vorantreiben“, erzählte Burtscher, „wir besetzen zwar eine Nische, die uns aber auch gleichzeitig viele Freiräume lässt.“ Lungomare kann im nationalen und internationalen Kontext zudem auf zahlreiche Allianzen zählen und holt für die meist lokalen oder translokalen angedachten Projekte auch gern mal Referentinnen und Referenten von auswärts: „Wir brauchen diesen Blick, diesen Austausch, es ist ein wichtiger Teil einer künstlerischen Arbeit.“ Man will agil bleiben. Roberto Farneti von der Freien Universität Bozen stellte einen kleinen Vergleich zwischen Bozen und seiner Herkunftsstadt Forlì an. Beide Städte hätten zwar ähnlich viele Einwohner, „aber an Kulturstätten ist Bozen um einiges reicher“. Er referierte über Engagement und Aktivismus und das Vereinen von Universität mit der Idee des Spielplatzes oder einer Spielwiese. Dieses Zusammenführen sei „die ideale Gestaltung eines zeitgenössischen Kunsthauses“.
„Wie landet das Haus am Boden?“ fragte sich in seinen Ausführungen der an der ETH in Zürich sozialisierte Architekt Ivan Bocchio und stellte Überlegungen über beispielhafte Wohnsiedlungen an, welche auf keinen Fall zur Schlafstätten verkommen sollten. Es sollten hingegen Kommunikationszentren im besten Sinn sein, wo Privatraum und öffentlicher Raum ineinander übergehen, wo ein Miteinander möglich ist. In diese Richtung ging auch ein finaler Wortbeitrag des Sammlers Heinrich Gasser, aus dem Publikum. Er erzählte von einem jahrelangen Gegeneinander in Südtirol und Bozen, welches sich im Lauf der Zeit zu einem Nebeneinander entwickelt hätte und nun bereit wäre für ein Miteinander.