Ambiente | Öffentlicher Verkehr

Vielgepriesene Mobilität

Dass es mit der vielgepriesenen, modernen Mobilität in Südtirol (und darüberhinaus) nicht weit her ist, beweist ein nur minimales Vertrautsein mit der Realität.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Zum Beginn Klogeschichten. Man mag sagen: Lappalien. Ist aber für den Komfort des/der Reisenden nicht ganz unerheblich. Also: Im Jahr 2017 wurde dem Bahnhof Franzensfeste mit großem Pomp und Auftritt diverser Landespolitiker:innen das Prädikat „Bahnhof des Jahres“ verliehen. So weit, so gut. Nun aber - ist den Herren und Damen der Jury eigentlich aufgefallen, dass sich die Herrentoiletten seit nunmehr mindestens acht Jahren nicht versperren lassen? Dass ein Benutzer dieser immer damit rechnen muss, dass plötzlich jemand die Tür aufreißt?
Anderes Beispiel: Im Bahnhof Brixen gibt es Toiletten - natürlich, nur - es gibt keinen Hinweis darauf, wo sie sich befinden. Und dann, wenn man sie endlich gefunden hat, stellt man fest, dass die Herrentoiletten sogenannte „türkische“ Klosetts sind (jeder, der das einmal versucht hat, macht das nicht einmal im äußersten Notfall wieder). Dass sie immer total verschmutzt sind - selbstredend. Papier zum Abtrocknen der Hände? Fehlanzeige. Seife? Glückssache.
Anderes Beispiel: Zwischen Brenner und Meran zirkuliert seit Jahren eine Zuggattung, die die Eigenheit besitzt, dass sich die Klotüren manchmal automatisch öffnen, während man am Lokus sitzt ...
Aber genug von diesen sogenannten "Lappalien" (Die einzigen, die denken, dass dies Lappalien sind, sind wohl die Verantwortlichen bei der Bahn. Denn wie sonst ist es zu erklären, dass diese Dinge seit Jahren nicht repariert werden? Ein Rätsel.)

Ein weiteres Beispiel (diesmal nicht mit Klo): Es betrifft ausnahmsweise nicht nur Südtirol: Die Online-Buchung einer längeren Reise mit dem Zug kann zu einem nervzerreibenden Abenteuer werden. Beispiel Trenitalia. Reise nach Turin: Ich buche online, nachdem ich mich endlich auf der Trenitalia-Webseite zurechtgefunden habe, werde, da ich über mein Home Banking bezahlen möchte, auf die Seite meiner Bank geleitet, alles in Ordnung, der Betrag wird abgebucht, ich bekomme stante pede die Bestätigung der Abbuchung. Zurück auf der Trenitalia-Seite dann jedoch die Überraschung: „Pagamento non andato a buon fine“! Ich wiederhole: Das Geld ist von meinem Konto bereits abgebucht worden … Es geht weiter. Anruf bei Trentitalia (das schreibt sich so einfach, in Wahrheit ist es ein selbstmörderisches Unterfangen). Die auf der Webseite prominent platzierte Telefonnummer des Service-Centers funktioniert nicht (!). Ich vernachlässige die Tatsache, dass ich es für eine Frechheit halte, dass ein Trenitalia-Kunde, der ein Problem mit der Buchung hat (der Fehler liegt bei Trenitalia!) 0,50 € pro Minute (+ "Scatto alla risposta" 0,33 €), für das Telefongespräch bezahlen muss, aber das ist jetzt auch schon Powidl. Ich finde weiter unten eine andere Nummer: Der Servicemensch ist nicht zuständig, verweist mich aber an den „Chat“, das sei die beste Lösung. Also chatte ich mein Problem in ein kleines Fenster. Der Mensch (oder die Maschine?) kann mir helfen. Bzw. behauptet, das Geld sei nicht abgebucht worden. Ich lade die Bestätigung hoch (!). Ja gut, meint die Menschmaschine, aber Trenitalia hat den Storno-Auftrag bereits geschickt, aber das könne drei Tage dauern, rufen Sie Ihre Bank an … Ich frage mich, wenn sie das schon gemacht haben, hätten sie mir nicht ein kleines Mail oder sms oder was weiß ich als Information schicken können, damit ich wenigstens weiß, wie ich dran bin? Egal.

Nun - ich überlege bei mir: Ein Mensch, der nicht fit im Internet ist, womöglich kein Smartphone, keinen Computer hat, und der schon gar nicht weiß, was ein „Chat“ ist - was macht der?? Wollen wir das wirklich? Dass ein Teil der Bevölkerung - und hier trifft es natürlich in erster Linie viele Senioren, aber auch Jüngere, die nicht gerade zu den Digital Natives gehören - von mittlerweile nahezu allem ausgeschlossen wird?

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einen Gedanken loswerden, der vielleicht ein wenig abwegig scheint - ist er aber nicht ganz: Viele schwärmen davon, wie praktisch doch solche Dinge wie der sogenannte "SPID" (die sogenannte "Digitale Identität") und all die Webapplikationen der öffentlichen Verwaltung etc. sind, die seit einiger Zeit aus dem Boden schießen. Abgesehen vom oben angeführten Problem der vom Internet Abgehängten: Ist den Leuten eigentlich klar, was der Staat außer Einsparungen in der Bürokratie, der Kostensenkung und der Vereinfachung des Zugangs zu öffentlichen Leistungen für die Bürger:innen etc. eigentlich damit bezweckt? Geblendet von den angeblichen oder zum Teil auch offensichtlichen Vorteilen vergessen viele ein paar entscheidende Fragen bzw. Folgen. Ich hoffe, dass die Menschen beginnen, sich darüber Gedanken zu machen. Nicht alles, was man machen kann, sollte gemacht werden.

Conclusio und Rückkehr zum eigentlichen Thema: Solange die oben geschilderten Dinge in Südtirol (abgesehen von den viel wichtigeren, wie den häufigen Zugausfällen und Verspätungen, den oft fehlenden oder nicht funktionierenden Informationsdisplays an den Bahnhöfen und in den Zügen, unverständlichen (oder falschen) Durchsagen auf den Bahnsteigen, überhaupt dem Mangel an Informationen für Reisende), solange also diese Dinge so funktionieren, bzw. eben nicht, bitte liebe verantwortliche Politiker und Verantwortliche bei der Bahn, haltet einfach einmal die Klappe und schämt euch und tut was. Und speziell an die Ersteren gerichtet: Obiges ist viel wichtiger, als bei jeder Gelegenheit über den so toll funktionierenden Öffentlichen Personenverkehr in Südtirol zu schwadronieren (denn das ist nur noch lachhaft, wenn es nicht so traurig wäre) und immens wichtiger, als großkotzige, unnötige und sündhaft teure Megabauten in die Landschaft zu stellen.