Andreas Unterkircher: "Kompliment an den österreichischen Bundespräsidenten"
Herr Unterkircher, wie beurteilen Sie den Medienhype rund um Conchita Wurst, ist das jetzt ein unerwartetes Geschenk für die Sache der Homosexuellen-Bewegung?
Andreas Unterkircher: Unerwartet sicherlich, ein Geschenk – da hab ich zwiespältige Gefühle. Das überwältigende Echo auf Conchita Wurst ist sicher ein Signal, dass sich kulturell und gesellschaftlich etwas geändert hat. So gesehen, ist es sehr positiv, aber dass sich jetzt alles um den Bart von Conchita Wurst dreht, finde ich doch ungerecht. Sie hat eine schöne Stimme und hätte wohl auch deswegen Anerkennung verdient.
Aber gerade der Bart macht es doch aus…
Dass sie als Drag-Queen gewonnen hat, finde ich ja auch sehr gut, aber das wird jetzt allein auf dieses Merkmal reduziert. Viel interessanter ist für mich die Reaktion der großen Politik in Österreich. Dass der Bundespräsident Heinz Fischer so offen und stolz seine Gratulation ausgesprochen hat, wäre für Italien zum Beispiel undenkbar. Hier bei uns gibt es vor allem unter Politikern eine sehr homophobe Einstellung. Deswegen schaue ich mit großer Eifersucht auf Österreich.
Sind die Slogans von Conchita Wurst zu Frieden und Toleranz wirklich ein Signal an die Politik?
Ich finde schon, dass diese doch eher allgemeinen Slogans von einer solchen Figur ausgesprochen, große Wirkung haben, dass überhaupt Künstler und Menschen aus dem Showbusiness ziemlichen Vorbildcharakter haben. In Italien haben wir leider nur vereinzelte Künstler, die sich offen zu ihrer Homosexualität bekennen, der Sänger Tiziano Ferro etwa. Vielmehr gehört es bei gewissen Bühnenshows zum guten Ton, die Zuschauer mit homophoben Äußerungen zu belustigen, wie etwa Renato Zero, der offen gegen Schwule und Lesben auftritt.
Es wurde erst kürzlich, im Herbst 2013, ein neues Gesetz gegen Homo-Hetze verabschiedet, ist das kein gutes Signal?
Dieses Gesetz geht viel zu wenig weit, beispielsweise gibt es darin die Klausel, dass zwar Einzelpersonen wegen Hetze gegen Homosexuelle strafrechtlich belangt werden können, jedoch auf Gruppen und Vereine trifft das nicht zu. Wenn also die Kirche oder eine politische Partei schwulenfeindliche Äußerungen macht, dann wird das nicht geahndet.
Centaurus wird nun ganz konkrete, neue Schritte setzen, für mehr Aufklärung und Toleranz gegenüber Schwulen, Lesben und Transsexuelle. Was ist geplant?
Wir werden eine Bildungsreihe in den Schulen veranstalten, eine Peer-education von unserem Sexualpädagogen Michael Peintner mit Jugendlichen. Weiters startet heute die Plakataktion an 80 Bushaltestellen des Landes, dabei wird eine Hochzeitstorte gezeigt mit einem Männerpaar bzw. einem Frauenpaar obendrauf. Es gibt am Montag, 19. Mai, eine Büchervorstellung gemeinsam mit der OEW, der Organisation für eine Solidarische Welt, wo Kinderbücher jenseits von Familienklischees vorgestellt werden. Und am Samstag, 17. Mai, dem Tag gegen Homophobie, werden wir vom Bozner Kornplatz aus einen Fackelumzug machen. Start ist um 20. 30 Uhr.
Wie sieht es mit den Plänen für den Sommer aus? Der geplante Gay-Pride kommt nicht zustande, ist etwas anderes geplant?
Wir wissen, dass der Verein Pro Positiv für diesen Sommer ein Rainbow Festival veranstalten wird, wir werden daran teilnehmen, sind jedoch nicht als Organisatoren mit dabei. Unser Plan, ein Gay-Pride-Festival nach Bozen zu holen, ist noch nicht ausgeträumt, wir wissen jedoch, dass es mit unseren bescheidenen ehrenamtlichen Tätigkeiten nur schwer zu bewältigen ist. Das ist ein Mega-Event, das sehr gut organisiert sein muss. Für die Zukunft schließen wir jedoch nichts aus.
Heute abend präsentiert die Schwul-Lesben-Initiative Centaurus den Film "Freier Fall" um zwei Polizisten, die ihre Liebe zueinander entdecken. Um 20.30 Uhr im Bozner Filmclub.