Die Fleischsteuer
Der deutsche Tierschutzverband hat in der vergangenen Woche eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf alle tierischen Produkte gefordert. SPD- und Grünen-Politiker im Bundestag befürworten diese Forderung. In Folge dessen ist eine hitzige Diskussion über Tierwohl und Umweltschutz in der Landwirtschaft ausgebrochen. Die Forderung, die allein schon parteiintern heftig umstritten ist, besteht in einer Erhöhung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent.
Seit längernem gibt es Stimmen sowohl von Klima-, als auch Tierschützern und Bedenken von Ernährungswissenschaftlern zu dem zu hohen Fleischkonsum in der Bundesrepublik, der ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankung zur Folge habe. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt den Konsum von maximal jährlich 31 Kilogramm Fleisch pro Kopf, momentan wird in Deutschland aber jährlich mehr als die doppelte Menge verzehrt. Auch in Italien liegt der Fleischkonsum pro Kopf bei rund 80 Kilogramm und damit weit über dem empfohlenen Wert. Als problematisch angesehen werden aber vor allem die unzureichenden Verhältnisse in der Tierhaltung und der durch die Fleischproduktion erhöhte Treibhauseffekt. Das Umweltbundesamt macht sich bereits seit 2016 für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte stark, jetzt sehen sie sich von der Politik unterstützt.
Der Präsident des Tierschutzbundes Thomas Schröder erklärt, dass es sich bei der Fleischsteuer beim Kauf im Supermarkt nur um einen Zuschlag von ein paar Cents handele. Umweltschützer meinen zwar, dies sei nicht genug um die Massentierhaltung grundlegend umzukrempeln, trotzdem sei es ein sinnvoller Beitrag, der dem Umbau der Landschaft zu Gute kommen könne. So könne auch in eine tierfreundlichere Haltung investiert werden, beispielsweise durch Ausbau von Stallungen. Doch nun wird darüber diskutiert, wie sinnvoll das Modell der Fleischsteuer wirklich ist.
Zwar gebe es keinen Wettbewerbsnachteil, da importierte Tierprodukte mit einer Einfuhrumsatzsteuer belastet würden. Allerdings wurde 2017 laut dem Thünen-Institut, einem Bundeforschungsinstitut für Ernährung und Landwirtschaft die Hälfte des in Deutschland geschlachteten Fleisch exportiert. Auf diesen erheblichen Anteil würde keine erhöhte Mehrwertsteuer erhoben, somit sei der Steuersatz kein Mittel, um die Fleischproduktion langfristig zu reduzieren. Daher sprechen sich einige Politiker für eine Veränderung auf EU-Ebene aus. Durch die EU-Agrarpolitik, die sich auch für eine nachhaltigere Landwirtschaft einsetzt, könne eine strukturelle Veränderung auf einer größeren Skala erzielen und durch Vereinheitlichung der Standards die Emissionen, die durch die Tierhaltung erzeugt werden, deutlich reduzieren.
Die Kritikpunkte an dem Vorschlag sind auch sozialer Natur, viele fürchten, dass Fleisch durch die zusätzliche Besteuerung zum Luxusgut würde. Zusätzlich müsse eine Ausnahme für Biofleisch gemacht werden. Denn Sinn und Zweck der Fleischsteuer wäre ja gerade, die allgemeine Tierhaltung den Standards von biologisch zertifizierter Haltung anzupassen. Gerald Wehde, Sprecher vom Bioland-Verband für ökologischen Landbau, spricht sich für die Fleischsteuer pro Kilo Schlachtfleisch aus, da die Mehrwertsteuer Biofleisch-Preise überproportional erhöhe.
Ebenfalls würde ein erhöhter Mehrwertsteuersatz nicht den Landwirten zum umweltschonenden und tierfreundlichen Umbau verhelfen. „Nicht der Fiskus, sondern die Landwirte brauchen Mittel und Unterstützung für eine Weiterentwicklung der Tierhaltung", so lautet das Statement des Generalsekretärs des Bauernverbundes Bernard Krüsken.
So wurden auch Forderungen nach einer direkt an die Bauern gezahlte Fleischabgabe laut, denn diese könne den Bauern die richtigen finanziellen Mittel für ein strukturelles Umdenken und Umbauen liefern, wohingegen Mehrwertsteuereinnahmen nicht zweckgebunden sind und weniger Beitrag zu einer Veränderung leisten würden.
Die FDP-Agrarpolitikerin Nicole Bauer sagte: "Statt einer Steuer wäre es sinnvoll, Lebensmittel anständig zu bezahlen, denn dann kommt das Geld bei den Landwirten an."
Das Thünen-Institut veröffentlichte nun Anfang August einen „Zwischenruf“, einen „Realitäts-Check“ der Fleischsteuer. Von Seiten des Institutes wird klar die Meinung vertreten, dass die erhöhte Mehrwertsteuer sicherlich nicht beim Tier ankommen würde und sich Verhältnisse in der Haltung nicht verbessern würden. „Am Anfang der Debatte sollte deshalb nicht die Mehrwertsteuer stehen, sondern die Frage, wohin Deutschland seine Tierhaltung überhaupt führen will. Hier gibt es drei Optionen: Kostenminimal, um im weltweiten Wettbewerb um das billigste Angebot mithalten zu können; überwiegend kostenminimal, aber ergänzt durch „Bio“- und „Tierwohl“-Marktsegmente, [oder] hohes Tierwohl-Niveau, verpflichtend für alle Nutztiere, die in Deutschland gehalten werden.“, schreibt der Präsident des Institutes Professor Folkhard Isermeyer.
Erst aus der Antwort auf die fundamentale Frage nach der Zukunft der Tierhaltung in Deutschland ließen sich dann Diskussionen über neue Haltungssysteme und entsprechende Umsetzungs- und Finanzierungskonzepte entwickeln. „Über Label-Programme, Verbraucherpreise und Lebensmittelhandel lassen sich nur gewisse Marktsegmente erreichen. Wenn aber die ganze deutsche Nutztierhaltung auf ein hohes Niveau kommen soll, ist ein staatliches Programm mit rund 5 Mrd. Euro pro Jahr erforderlich.“, so Isermeyer. Erst in diesem Falle wäre die Erhöhung der Mehrwertsteuer lohnenswert, um ein solches Programm zu finanzieren. „Es gäbe positive Nebenwirkungen, von Welternährung bis Klimaschutz, und das System wäre immun gegen Billigimporte“.
Damit rückt die wesentliche Frage in den Mittelpunkt: wie soll die Fleischindustrie in Zukunft gehandhabt werden? Wieviel ist die Politik bereit dafür zu leisten? In Italien hat das Thema die Politik noch nicht erreicht. Bio-Qualtität, artgerechte Haltung und Nachhaltigkeit wird beispielsweise von Genossenschaften wie BIOREGIO in Südtirol garantiert. Könnte die Forderung, verbesserte Verhältnisse in der Fleischproduktion aus der Staatskasse zu bezahlen, auch in Italien laut werden?
Und auch: inwiefern sind Konsumenten bereit, nicht nur ein paar Cent mehr für ihr Fleisch zu bezahlen, sondern dieses bewusster zu verzehren und ihren Fleischkonsum tatsächlich zu reduzieren? Denn fest steht: die Forderungen nach besserer Tierhaltung und der Reduktion von Treibhausgasen durch Fleischproduktion gehen zwangsläufig mit einer veränderten Einstellung der Kunden gegenüber Fleisch einher. Wenn durch Fleischabgaben oder eine Fleischsteuer bessere Bedingungen in der Tierhaltung gewährleistet werden sollen, dann muss sich auch etwas am Bedarf von Massentierhaltung von Seiten der Kunden ändern.
Ein positives Anzeichen für einen gesellschaftlichen Wandel und mehr Bewusstsein über Tierhaltung und Umweltschutz ist schon die Debatte an sich: denn wenige Politiker lehnen ein nachhaltigeres Wirtschaften in der Nutztierhaltung grundsätzlich ab, vielmehr werden einzelne Modelle und die Frage diskutiert, wie finanzielle Mittel zum Umbau den Landwirt am besten erreichen könnten. Trotzdem stößt die Diskussion in Deutschland noch auf Empörung: das soziale Argument gegen die Fleischsteuer kommt nämlich oftmals nicht von Seiten der sozial Schwachen, sondern von Wirtschaftsliberalen. Es ist fraglich, ob sich dahinter nicht ein Anspruch verbirgt, das tägliche Stück Fleisch in Frieden essen zu können.
Zum Thema Umweltschutz muss gesagt werden, dass der Anteil der gesamten Landwirtschaft an deutschen Treibhausgasemissionen nur 7,3 Prozent ausmacht. Daher ist ein reduzierter Fleischkonsum allein nicht ausreichend, um das Problem des Klimawandels aus der Welt zu schaffen. Dennoch ist die Landwirtschaft mit für den Treibhauseffekt in die Verantwortung zu nehmen, und auch der Import von Fleisch und Futtermitteln sorgt für zusätzliche Emissionen. Die weltweite Fleischproduktion ist seit den Sechzigerjahren um mehr als das Doppelte angestiegen. Für eine Reduktion spricht auch: um fast 80 Prozent könnten die durch Landnutzungsänderung entstehenden Kohlenstoffemissionen laut einer Studie gesenkt werden, wenn die Menschen weltweit ihre Ernährung auf einen Anteil von 15 Prozent tierischer Kalorien umstellen.