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Ein amerikanischer Rebell

Er gehörte zur den jungen Wilden des New Hollywood Kino Anfang der 1970er Jahre. Nun ist William Friedkin im Alter von 87 Jahren verstorben.
William Friedkin
Foto: Friedkin

Es sind Bilder, die sich in die Netzhaut einer ganzen Generation brannten. Ein junges Mädchen, das Gesicht vernarbt, der Kopf halb um die eigene Achse gedreht, auf einem Bett, das unablässig poltert und nicht zur Ruhe kommt, Geschrei und Flüche, die jene, die das Mädchen zur Ruhe zwingen wollen, wüst beschimpfen, kaltes, blaues Licht und kondensierter Atem in einem Zimmer, das einem Kind gehört, Teil einer braven, gesunden Familie, so schien es, irgendwo in einer Stadt im Westen des amerikanischen Kontinents. Der Name des Mädchen ist Regan, sie ist vom Teufel besessen und soll durch einen Exorzismus geheilt werden. Ihre Erscheinung erschreckt und verstört, lässt, so heißt es, viele Menschen, die Regans Geschichte zuerst im Kino erlebten, in Ohnmacht fallen. Weit um die Häuserblöcke herum reihte sich das gespannte Publikum, um die Romanverfilmung „Der Exorzist“ im Jahr 1973 zu sehen. Basierend auf dem Buch von William Blatty inszenierte ein junger Regisseur, der durch einen anderen, heute als amerikanischen Klassiker angesehenen Film nur kurz zuvor zum Star avancierte. Die Rede ist von William Friedkin, damals 37 Jahre alt. Furchtlos nahm er sich des Themas an und erschuf (gemeinsam mit „Der Weiße Hai“ von Steven Spielberg) einen Urvater des heutigen Blockbusters, wie auch eine Blaupause für den modernen Horrorfilm. Zahllos imitiert und kopiert gelang es bis heute keinem anderen Film über das nicht unumstrittene Thema Exorzismus, derart authentisch und erschreckend zu zeigen, was ist (oder sein könnte).

 

William Friedkin bei der Arbeit in den 1970er Jahren.
William Friedkin bei der Arbeit in den 1970er Jahren.

 

William Friedkin sprach gerne über seine Filme, auch über den „Exorzisten“. Als sein bestes Werk bezeichnete er einen anderen Film, nämlich „Sorcerer“, eine Neuinterpretation von „Lohn der Angst“ (1953). Damals von der Kritik und vom Publikum verachtet, konnte sich der Film rehabilitierten, und ist heute vor allem für seine dichte Atmosphäre, die Kompromisslosigkeit, die alle Filme Friedkins durchziehen, bekannt, nicht zuletzt für die ikonische Szene auf der Brücke, jene die den Film kennen, wissen, wovon die Rede ist. Mit Hauptdarsteller Roy Scheider hatte Friedkin bereits in seinem ersten großen Meisterwerk gearbeitet. In „The French Connection“ spielt er neben Gene Hackman einen Polizisten im Chaos des New Yorks von 1970. Beide Filme, „Sorcerer“ wie auch „The French Connection“ zeigen die amerikanische Seele, und auch, wie eigenwillig William Friedkin als Regisseur war. Atemlos inszeniert er seine Geschichten, stets nah dran an den Figuren. Er ordnete sich nicht in die Konventionen Hollywoods ein, war ganz und gar Teil des New Hollywood, neben Namen wie Scorsese, Coppola oder Bogdanovich. Berühmt-berüchtigt war sein Hang zur Fahrlässigkeit, man denke an die ikonische Verfolgungsjagd in „The French Connection“, die, so behauptete Friedkin bis zu seinem Tod, ohne Genehmigungen oder ausgefertigtes Storyboard respektive Planung in den Straßen von New York gedreht wurde. Zwei Autos, die mit Höchstgeschwindigkeit über eine vielbefahrene Straße rasen, wo links und rechts Fußgänger queren wollen – das Hollywood von heute hätte einiges daran auszusetzen. Vielleicht war es aber gerade diese unverschämte Art, die Friedkin und seine Mitstreiter so erfolgreich machte. Seine Filme wirken nicht vom Reißbrett, sie wirken echt und authentisch, wie gelebt. Man merkt ihnen die Spontanität vieler Szenen an, auch weil sie, anders als im Klassischen Hollywood, an realen Schauplätzen gedreht wurden. Friedkin war Anti-Hollywood, Anti-Konvention, im Grunde Anti-Alles. Das erzählte er gerne und breit in zahlreichen Interviews, die man etwa auf YouTube findet. Seine rebellische und manchmal ruppige, niemals herzlose Art hat er sich bis ins hohe Alter bewahrt. Als Filmemacher hatte er „keinen visuellen Stil“, so sagte er einmal. Die Geschichte wäre wichtiger, ihr ordnete er sich unter. Friedkin war in dieser Hinsicht bescheiden, denn ohne seine Handschrift, die sehr wohl erkennbar ist, würde etwas fehlen, wären seine Filme um ein vielfaches ärmer. Sie, etwa 29 an der Zahl, bleiben, während ihr Schöpfer am 7. August 2023 ging. Mach es gut, Billy, wohin es dich auch treibt.

 

Ein gleichermaßen aufschlussreiches wie amüsantes Gespräch zwischen Friedkin und Nicolas Winding Refn über den Film "Sorcerer".