Cultura | Salto Afternoon
„Antrische“ Aussichten
Foto: Privat
Sie haben es vielleicht erraten, dass es für die Künstlerin in Richtung Höhlenforschung geht und da gäbe es ein weiteres, ortsgebundenes Wort das sich in diesem Kontext angeboten hätte: „antrisch“, was vom lateinischen Wort für Höhle kommt und das anfängliche Gefühl der Fremdartigkeit beschreibt, das manchen sprichwörtlichen „Bauer“ abschrecken mag. Man gewöhnt sich schnell. Anders ist das bei der französischen Künstlerin Sophie Eymond, die bereits als Kind mit ihren Eltern in Höhlen ging und sich auch als Erwachsene mit diesen Mikrokosmen befasst. Tatsächlich hat das alte Laubenhaus in Neumarkt mit seinen dicken, gewölbten Mauern und dem langgezogenen Grundriss selbst etwas höhlenhaftes, die Werke durchdringt Entdeckergeist.
Anders als die meisten Künstler:innen Anfang 30 will sich Eymond nicht festlegen und so gibt es eine Fülle von verschiedenen Sujets und Arbeitsweisen: eine Reihe von halbnackten Frauenkörpern, die auf Blättern skizzenhaft bleiben, eine vor Ort realisierte Stalaktiten und Stalagmiten-Landschaft, Körperteile (besonders ausdrucksstark die Hundeköpfe) aus Gips, Strukturbilder die günstig zu haben sind (weil die Künstlerin selbst ihre Haltbarkeit noch nicht kennt), Fleckenbilder und Fotographien, die an Schimmel erinnern oder diesen dokumentieren.
An letzteren ist allein schon die biologische Vielfalt und Fremdheit der Fotos bemerkenswert, ein Teil der Fotos erinnert an Schneelandschaften, andere entziehen sich einer direkten Assoziation. Kein Wunder, dass diese „Schnee“-Bilder auch in Kastelruth in der Gruppen-Ausstellung „Snowy“ einen Platz gefunden haben.
Die Galeristin erzählt uns - es ist die erste Ausstellung nach der Sommerpause - dass sich nach der Öffnung der für eine Zeit lang leerstehenden Räume ein Schimmelfleck an der Decke gebildet hatte. Beim Lokalaugenschein mit der Künstlerin wollte sie sich dafür entschuldigen und dessen Beseitigung in Aussicht stellen, doch diese war begeistert, meinte sie hätte es selbst an die Decke malen können. „Blöd“ nur, dass vor der Eröffnung der Ausstellungen noch einmal Putzfrauen die Galerie reinigen sollten und diese den Fleck eigenmächtig entfernt haben. Ein wenig erinnert es an den Fall der Putzfrau, welche im Museion eine Installation von Goldi&Chiari getrennt und recycelt hatte, weil sie diese für Müll hielt. Gute Kommunikation kann man eben nicht bezahlen.
So bleiben die Schimmel-Faksimiles und keine dicke Luft, nach einer Geschichte über welche alle gut lachen konnten. Es ist eine Ausstellung, die jeglichen Glauben an den Zufall unterläuft, wenn selbst die aufblühenden Tropfbilder der Künstlerin etwas Gewachsenes an sich haben. Wir haben es mit einer Künstlerin zu tun, die ihr Sujet schätzt und es nicht als nebensächlich abtut, sich auf ein oder mehrere Details fokussiert und dadurch unseren Blick an verschiedene Orte lenkt, an welchen er sonst wahrscheinlich nie angekommen wäre. Dabei findet sich Schönheit, nicht im herkömmlichen Sinn, aber so, dass man es beim zweiten Hinsehen merkt. Wie der Schimmel ja auch nur ein Ausschnitt aus der Zeit ist haben fast alle Werke in der Galerie - von der temporären Tropfstein-Installation abgesehen, welche uns nur an so langsame Wachstumsprozesse erinnert, dass sie den menschlichen Verstand übersteigen - alle etwas Vorläufiges oder noch zu Vervollständigendes.
Sophie Eymond forscht und manch einer wird sagen, sie ist noch nicht am Ziel. Vielleicht ist das auch besser so. Eine so hohe Stückzahl und Dichte an Werken in der Galerie wäre wohl kaum tragbar gewesen, wenn sich Eymond bereits festgelegt hätte. Damit aber nicht genug: Zeitgleich zur Arbeit an „Grottesco“ ist eine weitere Ausstellung in der Bozner Galleria Alessandro Casciaro in Ausarbeitung mit textilen Werken der Künstlerin, die im Oktober ihre Türen öffnen wird.
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