Palcoscenico | Tanz

Tanz den Aufstand

Von 18. Juli bis 1. August geht Tanz Bozen Bolzano Danza in die 41. Runde, unter neuer Führung von Anouk Assisi und Olivier Dubois, die zum Beginn den Aufstand proben.
Tanz Bozen 25, Laurin Vorstellung des Programms
Foto: SALTO
  • Der Dauerbrenner, der für gut 10 Jahre unter der künstlerischen Leitung von Emanuele Masi stand, hat nun eine neue künstlerische Doppelspitze, die heute Vormittag im Glashaus des Parkhotel Laurin in das diesjährige Programm einführen durften. Mit dabei unter anderem natürlich auch – und das zum 10. Mal – Sharon Booth, künstlerische Leiterin der Workshop-Reihe von Tanz Bozen, die sich an verschiedenste Interessen und Kenntnisstände richtet. Neu daran in diesem Jahr ist, dass für einige Kategorien auch auf eine weitere Schwierigkeitsstufe, außerhalb der Stufen A bis C gesetzt wird: Auch mit gemischten Gruppen in denen Menschen mit wie ohne Behinderung aufeinandertreffen. Ein Plus an Divulgation und Kontakt das sicherlich, ob jetzt bei Bollywood oder traditionellen Tänzen der Region, gut ankommen dürfte. Zum Tanzen anregen soll neben dem Kurs Programm und den Aufführungen mit über 160 Tänzer:innen (Die Damen stellen die Mehrheit) und Choreograf:innen und über 30 Terminpunkten. Siebenmal wird es im Juli italienische Erstaufführungen, viermal Uraufführungen und zweimal nationale Voraufführungen geben. Ein zentraler Bestandteil von Anouk Assisi und Olivier Dubois erstem Programm, wie auch ihrer Kandidatur im Vorfeld ist das neue Format Extra Danza, das gut zum gewählten Motto „Aufstand“ passt. Größer gedacht ist der Aufstand (italienisch: insurrezione) heuer ein Teil der aufs Thema Leidenschaft beziehungsweise passione, auf welche das Jahr der (H)orizonte und das der Riconciliazione, also der Versöhnung folgen sollen.
    Das neu erdachte Format Extra Danza soll zuvor, am Samstag den 26. von 17 bis 21 Uhr vor der letzten Festivalwoche noch einmal zum Tanzen bewegen. Bis zu 8 Gruppen aus den Workshops sollen dann auf den Talfer-Wiesen ihr neu erworbenes Können unter Beweis stellen. Es gilt sowohl einen Hingucker, als auch einen Berührungspunkt zu schaffen und zeigen, dass Tanz für alle ist. Ort und Idee dieses Aushängeschilds passen jedenfalls gut zur Auffassung Dubois von Tanz als „Bau mobiler Brücken“. Auch sind für den Choreografen die Körper das, worüber zeitgenössischer Tanz am meisten zu sagen hat: Sie sind sowohl, jeder in einer Form oder einer anderen, ein geteilter „gemeinsamer Raum“ und auch „Archiv und Erinnerungsträger“, Materie und erstes Objekt einer Migration.

  • Startklar: Mit dem Ballet Preljocaj und der Doppelaufführung HELIKOPTER (im Bild) / LICHT eröffnet das Festival am 18. Juni. Zuvor geht es, traditionsgemäß im öffentlichen Raum, mit der Performance AeReA von Ginevra Panzetti und Enrico Ticconi auf den Verdiplatz, wo das Objekt der Fahne eine zentrale Rolle spielen soll. Foto: JC carbonne

    Noch in diesem Jahr, wie auch in den beiden kommenden soll mit NOI und EURAC in diese Kerbe geschlagen werden, an beiden Orten mit einem eigenem Projekt, das die Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft überschreiten soll. Das OpenLab im NOI, das Wissenschaftler und Tänzer gleichberechtigt zusammenführt, lanciert am 23. mit einem VR-Performanceprojekt der Anthropologin Margherita Landi, die mit „Landi’s Cube: The Encoder body“ auch etwas Körpergrenzen aufhebt. Für den zweiten Termin, das Border Lab der Eurac, soll es anfänglich für ein Gespräch an einen runden Tisch gehen. Noch während des Festivals soll es mit noch nicht näher benannten Künstler:innen und Forschenden um die Themen Grenzen, Mobilität und Zugehörigkeitsgefühl gehen.
    Wer Tanz Bozen nicht mehr erwarten kann, der hat morgen Abend die Möglichkeit noch einmal vertiefend ins Programm zu blicken. Für ein Kick-off-Event, zu dem das interessierte und potentielle Publikum eingeladen ist, ruft man morgen, Mittwochabend ab 18 Uhr in die Eurac. Als Zuckerl in Aussicht gestellt wird jenen, die sich nicht für eine Online-Lektüre im heute öffentlich gemachten Programm begeistern können, auch ein Auszug aus einer neuen Arbeit des Mailänder Choreographen und Tänzers Matteo Sedda.
    Auch wenn der Abschied von der künstlerischen Handschrift Emanuele Masis sicherlich einigen schwerfallen dürfte, so ist klar, dass sich nicht nur Anouk Assisi und Olivier Dubois auf ihre Tätigkeit und das anstehende Festival freuen. Beide verstehen sich als die zwei Hemisphären eines Gehirns: „Wenn der Kopf nicht weiß, was er will, dann weiß der Körper auch nicht wohin“, scherzt Dubois und fügt, etwas überraschend hinzu: „Ich liebe Verwaltung.“ Dort lasse sich sehen, wie die Wurst gemacht wird und schließlich auch, wie sie verdaut wird.