Soziale und Gesundheitsdienste besser absichern
Allen düsteren Prognosen widersprechend, scheint es im kommenden Haushaltsjahr nun eine – wenn auch geringfügige - Steigerung des Gesamtbudgets zu geben. Nach einem ersten Regierungsjahr im Zeichen des Einblicknehmens und mit einer „spending review“ im Visier muss nun der Landeshaushaltsplan deutlich machen, wohin die Reise gehen soll.
Im Dachverband für Soziales und Gesundheit ist man besorgt, dass nach Jahren der Kürzungen im Beitragswesen die dringend nötige Wiederaufstockung ein weiteres Mal verschoben werden könnte. Schon heute nämlich, so der Präsident Martin Telser, arbeiten viele gemeinnützige Organisationen am Rande der Existenz und laufen mangels Budget Gefahr, die gesetzlichen Vorgaben nicht einhalten zu können, etwa zur Arbeitssicherheit.
„Allein in den 55 Mitgliedsorganisationen des Dachverbandes gibt es bei ca. 45.000 Mitgliedern über 2000 aktive Freiwillige, welche ihre Zeit und ihr Wissen einbringen und an die 1000 angestellte Mitarbeiter/innen. Sie tragen ganz wesentlich dazu bei, dass unsere Lebensqualität auch in schwierigen Lebenslagen erhalten werden kann und springen oft dort ein, wo eine Behörde nicht so dynamisch agieren kann. Doch wir wollen unseren Mitarbeiter/innen die zustehenden Gehaltsvorrückungen ebenso korrekt zahlen, wie auch längere Perspektiven bieten können. Und wir sehen auch, wo es künftig noch mehr zu tun gibt, etwa bei der Arbeitseingliederung oder bei der Selbsthilfetätigkeit.“
Bei der Behandlung der Omnibus-Gesetze ist im Dritten Sektor der Eindruck entstanden, dass durchaus Steuererleichterungen zur Stärkung der Wirtschaft und zu Gunsten einer Stabilisierung des Arbeitsmarktes vorgesehen worden sind, im Bereich der Sozial- und Gesundheitspolitik hingegen nur die hohen Kosten, nicht aber das große Potential Themen der öffentlichen Diskussion waren. Das ist eine einseitige Sichtweise der Dinge. Tatsache ist, dass es in Südtirol deshalb eine so starke Bindung der Menschen an ihre Heimat gibt, weil sie sich in einem breiten Netzwerk der Solidarität aufgenommen wissen und auch in schwierigen Lebensphasen mit einer angemessenen und zumeist auch sehr persönlichen Betreuung rechnen können. Das gibt Zuversicht und führt zu engagierten Bürger/innen, die auch selbst Verantwortung übernehmen. Und damit wiederum können manche andere Leistungen reduziert und große Kosten eingespart werden.
Die Gesellschaft aber ändert sich, das Durchschnittsalter steigt und zu den bisher bekannten gesellen sich neue Herausforderungen an die Kranken- und Sozialeinrichtungen, für die erst noch geeignete Antworten zu finden sind. Damit ist auch unweigerlich ein finanzieller Mehrbedarf verbunden. Es stimmt, dass auch in diesen Bereich durchaus noch mehr Effizienz eingefordert werden und Vereinfachungen manche Einsparungen bewirken können. Daran ist konsequent zu arbeiten. Zugleich aber muss beachtet werden, dass es mehr Hilfsangebote braucht, neue Dienste aufzubauen sind und mehr in eine frühzeitige Problemerkennung und -behandlung zu investieren ist. Vorbeugende Arbeit muss einen völlig neuen Stellenwert erhalten, schon deshalb, weil Krisenintervention und folgende Landzeitbetreuung beinahe unbezahlbar werden. Italien weist eine Quote von nur 0,7 % der Gesundheitsausgaben für Prävention auf, Deutschland hingegen investiert 3,3 % - aus gutem Grund. Hier muss auch Südtirol noch nachlegen. Auch die Unterstützung zur Selbstverantwortung und zur gegenseitigen Selbsthilfe, wie es die Betroffenenorganisationen pflegen, ist in diesem Sinn massiv auszubauen. Hier muss die Politik beweisen, dass sie diese Potentiale sehen und nutzen kann, konkret und langfristig. Ehrungen sind gut, aber keine Antwort auf diese Frage.
Im Dachverband, dem nun 55 gemeinnützige Organisationen des Sozial- und Gesundheitswesens angehören, weiß man die Betroffenen in allen Gesellschaftsgruppen, Einkommenssituationen, über alle Generationen verstreut zu finden und alle brauchen gleichermaßen qualifizierte Hilfe. Damit dies weiterhin gemacht werden kann, müssen die nötigen Mittel vorgesehen und zielsicher eingesetzt werden. Sparen kann man, indem alle überflüssigen Verwaltungsakte und Behördengänge wegrationalisiert werden. Nicht Sparen darf man aber bei den essentiellen Diensten an den Menschen in schwierigen Lebenslagen.