Die britische Invasion
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Disney hat einen Schatz geborgen. Als das Unternehmen sich anscheinend die Rechte an allem vorhandenen und noch zu Tage geförderten Beatles-Filmmaterial sicherte, landete man einen Checkpot. Erst montierte Peter Jackson die sechsstündige Dokumentar-Serie Get Back, dann gab es eine Neuveröffentlichung von Let it be. Nun gibt es auf Disneys hauseigenem Streaming-Dienst eine weitere Doku, die sich mit einer kurzen, wenn auch wichtigen Phase in der Karriere der Beatles beschäftigt. Die Rede ist vom ersten Besuch der Musiker in den USA. 1964 landete ihr Flugzeug, nur knapp ein Jahr nach dem Attentat auf John F. Kennedy. Das Land lag in Trauer, in Vietnam tobte weiter der Krieg, da kamen die Beatles gerade recht, scheint es. Auch Paul McCartney selbst mutmaßt in der neuen Doku, dass er und seine drei Kumpanen vielleicht genau das waren, was die US-Amerikaner damals dringend brauchten: Eine Ablenkung, Freude durch Musik, Lieder über die Liebe. Denn anders als in den späteren Jahren drehte sich auf den ersten Alben der Beatles alles um dieses schöne Thema. Dadurch, aber auch durch ihr charismatisches Auftreten, eroberten die vier Musiker aus Liverpool die Herzen der Massen. Beatlemania nennt man das seit jeher, und wie das aussehen kann, zeigen die Bilder dieser Doku. Bei ihrer Ankunft am Flughafen werden die Beatles frenetisch empfangen, das Plaza Hotel in New York können sie kaum verlassen, da es rund um die Uhr von Fans belagert wird. Die sind zumeist weiblich, aber auch einige Männer haben sich daruntergemischt. Andere stehen abseits und lästern über die langen Haare der Beatles, und ihre wenig männliche Art. Hier arbeitet die Doku einen Aspekt heraus, der vielleicht bislang etwas unter den Tisch gefallen ist. Nämlich, dass die Beatles einen neuen Typ Mann verkörperten, der nicht stark und breit gebaut sein musste, sondern zart und schräg und verspielt sein durfte. Vorbei waren die Zeiten der Alphas, scheint es, begonnen haben die 60er, das Jahrzehnt, in dem auch Mick Jagger oder Jim Morrison zum Sexsymbol wurden.
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Beatles 64 begleitet diese neuen Männer auf ihrem zweiwöchigen Trip. Zahlreiche, noch nie gesehene Aufnahmen dokumentieren ihre Gespräche, die häufig bloß aus dem typisch britischen Humor bestehen. Wirklich substanzielles bekommt man kaum zu hören – was vermutlich an der Anwesenheit der Kamera lag. Anders als heute war es immerhin eine Besonderheit, eine Kamera mit im Raum zu haben, eine, die auf das eigene Gesicht gerichtet ist, die im Grunde dazu auffordert, etwas kluges zu sagen. Dem verweigern sich die Beatles, genauso wie in den Pressekonferenzen und Interviews, und folgen damit der Dylan-Methode, auch wenn die Briten deutlich weniger spöttisch sind. Dazwischen montiert Regisseur David Tedeschi historische Aufnahmen aus jener Zeit und Interviews mit verschiedenen Persönlichkeiten, die damals in New York oder Washington mit den Beatles in Berührung gekommen sind. Neben Musiker*innen wie Ronnie Spector von den Ronettes oder Smokey Robinson von den The Miracles kommt etwa Jamie Bernstein, die Tochter von Leonard Bernstein zu Wort. Der große Komponist und Dirigent war einer der Erwachsenen, der die Beatles nicht verteufelte, sondern aus musikalischer Sicht schätzte. Auch Filmemacher David Lynch darf eine Anekdote erzählen, er war dabei, als die Beatles in einem Art Boxring ein Konzert spielten. Unter lautem Gekreische, versteht sich. Das war letztlich auch der Grund, warum sich die Band nur etwa zwei Jahre später dazu entschied, sich ins Studio zurückzuziehen und Großprojekte wie Revolver oder Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band aufzunehmen. Vermutlich wird es auch dazu in einiger Zeit eine eigene Doku auf Disney+ geben. Etwas mehr Mut aus filmischer Sicht darf da ruhig noch erwartet werden. Beatles 64 kommt sehr gewöhnlich daher und ist wohl nur für Leute interessant, die sich von vornherein für die Band interessieren. Ansonsten fehlt vermutlich etwas der Kontext. Der Film ist ein Puzzlestück in einem sehr großen Puzzle, das vielleicht nie vollständig sein wird. Die Filmemacher*innen dieser Welt arbeiten aber fleißig daran.
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(c) Disney
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