Ambiente | Seiser Alm
"Gänzlich unklarer Sinneswandel"
Foto: Helmuth Rier
Alle guten Dinge sind drei.
Genau so oft hat sich das Südtiroler Verwaltungsgericht in den vergangenen vier Jahren mit dem Thema befasst. Die Richter in der Gerstburg haben zur umstrittenen Erweiterung der Skizone Marinzen bisher drei Urteile erlassen. Das letzte davon wurde am Donnerstag veröffentlicht.
Der Richtersenat, Alda Dellantonio als Präsidentin, Lorenza Pantozzi Lerjefors, Michele Menestrina und Edith Engl als Urteilsverfasserin, hat dabei den Rekurs des Dachverbandes für Natur und Umweltschutz, sowie des Alpenvereins Südtirol (AVS) angenommen.
Es ist ein harter Schlag nicht nur für die Seilbahnbetreiber der „Marinzen GmbH“, sondern auch für die Landesregierung. Denn das Urteil der vier Richter macht deutlich wie fahrlässig und widersprüchlich manche politische Entscheidung zustande kommt.
Das Projekt
Der Streit um die geplante Marinzen-Seilbahn ist eine Art Never Ending Story.
Seit langen geistert am Hochplateau die Idee herum eine Seilbahn von Kastelruth über den Puflatsch auf die Seiser Alm zu bauen. Die Liftgesellschaft „Marinzen GmbH“ möchte diese Verbindung zusammen mit einer Erweiterung des Skigebietes unbedingt verwirklichen.
Es ist ein Projekt in dem es vordergründig um viel Geld geht. Das Vorbild ist die Umlaufbahn Seiser Alm. Eine Gelddruck-Maschine. Dazu kommt noch die traditionelle Rivalität Seis-Kastelruth. Der Hauptort will hier nicht das Nachsehen haben.
Doch gegen die Pläne der unliebsame Konkurrenz spricht sich nicht nur die „Seiser Alm Bahn AG“, sondern auch verschiedenste Umweltverbände und –vereinen warnen seit Jahren vor einer weiteren Verbauung und Erschließung der Hänge unterhalb der Seiser Alm.
Selbst die Landespolitik ist sich hier uneins. Dazu kommt, dass Arno Kompatscher vor seiner Wahl zum Landeshauptmann Geschäftsführer der Seiser Alm Umlaufbahn war. Demnach gibt es eine klare Befangenheit, was die politische Willensfindung zusätzlich erschwert.
Bereits 2016 hat die „Marinzen GmbH“ eine Machbarkeitsstudie für die “Erweiterung des Skigebietes Marinzen mit Anbindung an das Skigebiet Seiser Alm in der Gemeinde Kastelruth” vorgelegt. Die Landesregierung lehnt das Projekt an. Die Liftbetreiber ziehen vor das Verwaltungsgericht und bekommen Recht. Die Ablehnung wird aufgehoben.
2018 legt die Kastelruther Liftgesellschaft deshalb erneut die Machbarkeitsstudie vor. In der Genehmigungsphase reicht man zudem zwei Varianteprojekte (V1 und V2) ein, mit denen man auf die Einwände der zuständigen Landesämter abfangen will. Aber auch diesmal wird das Projekt abgelehnt. Das Schauspiel wiederholt sich. Die Marinzen GmbH rekurriert vor dem Verwaltungsgericht und bekommt 2019 ein zweites Mal Recht. Das Gericht verfügt, dass sich der Umweltbeirat erneut mit dem Seilbahnprojekt befassen muss.
Der Fauxpas
Das geschieht im Februar 2019. Der Umweltbeirat schreibt ein neues negatives Gutachten mit einer ausführlichen, fachlichen Begründung. Zudem liegt ein zweites negatives Gutachten des Landesamtes für Seilbahnen vor. Nur das dritte Gutachten, jenes der Landesabteilung Wirtschaft und Mobilität fällt im März 2019 teilweise positiv aus.
Es ist dieser Strohhalm an den sich die Mehrheit in der Landesregierung klammert, als das Marinzen-Projekt am 16. April 2019 erneut zur Abstimmung steht. Die Ausgangslage ist klar: Die zuständigen Ämter haben sich eindeutig gegen das Projekt ausgesprochen, deshalb lässt die zuständige Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer auch eine ablehnenden Beschluss vorbereiten. Doch dann dreht sich in der Regierungssitzung der Wind.
Es ist dieser Strohhalm an den sich die Mehrheit in der Landesregierung klammert, als das Marinzen-Projekt am 16. April 2019 erneut zur Abstimmung steht. Die Ausgangslage ist klar: Die zuständigen Ämter haben sich eindeutig gegen das Projekt ausgesprochen, deshalb lässt die zuständige Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer auch eine ablehnenden Beschluss vorbereiten. Doch dann dreht sich in der Regierungssitzung der Wind.
Arnold Schuler, Thomas Widmann und Massimo Bessone stimmen gegen die Ablehnung des Marinzen-Projekts. Umweltlandesrat Giuliano Vettorato enthält sich. Arno Kompatscher und Waltraud Deeg nehmen an der Abstimmung nicht teil, Philipp Achammer fehlt entschuldigt. Einzig Kuenzer stimmt dagegen.
Damit ist die Machbarkeitsstudie für das Seilbahnprojekt genehmigt. Unmittelbar danach kommt es zu einem Fauxpas. Das Landespresseamt spricht in der offiziellen Aussendung von einer Ablehnung durch die Landesregierung. Nachdem die Nachricht bereits durch die Medien gegangen ist, muss ausgerechnet Maria Hochgruber Kuenzer die Falschmeldung berichtigen. Die Liftbetreiber jubilieren.
Die Watschn
Aber sowohl die „Seiser Alm Bahn AG“, wie auch der Dachverband für Natur- und Umweltschutz und der AVS reichen beim Verwaltungsgericht Rekurs gegen die Genehmigung durch die Landesregierung ein.
Am 8. Jänner 2020 kommt es in der Gerstburg zur Hauptverhandlung. Das Ergebnis: Beide Rekurse werden angenommen und die Genehmigung der Machbarkeitsstudie durch die Landesregierung aufgehoben.
Das schriftliche Urteil im Rekurs der Seiser Alm Bahn AG liegt noch nicht vor. Am Donnerstag wurde aber das Urteil im Rekurs von AVS und Dachverband veröffentlicht.
In diesem Verfahren hat sich das Land an der Seite der Marinzen GmbH eingelassen. Wie meistens in diesen Fällen hat man dabei versucht, den Klägern Dachverband und AVS das Klagerecht abzusprechen. Anwalt Alex Telser hat diese Frage für die Umweltverbände aber bereits mehrmals vor dem Bozner Verwaltungsgericht ausjudiziert. Und auch diesmal hat dieser Schachzug keinen Erfolg.
Die Annahme des Rekurses stützt das Gericht auf die völlig widersprüchliche Haltung und die formale Nachlässigkeit der Landesregierung.
Die Landesregierung hatte sich bereits am 29. März 2019 mit der Machbarkeitstudie befasst. Damals kam es zu einer „vorläufigen Ablehnung“ mit einer merkwürdigen Vorgabe.
Im damaligen Beschluss heißt es, dass die Landesregierung vorerst den Vorschlag des zuständigen Amtes zur Ablehnung des beantragen Eingriffes in seiner Gesamtheit teile. Gleichzeitig übermittelt man schriftlich der Marinzen GmbH die Hinderungsgründe ihren Antrag anzunehmen. Mit einem Zusatz: „Bringt die Marinzen GmbH innerhalb der Frist von 30 Tagen ab Erhalt der Mitteilung ihre eventuell mit Unterlagen versehenen Einwände schriftlich beim Amt für Landesplanung nicht vor, wird die Landesregierung den ergänzenden Eingriff aus den in den Prämissen angeführten Gründen ablehnen“.
Drei Wochen später aber genehmigt die Landesregierung plötzlich das Projekt. Und das obwohl im Beschluss steht, dass die vorgebrachten Einwände der Marinzen GmbH „keine neuen Inhalte betreffend sowohl den Beschluss Nr. 209/2019 als auch die eingeholten Gutachten hinzu(fügten)“.
Dieser plötzliche Sinneswandel der Landesregierung wird nicht begründet, sodass für die Rekurssteller die positive Entscheidung nicht nachvollziehbar ist. Es ist gänzlich unklar was die Behörde dazu bewogen hat ihre vorherige Entscheidung zu überdenken.
Die Verwaltungsrichter können dieser Logik nicht folgen. Das Urteil liest sich wie eine Watschn für die Landesregierung.
Dort heißt es:
„Dieser plötzliche Sinneswandel der Landesregierung wird nicht begründet, sodass für die Rekurssteller die positive Entscheidung für die Variante V2 nicht nachvollziehbar ist. Es ist gänzlich unklar was die Behörde dazu bewogen hat ihre vorherige Entscheidung zu überdenken. Sie legt weder Tatsachen noch Sachverhaltsermittlungstätigkeit ihrem Handeln zugrunde noch erläutert sie was sie veranlasst hat die Fachgutachten, die sie vorher geteilt hatte, nicht mehr anzuerkennen.“
Das ist dann auch der Hauptgrund für die Annahme des Rekurses. Das Verwaltungsgericht hebt den Beschluss der Landesregierung zur Annahme der Machbarkeitsstudie auf. Die Marinzen GmbH und das Land müssen die Prozesskosten tragen.
Auch wenn die Marinzen GmbH die Machbarkeitsstudie noch ein weiteres Mal vorlegen wird, dürfte dieses Urteil wohl das Ende des Seilbahnprojektes sein.
Auch wenn die Marinzen GmbH die Machbarkeitsstudie noch ein weiteres Mal vorlegen wird, dürfte dieses Urteil wohl das Ende des Seilbahnprojektes sein.
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Das sind hunderte Tausende
Das sind hunderte Tausende Euro an unseren Steuergelder die hier verwendet werden weil es der "Stolz" einiger Kastelruther immer noch nicht überwunden haben dass die Seilbahn im Nachtbardorf gebaut wurde. Vätternwirtschaft und unnütz. Wieviel mehr würde in Südtirol geschafft werden wenn wir uns anstatt auf Jahrzehnte-lange Neidkampagnen darauf konzentrieren würden was zusammen weiterzubringen.