Economia | Pestizide

„Staatsrat hält am Systemfehler fest“

Die Umweltschutzgruppe Vinschgau kommentiert das Urteil aus Rom zur pestizidfreien Gemeinde Mals und die Bauernproteste in Europa. Es brauche eine Abkehr von Wachstum.
Apfelwiese in Kroatien
Foto: Evan/Unsplash
  • Ende Jänner wurde bekannt, dass der Staatsrat in Rom den Malser Rekurs zurückgewiesen hat. Wie auch das Bozner Verwaltungsgericht im Jahr 2018 urteilte, sei die 2015 erlassene Verordnung der Gemeinde über ein Spritzmittel-Verbot nicht gültig. Zu diesem Schluss kam auch der Europäische Gerichtshof im Jahr 2019, da die Gemeinde für diesen Bereich nicht zuständig sei. Nach der Niederlage vor Gericht meldet sich die Umweltschutzgruppe Vinschgau in einer Mitteilung an die Medien nun zu Wort: 

    „Vielleicht geben die Belagerungen der Bauern in der EU ihnen jetzt Recht?“

    „Der Weg geht weiter. Die Motivation, eine nachhaltige, umweltverträgliche und dem Menschen dienende Landwirtschaft zu schaffen, ist noch größer geworden. Die Gemeinde Mals bemühte sich seit 2015, die erste pestizidfreie Gemeinde Europas zu werden. 76 Prozent der 5.000-köpfigen Gemeinde stimmten für biologische Landwirtschaft und Naturschutz. Dieser Aufstand gegen die Mächtigen in der Landesregierung und gegen den Bauernbund ging als ‚Wunder von Mals‘ um die Welt und schrieb Geschichte. Ist nun diese Vision endgültig vom Acker? Was bleibt zurück? – Eine ohnmächtige Mehrheit auf ihren Trümmern der Gefühle?“

  • Bauernprotest in Deutschland: Die Umweltschutzgruppe Vinschgau hofft, gemeinsam mit dem Protest der Landwirte einen Wandel zu bewirken. Foto: Hessischer Bauernverband e.V./Facebook

    Auch wenn die Entscheidung des Staatsrates akzeptiert wird, sei der Kampf noch nicht ausgefochten. „Das Urteil ist Fakt. Fakt ist auch der Wunsch der Bürgerinnen, die ihren Enkeln eine zukunftstaugliche Welt hinterlassen wollen. Und dieser Wunsch konnte durch das Urteil nicht zu Fall gebracht werden“, so die Umweltschutzgruppe Vinschgau. 

    „Es gibt nur eine Erde und mit dieser müssen wir haushalten lernen. Wohlstand und Wachstum sind nur möglich, wenn man Technik einsetzt und Energie nutzt. Leider wird die Ökoenergie aus Sonne und Wind aber niemals reichen, um weltweites Wachstum zu befeuern. Die Industrieländer müssen also eine Kreislaufwirtschaft anstreben, in der nur noch verbraucht wird, was sich recyceln lässt“, erklären sie. 

    „Wir brauchen ein konsumbefreites Leben, damit wir eine ‚Kultur des Genug‘ entwickeln.“

    Das Wirtschaftssystem sei leider immer noch so aufgebaut, dass Allgemeingut wie Wasser, Luft, biologische Lebensmittel gewinnorientiert und gewinnmaximierend berechnet und gehandelt werden. „Nur wer Geld hat, hat Zugang zu diesen Allgemeingütern“, kritisiert die Umweltschutzgruppe Vinschgau. „Eine hochtechnisierte Landwirtschaft, wie wir sie haben, lässt sich nicht so leicht umstellen. Denn je technisierter, folglich kapitalintensiver, die Landwirtschaft ist, desto leichter lässt sie sich kontrollieren und ihre Verfügbarkeit zentralisieren. Perfekt für eine konservative Politik mit schnellen Lösungen.“

    Sie fordern „Denkrichtungen, um unseren zerstörerischen Wachstumspfad zu verlassen“. Die Alternative sei eine Art neues Wirtschaftsmodell: „Wir brauchen ein konsumbefreites Leben, damit wir eine ‚Kultur des Genug‘ entwickeln. Denn nur mit einer ‚zufriedenen Genügsamkeit‘ werden sich die großen Krisen unserer Zeit lösen lassen. Die Malser schauen in die Zukunft und spüren ihre Verantwortung für die künftigen Generationen. Heute vielleicht von Vielen als Traum oder Vision belächelt. Es braucht aber Vordenker. Und es werden immer mehr. Sie geben sich nicht ohnmächtig. Das Streben nach einer verträglichen Wirtschaftsweise und nach einem gesunden und zukunftstauglichen Leben für alle kann kein Gerichtsurteil verhindern. Vielleicht geben die Belagerungen der Bauern in der EU ihnen jetzt Recht? Das ist das Wunder.“