Aschenputtel Bozen?
Im Landtag ging es am Dienstag, 13. Mai um ein einziges Thema: die Landeshauptstadt und welche Schritte das Land unmittelbar, bzw. in den nächsten 5 Jahren setzen müsse. Die Freiheitlichen hatten den Vorschlag gemacht, "denn schließlich mache Bozen 20 Prozent der Südtiroler Bevölkerung aus und angesichts der vielen anstehenden Projekte, die zum Teil auch Landesprojekte seien, sei eine Debatte um die Zuständigkeiten sinnvoll", so Pius Leitner in seiner Rede.
Typische Bozner Themen kamen während der Plenarsitzung aufs Tapet, wie auch Ängste und Zweifel rund um die Landeshauptstadt. Fast ließe sich Bozen ein wenig mit der EU vergleichen, die ja auch mäßig beliebt, aber als sinnvolle und notwendige Institutuion angesehen wird.
Typische Bozner Themen sind Zuwanderung, Sicherheit und Verkehr, dazu die faschistischen Denkmäler
Der Umgang mit den faschistischen Denkmälern, das neue Müllsammelsystem, die Zuwanderung und der Stillstand vieler Arbeiten, wie etwa jenes am Busbahnhof durch die schwierigen Verhältnisse im Bozner Gemeinderat, waren einige der angesprochenen Themen durch die Freiheitlichen Ulli Mair und Walter Blaas.
Genau diese Schwierigkeit im Bozner Gemeinderat wollte die Grüne Brigitte Foppa als etwas Positives verstanden wissen. Im Bozner Gemeinderat, dem sie angehört habe, gebe es eine echte Demokratie, die natürlich auch Geld und Zeit koste. Dass deswegen manche Entscheidungen länger bräuchten, sollte man nicht schlecht reden. Bozen brauche eine andere Subsidiarität als kleinere Gemeinden. Auffallend sei die unterschiedliche Ausstattung, man brauche nur etwa die Musikschulen von Bozen und Auer zu vergleichen.
Bozen liege bei der Lebensqualität in italienischen Statistiken oft vorne, im Vergleich auf Landesebene führe es ein Aschenputteldasein.
Grünen-Kollege Riccardo Dello Sbarba wollte vor allem die urbane Kultur Bozens berücksichtigt sehen, denn Südtirol hänge hauptsächlich einer ländlichen Kultur an. Die Landesräte sollten einmal darüber nachdenken, wie viele ihrer Entscheidungen und Verwaltungsakten Bozen beträfen. Das Land benehme sich zu sehr wie eine Gemeinde, stattdessen sollte es sich auf die Regeln konzentrieren und die Verwaltung den Gemeinden überlassen. Bozen mehr Aufgaben als andere Gemeinden, täglich würden 50.000 Personen nach Bozen pendeln, es gebe auch im Verhältnis mehr Sozialfälle und mehr Einwanderung als anderswo. Die regelmäßigen Treffen zwischen Stadtrat und Landesregierung seien ein Fortschritt, aber es brauche mehr, ein Autonomiestatut im Autonomiestatut, do der Grüne Abgeordnete.
Ländliche und urbane Kultur
Die ländliche Kultur dürfe wegen Bozen nicht zu kurz kommen, so der Einwurf der SVPlerin Maria Hochgruber-Kuenzers. Bozen brauche aufgrund seiner Dienste und seiner Einwohnerzahl zwar besondere Unterstützung, aber man dürfe nicht vergessen, dass auch der ländliche Raum für Bozen einen Mehrwert darstelle. Auch draußen auf dem Lande brauche es Kultur und Arbeitsplätze.
Alessandro Urzì (L'Alto Adige nel cuore) stellt die Frage nach der Finanzierung der Stadt in den Mittelpunkt seiner Rede. Bozen wolle mehr Aufmerksamkeit und mehr Geld vom Land. Die Stadt leide unter einer Finanzregelung, die der Gemeindenverband unter Kompatscher ausgehandelt und die Spagnolli nicht beanstandet habe. Bozen habe eine besondere Rolle, die honoriert werden müsse. Die Bozner Bürger würden unter den finanziellen Einschnitten leiden. Spagnolli habe im Gespräch mit den Fraktionssprechern kritisiert, dass Bozen gleich wie eine Kleingemeinde behandelt werde.
Nicht hier eine Politik für die Stadt und dort eine für das Land
Bozen sei in einer widersprüchlichen Situation, meinte Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung). Die Stadt werde von Einrichtungen belastet, die dem Land von Nutzen seien. Eine weitere große Belastung sei die Luftverschmutzung, vor allem durch die Autobahn. Das landwirtschaftliche Grün sei zu erhalten, daher solle man leere Wohnungen nutzen. Köllensperger sprach sich für ein drittes Gleis zwischen Bozen und Auer und eventuell weiter südlich aus, das würde viel weniger als eine Umfahrung kosten. Dem Pendlerproblem sei vor allem mit nachhaltigen Verkehrslösungen zu begegnen. Eine Tram ins Überetsch wäre die bessere Lösung, für den Metrobus brauche es wenigstens die Vorzugsspuren. Er sei für das "road pricing", wer die Stadtluft belaste, müsse dafür zahlen. Die Umfahrungen würden nur mehr Verkehr anziehen, besser sei die Nutzung der A22 als Umfahrung. Seine Bewegung sei gegen das Benko-Projekt, weil ihm jede strategische Vision fehle; zuerst müsse man überlegen, wo man was haben wolle. Er sei für eine gemeinsame Landesbibliothek, aber gegen einen Abbruch der Pascoli-Schule, sondern für einen Umbau der bestehenden Struktur. Die nun eingesparten 30 Mio. sollten der Stadt zugute kommen.
Schlussendlich sprach Landeshauptmann Kompatscher sein Resümee. Die regelmäßigen Treffen zwischen den Regierungsvertretern der Stadt und des Landes seien sehr positiv, viele Projekte und Vorschläge könnten auf diese Weise besprochen werden, "und solche Projekte gibt es auch mehr, als in den nächsten 30 Jahren finanzierbar sind," so Kompatscher. Bozens schwierige Verwaltungsstruktur, die Reform der Gemeindenfinanzierung sei sehr wohl Teil seiner Agenda. Die Eurac sei nun beauftragt worden, die Gemeindenfinanzierung nach objektiven Kriterien zu durchforsten. Wenn sich herausstelle, dass Bozen zu wenig bekomme, werde man dies korrigieren.
Es werde nicht eine Politik für das Land oder für die Stadt geben, so der Landeshauptmann, es müsse eine differenzierte Politik sein, die auf beide Gegebenheiten eingehe.