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Welche Bürgerbeteiligung an der Gemeindepolitik?

Ein Jahr lang, nämlich bis 9.12.2015, hatten die Gemeinden in der ganzen Region Zeit, ihre Satzungen an die neuen Vorgaben der regionalen Gemeindeordnung anzupassen.
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Das Regionalgesetz Nr.11 vom 9.12.2014 (Gemeindeordnung) sieht einige wesentliche Neuerungen in Sachen Volksabstimmung nämlich zwingend vor. Viele Gemeinden haben die Musterregelung für die Gemeindesatzung des Gemeindenverbands vom 25.9.2015 übernommen und damit diese Pflicht nur im gesetzlich vorgesehenen Mindestmaß erfüllt. Einige wenige haben sich etwas weiter vorgewagt und Neuerungen für die direkte und deliberative Demokratie eingeführt. Die Neuregelung der Bürgerbeteiligung kann mit dieser „kleinen Reform“ noch lange nicht als abgeschlossen betrachtet werden, denn die Gemeinden sind jederzeit frei, ihre Satzungen bürgerfreundlicher zu gestalten.

Denn die Bürgerschaft will mehr mitreden, gehört werden und mitentscheiden. Gerade in der eigenen Gemeinde ist die Einbindung der Bürger in die politische Willensbildung und Entscheidungsfindung gut umsetzbar, allein es fehlen meist die geeigneten Verfahren und Instrumente. Welche Verfahren bieten sich für diesen Zweck an? Zu diesem Zweck sind eine Fülle von Methoden entwickelt worden, die je nach politischer Problemstellung, sozialem Kontext und rechtlichem Spielraum angewandt werden können.

In der POLITiS-Publikation „Die Gemeindepolitik mitgestalten“ geht es genau darum: verschiedene, in den Nachbarregionen und Nachbarländer schon bewährte Verfahren der Bürgerbeteiligung, die im Rahmen der italienischen Rechtsordnung und der Gemeindeautonomie auch in Südtirol eingeführt werden könnten. So z.B.

  • Bürgerräte (in Vorarlberg gut angenommene Form der sachbezogenen Konsultation von Bürger für Gemeindeprojekte)
  • Bürgergutachten: partizipative Planungsprozesse zusammen mit Experten und Politikern (z.B. der Energierat der Stadt Lienz)
  • Öffentliche Anhörung und Öffentliche Debatte (in der Toskana und zahlreichen Gemeinden schon vorhanden, aber hier kaum bekannt und angewandt)
  • Der Bürgerhaushalt: die Investitionen der Gemeinde als Bürger mitbestimmen, das geht bereits in über kleineren und großen Kommunen Europas.
  • Neue Formen von Bürgerversammlungen, wie „Das Wort den Bürgern“ und der „Offene Gemeinderat“, und weitere Verfahren.

Bewusst haben die beiden Autoren dieser POLITiS-Publikation die deliberativen Verfahren mit den Verfahren zur Mitentscheidung, also den Volksabstimmungen, zusammengespannt. Hier mangelt es in Südtirol wie in ganz Italien an wesentlichen Formen von Volksabstimmungen wie z.B. dem bestätigenden Referendum auf alle Entscheidungen des Gemeinderats. Darüber hinaus sind auch verschiedene Regeln zum Quorum, zur Unterschriftenhürde, zum Modus der Unterschriftensammlung, zur Information der Abstimmungsberechtigten verbesserbar. Wenn die Regeln bürgerfreundlich ausgestaltet sind, wie jetzt in den Gemeinden Mals und Kurtatsch, wird die Mitbestimmung für die Bürger interessanter. Bestehen dagegen zu hohe Hürden, trauen sich die Bürgerinnen nicht.

Diese POLITiS-Publikation bietet dabei nicht nur einen Überblick über eine anwendungsbezogene Auswahl von Verfahren, sondern bringt auch Interviews mit Gemeindepolitikern und Experten sowie vorformulierte Artikel für die Verankerung dieser Bestimmungen in der Gemeindesatzung. Das Buch kann hier heruntergeladen werden.

Paolo Michelotto/Thomas Benedikter, Die Gemeindepolitik mitgestalten – Ideen und Verfahren für die direkte Bürgerbeteiligung in der Gemeinde, POLITiS, Bozen 2014, 144 S.