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Milliardenprojekt in der Warteschleife

Die Taufererbahn zwischen Sand und Bruneck war eine der modernsten Tirols. In den 50er Jahren wurde sie jedoch stillgelegt. Heute ist die Strecke im Tal eine der meist befahrenen des Landes. Der Klimaplan der Regierung sieht eine Reaktivierung vor.
Taufererbahn
Foto: Landesarchiv
  • 1908 bekam auch das Ahrntal bis Sand in Taufers (Tauferer Tal) etwas vom Glanz der Belle Epoque ab. Angespornt vom Arzt und begeisterten Bergsteiger Josef Daimer hatte sich der Marktflecken Sand zu einem kleinen Tourismusort gemausert. Auch andere Wirtschaftszweige waren im Aufschwung begriffen. Eine Gruppe von Konzessionären unter der Führung des Brunecker Anwalts Hans Leiter suchte für diesen Markt einen Anschluss an das moderne Verkehrsnetz bzw. an die Pusterer-Bahn. Unter dem Eisenbahnpionier Josef Riehl und dem Elektrotechniker und Industriegenie Josef Beikircher wurde eine Bahnstrecke von Bruneck nach Sand in Taufers geplant und finanziert. Von Sommer 1907 bis Frühling 1908 errichteten 300 Arbeiter eine der ersten elektronischen Zugstrecken Tirols. Sie verlief entlang der Ahr und über zwei Brücken und benötigte für die 15,4 Kilometer ungefähr fünfzig Minuten. Angetrieben wurde das Ganze von einem E-Werk am Mühlwalderbach in Gais. 

  • Der Sommerfahrplan: Aus dem Jahr 1922 Foto: Wikipedia
  • Groß war der Zukunftsglauben der Zeit. Die Eröffnung im Beisein politischer Prominenz wurde zu einem Volksfest, ein ganzes Stück Tirol war neu erschlossen.

    Statt Touristen und Festholz brachte die Bahn 1914 Soldaten ins Pustertal. Die Südbahngesellschaft übernahm für die Dauer des Krieges den Bahnbetrieb. Anders als die Welt von Roth und Zweig ging die Lokalbahn aus dem Kaiserreich nicht unter. 1920 ging das Projekt an die italienischen Staatsbahnen über. Ab 1942 transportierten auch die neuen Verwalter Soldaten und die Bahn überlebte den Krieg. 

    Die letzten noch lebenden Zeitzeugen können sich noch an die Bahn der Nachkriegszeit erinnern. Der erste Ausflug in die „große Stadt“, das erste Mal weg von zu Hause, war für viele ein Weg mit der Tauferer Bahn. Die zwei Weltkriege hatten der Wirtschaft und der Sommerfrische den Schwung genommen. Und als sich die Südtiroler Wirtschaft endlich erholte, geschah dies schon mit fossilem Antrieb. Der immer stärker zunehmende Autoverkehr führte am 31. Jänner 1957 zur Stillegung der Bahn. Die Touristen des neuen Booms wurden bereits mit den „modernen“ Postautos ins Tal gebracht. Heute ist die Linie 450 von Bruneck ins Ahrntal und zurück im Viertelstundentakt die meistbefahrene Buslinie des Landes

  • Taufererbahn: Die Züge bestanden aus zwei Waggons mit erster und zweiter Klasse. Foto: Tiroler Museumsbahnen
  • Die alte Bahnlinie ist heute größtenteils ein Radweg. Nur wenig erinnert an den alten Glanz. Der deutsche Verkehrswissenschaftler und Geograf Heiner Monheim legte 2014 eine Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Tauferer Bahn vor. „Das Projekt ist machbar und sinnvoll und eigentlich nur eine Frage der Priorität,“ meint Monheim im Gespräch SALTO. Andere Projekte haben Vorrang. „Ich war im Zuge der Studie bei einigen Veranstaltungen. Sowohl die Bevölkerung als auch die Politik wollen die Bahn, der Konsens ist da,“ auch ein Trassentauschmodell hält Monheim für realistisch.

     

    „Ich war im Zuge der Studie bei einigen Veranstaltungen. Sowohl die Bevölkerung als auch die Politik wollen die Bahn, der Konsens ist da.“

     

    Gemeinden wie St. Georgen und Sand i.T. wollen den hohen Verkehr aus den Dorfzentren verbannen, dort wäre dann Platz für die Bahn, die früher eher in der Peripherie lag. „Das gibt es in Deutschland im Karlsruher Modell, das hat sich sehr bewährt, ist allerdings nicht leicht vermittelbar. Es ist eine Detailfrage“, erklärt Monheim und weiter: „Ich habe damals auch mit mehreren Betrieben gesprochen, die sich den Güterverkehr über die Bahn wünschen. Bahnverkehr ist immer dann am rentabelsten, wenn er beide Aufgaben erfüllt.“  Der Geograf hält die Stilllegung der Bahn für „eine Tragödie. 2019 legten alle Bürgermeister der Talschaft dem Landeshauptmann einige übergemeindliche Anliegen vor. Darunter auch den Wiederaufbau der Tauferer Bahn. Auch im Klimaplan 2040 der Landesregierung findet die Lokalbahn im Aktionsfeld Mobilität eine Erwähnung und wird dort ins Jahr 2036 verschoben. 

     

     „Allein nach der bestehenden Verkehrspotentialanalyse ist gerade das Ahrntal eine Verkehrsachse, wo Buslinien allein nicht ausreichen könnten.“

     

    Der Südtiroler Freiheit geht dies nicht schnell genug. Bereits im November 2024 stellte sie im Landtag den Antrag, die Umsetzung einer Tauferer Bahn bereits vor 2036 anzupeilen. Der Ahrntaler Abgeordnete Bernhard Zimmerhofer stellte den Beschlussantrag für eine Bahn im Ahrntal auch in der ersten Landtagssitzung dieses Jahres. Tirol sei ein Bahnland. Strecken in Überetsch, im Fleimstal oder eben in Taufers wären heute nötiger als jemals zuvor. Auch die Vinschgerbahn dient als Wunschmodell. 

  • Die alte Trasse: Nur wenige Spuren sind von der alten Taufererbahn geblieben. Foto: Stadtarchiv Bruneck
  • In der Landtagsdebatte hob Thomas Widmann die vergleichsweise einfache Erschließbarkeit des Ahrntals hervor. Landesrat Daniel Alfreider hielt dagegen, dass die Prioritäten anderswo liegen. Gerade jetzt, wo die Pustertalbahn erstmal stillsteht. „Allein nach der bestehenden Verkehrspotentialanalyse ist gerade das Ahrntal eine Verkehrsachse, wo Buslinien allein nicht ausreichen könnten“, so der Landesrat. Er betonte aber auch den kurzen Takt der Busverbindung. „Wir haben zwei bis drei Millionen potenzielle Fahrgäste pro Jahr“, so Alfreider „Es ist also eine interessante Angelegenheit.“ Genau wie schon 1908 wurde auch eine Studie über den möglichen Ausbau der Trasse bis Steinhaus gemacht. Diese wäre sehr kostenaufwendig, auch wegen möglicher Tunnel. Laut Monheim diene dies onehin eher der touristischen Anbindung des Skigebiets Skiworld Ahrntal, habe also geringere Priorität. Der Anschluss an die Pustertalbahn würde in Bruneck Nord erfolgen. 

    Eine erste Kostenanalyse aus dem Jahr 2022 setzt die Kosten des Projekts bei mindestens 700 Millionen Euro an. Alfreider sprach in diesem Zusammenhang von einem möglichen Milliardenprojekt, wofür auch Hilfe aus Rom nötig wäre. Der Kauf der Privatgrundstücke entlang der Trasse wäre sehr aufwändig. Die Opposition schlug vor, die Gemeinden zur Unterstützung zu verpflichten. Nach Überarbeitung des Beschlussantrages wurde dieser heute (15. Jänner) einstimmig angenommen. Das Projekt soll noch vor 2036 in Angriff genommen werden.

    Trotz allem betont Heiner Monheim die positive Entwicklung der letzten Jahrzehnte: „Südtirol ist im europäischen Vergleich sehr gut aufgestellt, es ist ein Pionierland und ein Erfolgsmodell für attraktiven öffentlichen Verkehr, was im Kontext eines solchen Projektes auch wichtig ist.“