„Schaffen wir keinen zweiten Flughafen“
Fristen und Ultimaten hat es bereits ausreichend viele gegeben in der Diskussion um die Zukunft des Sterzinger Neurorehabilitationszentrums. Nun jedoch sieht alles danach aus, als ob bis Ende nächster Woche definitiv eine Entscheidung steht. Oder zumindest öffentlich mitgeteilt wird. Die bereits am Dienstag Abend über TV lancierte Nachricht, dass die Sterzinger Abteilung nach dem massiven Druck ihres wissenschaftlichen Leiters Leopold Saltuari nun auf die ursprünglich geplante Größe ausgebaut wird., wurde am Mittwoch jedenfalls nicht bestätigt. „Ich habe gerade mit dem Landeshauptmann telefoniert und wir haben vereinbart, dass die Entscheidung am 24. Juni mitgeteilt wird“, erklärte der Primar der Abteilung für neurologische Akutnachbehandlung am Landeskrankenhaus Hochzirl am Mittwoch Vormittag gegenüber salto.bz.
Aufstockung der Neuroreha-Abteilung auf die kritische Bettenzahl von 21 bzw. 24 Betten, klare Richtlinien wie die Finanzierung der Forschung erfolgt und natürlich auch ein klares politisches Glaubensbekenntnis zur Sterzinger Struktur, über die im vergangenen Jahr viele widersprüchliche Meldungen zirkulierten: Das sind die Forderungen, an die der keineswegs publicityscheue Professor zuletzt im Rahmen einer Pressekonferenz die Fortführung seines Sterzinger Auftrags geknüpft hatte. Zu Beginn dieser Woche kam es schließlich zur seit langem geforderten Aussprache mit Landeshauptmann Arno Kompatscher, Landesrätin Martha Stocker sowie weiteren Vertretern aus Politik und Medizin. Als „sehr positiv und objektiv“ beschreibt Saltuari selbst die dortige Diskussion. „Ich hatte den Eindruck, dass meine Argumente vom Landeshauptmann verstanden und akzeptiert wurden“, sagt er.
Kritische Kollegen
„Schaffen wir keinen zweiten Bozner Flughafen“, bringt der Neurologe seine Position auf den Punkt. In anderen Worten: Unter einer bestimmten Größenordnung macht ein Neuro-Reha-Zentrum keinen Sinn, lautet Saltuaris wichtigster Appell an die Landespolitik. Dort bekommt man von anderen Medizinern aber auch andere Töne zu hören. Denn die Sterzinger Neuroreha wurde von der Südtirols Ärzteschaft von Beginn an kritisch beäugt. „Exzellenzzentren entstehen nicht rund um eine Person, die noch dazu die meiste Zeit nicht einmal vor Ort ist“, ist einer der Kritikpunkte, der zumindest bei ausgeschaltetem Mikro vorgebracht wird. Von oben herab diktiert, ein Geschenk für den Professor, zu dezentral, unnütz – all das wird auch über die Sterzinger Neuro-Reha erzählt. „Warum sollen funktionierende Reha-Abteilungen geschwächt werden, damit Sterzing genügend Patienten bekommt“, fragt ein Arzt. „Warum kann jemand aus Innichen nicht weiterhin in Bruneck behandelt werden?“
Ganz offensichtlich sind es nicht nur die Geburtenstationen, die auch unter Südtirols Ärzteschaft Glaubenskriege auslösen. Leopold Saltuari kann diese Diskussion aber nur so weit nachvollziehen als er „verstehen kann, dass die Ärzte der betroffenen Reha-Abteilungen nicht glücklich über das Sterzinger Projekt sind“. Darüber hinaus beurteilt er die Tatsache, dass es in Südtirol derzeit fünf Reha-Stationen mit jeweils 12 bis 15 Betten gibt als „absurd und europaweit einzigartig“. „Geburtenabteilungen sollen geschlossen werden, wenn sie weniger als 500 Geburten haben“, führt er ins Feld. „Doch bei einer solchen Bettenanzahl kommt man in den Rehas auf gerade einmal 50 bis 60 Patienten im Jahr.“ Eine Zahl, die weder für eine fachlich hochwertige Ärzteausbildung noch als ökonomisch sinnvolle Basis ausreicht, sagt der Primar. Berücksichtige man, dass auf den Reha-Abteilungen außerhalb von Sterzing neben neurologischen Patienten auch noch andere Pathologien behandelt werden, verstärke sich die Problematik, führt er ins Spiel.
Schicksaltage für Sterzing
Ob sich die der Landeshauptmann und die Gesundheitslandesrätin davon überzeugen lassen, hängt auch von den Plänen für das Krankenhaus Sterzing ab. Das ist auch Leopold Saltuari klar. „Mein Eindruck ist, dass die Landesregierung durchaus verstanden hat, dass man vor allem für schwere Fälle, die eine Überwachung und sehr viel ärztliche Kompetenz brauchen, ein Neuroreha-Zentrum für Südtirol aufbauen muss“ sagt er. Die lange zögerliche Haltung in der Frage erklärt sich der wissenschaftliche Leiter des Sterzinger Projekts aber vor allem mit der Fragestellung, „ob dieses tatsächlich in einem relativ peripherem Krankenhaus angesiedelt werden soll, in dem noch unsicher ist, ob und in welcher Art es fortgeführt werden soll“. Saltuari selbst hat laut seinen Aussagen beim Treffen mit der Landesregierung seinen Glauben an den Standort Sterzing erneut unterstrichen. „Ich habe allerdings auch eingeräumt, dass ich auch eine Verlegung der Struktur in ein anderes Krankenhaus als möglich erachte, falls man vorhat Sterzing zu schließen“, meint er. Sicher ist für den Professor, dass eine Entscheidung nun überfällig ist. „Ich bin auch nicht böse, wenn ich ein klares Nein erhalte“, sagt er. „Mittlerweile wäre ich fast erleichtert, wenn die Sache endlich ein Ende findet.“