Ein weiß-blaues Wunder?
Knapp eine Woche ist es her, seit in München die letzte Maß auf dem Oktoberfest ausgeschenkt worden ist. Seitdem wird auf der Theresienwiese abgebaut, dementsprechend traurig und schwermütig schaut es dort jetzt nach zwei Wochen feiern aus. Ähnlich sieht es jetzt wohl aktuell in der CSU-Parteizentrale aus. Nach der Landtagswahl steht die Volkspartei vor einem Scherbenhaufen, zehn Prozentpunkte weniger als vor vier Jahren, von den Grünen in den Großstädten überholt, die absolute Mehrheit futsch. Das ist eigentlich eigenartig. Denn zumindest was Lebensqualität und Wohlstand anbelangt, steht Bayern eigentlich phantastisch dar. Arbeitslosigkeit ist in vielen Regionen ein Fremdwort, die Einkommen sind auf einem Rekordniveau, die Jobperspektiven für junge Erwachsene, Facharbeiter und auch Akademiker exzellent. Insofern stimmt der alte Spruch von Bill Clinton nicht mehr, dass die Wählergunst von der wirtschaftlichen Lage abhängt: „It’s the economy, stupid!“. No it’s not. Das war schon letztes Jahr bei der Bundestagswahl so. Ist das Ergebnis also nur die Schuld der Flüchtlingspolitik? So einfach funktioniert das meines Erachtens nicht. Woran hat’s gelegen?
Angefangen hat es bereits letzten Herbst. Die Zeit nach der Bundestagswahl bis zum Stabwechsel in der Staatskanzlei im April war pures Chaos. Anstatt frühzeitig einen klaren Schnitt zu machen und den überfälligen Personalwechsel durchzuführen, gab es Grabenkämpfe. Die CSU ist zerstritten und mit einem Führungsproblem in das Wahljahr gestartet und hat sich erst im April so richtig gefangen.
Gerade rechtzeitig, damit die völlig inspirationslose Bundesregierung mit CSU-Beteiligung starten konnte. Bundesinnenminister und Parteichef Seehofer hat sich in den letzten Monaten mehr als einmal wie die sprichwörtliche Axt im Wald benommen, ganz besonders in Fragen der Flüchtlingspolitik. In Berlin gefühlt jede Woche einen neuen Streit vom Zaun brechen und die Regierungsarbeit zum Erliegen bringen, kommt zwischen Berchtesgaden und Hof aber nicht an. Hinzu kommt ein bayerischer Verkehrsminister, dessen Positionen in der Umweltpolitik und im Dieselskandal nur mit großer Kreativität der Mehrheit der Menschen zu vermitteln ist.
Dann der Wahlkampf. Den plötzlichen Schwenk der Partei in Richtung erzkonservativer bzw. rechter Positionen haben nur die Allerwenigsten geglaubt. Die Verpflichtung, in öffentlichen Gebäuden Kreuze aufzuhängen? Bayerisch-Unterricht in der Schule? Come on. Fakt ist: Die CSU ist in ihrer inhaltlichen Breite eine Partei der Mitte. Nicht umsonst beklagen laut Bayerischem Rundfunk 47 Prozent der Wähler, dass die CSU ihre christlichen Werte aufgegeben hat. Der Versuch, sich als AfD-Light anzubieten waren durch die Bank unglaubwürdig. Und wer wählt schon gerne unglaubwürdige Politiker? Das hat auch Söder im Wahlkampf irgendwann erkannt und seinen Kurs geändert – das kam aber zu spät.
Die CSU ist aber natürlich nicht nur Söder allein. Ich habe in den letzten Monaten einige CSU-Kandidaten bei in Diskussionsrunden getroffen. Was ich oft festgestellt habe: Gerade bei den Mandatsträgern hat das Feuer gefehlt, die Leidenschaft. Als Wähler hätte mich das nicht angesprochen, mal ganz unabhängig von Inhalten und Parteizugehörigkeit. Anders die Grünen. Beide Spitzenkandidaten Hartmann und Schulze treten charismatisch auf und sind von ihren Ideen überzeugt. Sie waren (und sind) echt – wo wir wieder beim Thema Glaubwürdigkeit wären.
Ein weiß-blaues Wunder? Eher ein Ergebnis mit Ansage.