Economia | Wohnungsnot

Ist ein leistbares Wohnen eine Utopie?

Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Wer obdachlos ist, steht nicht zufällig am Rande der Gesellschaft. Die Mieten steigen und steigen, und das nicht nur in Südtirol, sondern in allen europäischen Großstädten.
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Foto: housebuilding-1005491_1280
  • Die Lage wird immer schlimmer, weil sich die Gesellschaft und die Demografie verändern.

    Wir reden schon seit drei Jahrzehnten über bezahlbaren Wohnraum. Dabei wird es immer schlimmer. Es gibt leider keine schnelle Lösung für derart komplexe Probleme.

    Da treffen die Interessen der Grundstückseigentümer, der Baubranche und der Hausbesitzer auf die der Bürger, die bezahlbaren Wohnraum fordern.

    Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Und dann gibt's noch die Nachfrage nach Zweitwohnungen in Urlaubsgebieten und die kurzfristige Vermietung über Plattformen, die den Markt zusätzlich beeinflussen.

    Die Unternehmen wollen natürlich auch Unterkunftsmöglichkeiten für die Arbeiter, die von außerhalb kommen. Und auch die Studierenden suchen nach einer geeigneten Unterkunft.

    Was bis in jüngster Vergangenheit hauptsächlich ein Problem der ansässigen Bevölkerung war, entwickelt sich langsam zu einem Problem, das auch die gesamte Wirtschaft betrifft. 

    Es ist wichtig, dass sowohl die öffentliche Hand als auch die privaten Akteure handeln. Wir benötigen sowohl öffentliche als auch private Investoren.

    Wir müssen den Bau von Sozialwohnungen ankurbeln, weil der Bedarf weiter zunehmen wird. Aber auch der soziale Wohnungsbau stößt an seine Grenzen. Viele werden daher auch in Zukunft gezwungen sein, sich auf dem privaten Mietmarkt umzusehen.

    Und hier sind die Privaten gefragt. Besonders der Mittelstand muss hohe Mieten zahlen oder sich für den Kauf einer Wohnung verschulden.

    Dies kann zu finanziellen Schwierigkeiten führen, vor allem, weil die Zinsen noch hoch sind. Wir sollten uns deshalb fragen, ob es wirklich besser ist, eine Wohnung zu kaufen, statt sie zu mieten.

    Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir in Südtirol einen sehr hohen Anteil an Eigentumswohnungen.

    Klar, eine Immobilie ist eine Investition, kann aber auch zum Problem werden.

    Durch die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt müssen viele Menschen flexibel sein, auch was den Arbeitsort betrifft. Eine Wohnung mit Kredit kann hier hinderlich sein. Junge Menschen müssen daher abwägen, was für sie am besten ist.

    Auswärtige ArbeitnehmerInnen hingegen besetzen die freien Jobs. Diese Zuwanderer benötigen bezahlbaren Wohnraum. Wir benötigen also mehr Mietwohnungen. Politische Entscheidungen sind da nur ein Teil der Lösung.

    Hohe Mieten führen nämlich dazu, dass die Bereitschaft steigt, auch eine relativ hohe Verschuldung einzugehen. Und auch die öffentlichen Beiträge spielen da eine Rolle.

    Das ist ein allerdings ein heikles Thema. Ein radikaler Schnitt ist weder möglich noch gerecht. Viele Beiträge erstrecken sich über mehrere Jahre. Man denke nur an die Mietbeiträge.

    Es ist nicht so einfach den neuen Antragsstellern klarzumachen, dass die Mittel auf andere Art verteilt werden, während die bestehenden Verträge bis zu deren Ablauf finanziert werden.

    Andererseits fördern öffentliche Mittel die Nachfrage.

    Wenn das Angebot gering ist und die Nachfrage steigt, steigen auch die Preise. Das ist nun mal Marktwirtschaft. Auch wenn der Staat die Mieten gesetzlich regulieren würde, würde das kaum was bringen.

    Die Leute würden einfach gezwungen schwarz Vorauszahlungen zu leisten und viele Hausbesitzer würden über Plattformen noch mehr Kurzmieten anbieten.

    Die Lage ist verfahren, und es ist objektiv schwierig, eine einfache Strategie zu finden. Dabei ist eine angemessene Wohnung nämlich nicht nur wichtig für die Lebensqualität, sondern auch für die Kaufkraft und das Einkommen der Bürger und dafür, dass Fachkräfte nicht abwandern als auch für die Suche nach Personal von außen.

    Wir müssten eigentlich mehr Wohnungen bauen und bestehende sanieren. Aber wir haben nicht unbegrenzt Platz, also müssen wir auch sparsam mit dem Boden umgehen. Und wir dürfen auch nicht die Bauzeit vergessen. Der Markt wird die Situation von sich aus wohl kaum verbessern.

    Wir müssen etwas tun, und dafür benötigen wir verschiedene Maßnahmen. Politik und Sozialpartner müssen gemeinsam mutige Schritte tun. Politik, Gewerkschaften, Organisationen der Mieter und der Vermieter, Wirtschaftsverbände und interessierte Bürger sind gefordert.

    Die sollen der Politik Vorschläge machen. Seit Jahrzehnten wird über die Wohnbauförderung diskutiert, aber bisher waren die Maßnahmen nicht wirklich wirksam.

    Oftmals beschränkten sie sich auf Korrekturen.

    Die aktuellen Projekte zu den Änderungen des Gesetzes für den geförderten Wohnbau wären eine gute Gelegenheit, gemeinsam was zu bewegen.

    Auch sollten eventuelle positive Erfahrungen aus anderen Regionen oder Städten überprüft und, wenn sinnvoll, in ein verbessertes Wohnbaugesetz einfließen. Wir aber müssen baldigst an einer beliebigen Stelle anfangen und dann konsequent weitermachen, denn eine allumfassende Lösung wird es kaum geben.

    Die Themen sind nun mal sehr komplex. Wir müssen also Schritt für Schritt vorgehen und an verschiedenen Fronten ansetzen. Wir benötigen vorrangig viel Mut, denn es wird schwierig sein, alle zufriedenzustellen. Unser Ziel ist es, einen möglichst breiten Konsens zu finden.

    Wir dürfen aber nicht sofort weitreichende Lösungen erwarten, denn wir können nicht garantieren, dass wir kurzfristig alle unsere Ziele erreichen.

    Alfred Ebner