Cultura | Salto Gespräch

Die Musik zur Geschichte...

Der Liedermacher Voodoo Jürgens lässt die Musik zu seinen wienerischen Texten im Hotel Amazonas entstehen. Salto hat ihn bei seiner Arbeit zum neuen Album besucht.
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Foto: Foto: Salto.bz

Salto.bz: „Wir arbeiten an einem neuen Kapitel“ haben Sie am vergangenen Sonntag, nach Ihrem Privatkonzert in Unterwangen gesagt. Wie soll das neue Kapitel aussehen? Wie sich anhören?
Voodoo Jürgens: Die Lieder des neuen Albums verweben sich mit den Geschichten des ersten Albums, es sind Geschichten die weiter- oder zurückerzählt werden. Die Texte dazu sind zum größten Teil fertiggestellt. Hier arbeiten wir an der Musik und der Instrumentierung der Lieder. Grundsätzlich entstehen die Melodien im Nachhinein.

Wie musikalisch war Ihre Kindheit?
Musikalisch hat das bei mir spät begonnen. Ich komme aus einer Sportlerfamilie, mein Großvater war ein sehr guter Fußballspieler. Auch ich spielte im Verein, besuchte die Sporthochschule, war später ein sehr aktiver Skateboardfahrer. Meine Mutter hatte zwar früher Gitarre gespielt und wollte immer dass ich auch mit dem Gitarrespielen beginne – solange sie das aber wollte, habe ich mich immer verweigert. Als es mit dem Skateboardfahren vorbei war, begann ich mit dem Gitarrespielen, das war so mit 15 Jahren, in der Zeit, als ich die Lehre zum Konditor begonnen habe. 

Sie kommen aus Tulln, einem Ort in unmittelbarer Nähe zu Wien. Ihr Durchbruch kam mit Liedern im Wiener Slang. Gibt es sprachliche Unterschiede zwischen Wien und Tulln?
Sprachlich gesehen nicht. Vielleicht ist Tulln etwas provinzieller, ländlicher und es kommen neue Worte hinzu, die ich in den Liedern auch verwende. Zudem waren die Bekannten meiner Eltern auch Wiener. Vom Sound her und vom Sprachgebrauch sind meine Songs dort verortet, im Wienerischen von damals.

Tulln: Voodoo Jürgens 

Wie fühlt sich das an, wenn Sie heute als "Ur-Wiener" in Tulln auftreten?
Das ist komisch für mich, denn ich verbinde mit Tulln nicht besonders schöne Jahre, ich habe Tulln gehasst. Heute kommen die Leute ins Konzert und feiern ihren verlorenen Sohn.

Vom Konditor zur Liedermacherei auf der Gitarre – ich sehe einen ähnlichen biografischen Hintergrund wie beim Liedermacher Hans Söllner, der vor seiner musikalischen Karriere Koch gewesen ist…
Ja, schon. Der hat ja durch seinen bayrischen Reggae in Österreich wie in Deutschland eine ganze Szene geprägt, ja sogar begründet. Ich hab ihn mal früher in Tulln bei einem Konzert gesehen.

Was hat Sie motiviert, selbst Musik zu machen?
Das waren die frühen Alben von Tocotronic. Diese Musik war für mich sehr greifbar und ich dachte mir: So kann ich auch spielen.

Wo ist das neue Album thematisch beheimatet?
Ich habe inhaltlich noch keinen roten Faden zwischen den verschiedenen neuen Texten finden können, außer vielleicht das Thema Angst. Mir ist aufgefallen, dass dieses Thema in meinen Texten mehrmals aufflackert - die Angst der Leute. Eine Nummer wird sich auch Angst ham nennen. 

Was sind Ihre Ängste?
Ganz klassisch: Vor dem Sterben, vor der Zukunft…

…vor Album Nummer Zwei?
Es ist schwierig, vor allem weil das erste Album so gut angekommen ist. Es wäre gelogen wenn ich sagen würde: Das ist einem komplett egal. 

Musikalisch orientiere ich mich eher am Balkan, als an Stubenmusik...

Woher nehmen Sie die Figuren zu Ihren Texten?
Die beziehen sich häufig auf Geschichten im Bekanntenkreis meiner Eltern. Ich hab mich immer schwer getan, bei Liedern, die komplett erfunden sind, mit der Namensgebung der Figuren. Ein Name hilft aber, für das Bild der Figur. Erst dann kann ich gut die Geschichten dazustellen.

Gitti: Voodoo Jürgens featuring Eva Billisich 

Ihre Milieustudien lassen tief blicken…
Ich fühle mich zu meinen Figuren dazugehörig und sehe das Ganze nicht von außen. Es ist dennoch ein schmaler Grat, wenn ich über andere Leute singe, da ich mich ja nicht über sie lustig machen will. Wichtig ist mir, dass die Texte nicht entwürdigend sind. Kritik kommt eher von der bürgerlichen Seite, etwa wenn Leute sagen: Wie kann man nur? Das ist doch Sozialporno.
Aber ja, ist halt eine Meinung. Für mich ist es sehr logisch, mit dem was zu machen, was ich sehe und was mir nahe ist. Es muss sich dann etwas herauskristallisieren. Und Ironie ist da schon hilfreich.

Ihre Texte überzeugen sogar die Literaturkritik. Wie erklären Sie sich das?
Ich freue mich immer, wenn meine Texte auch von literarischer Seite ernst genommen werden. Dabei ist es eigentlich komisch, weil ich zum Deutschunterricht meiner Kindheit eher negative Verbindungen habe. Als Legastheniker wurde ich früher häufig mit Nachsitzen bestraft.
Das Geschichtenschreiben hat mir hingegen immer Spaß bereitet, auch wenn die vielen Rechtschreibfehler deprimierend waren.

Warum arbeitet Voodoo Jürgens in Südtirol an der neuen Platte?
Ich wollte mich ein wenig abschotten. Da wo ich herkomme, da ist natürlich immer viel los und man muss verfügbar sein. Bandkollege David Schweighart erzählte mir, dass er schon einige Male hier am Aspmayr Hof war und ich fand es vernünftig irgendwo hinzugehen, wo wir in Ruhe an der Musik arbeiten können. Das Landleben hier erinnerte mich auch irgendwie sehr an meine Kindheit.

Wie lange arbeiten sie bereits zusammen?
Seit der ersten Platte. Er war das erste Mitglied der Bandformation.

Sie haben auch viele Jahre die Indie-Band "Die Eternias" geprägt. Der große Erfolg ist ausgeblieben?
Das war eine andere Truppe. Wir haben mit großem Engagement gearbeitet, haben uns überlegt wie man was ins Rollen bringen kann und wie wir uns präsentieren. Erst nachdem ich mich dann komischerweise ein wenig zurücknahm und die Sachen lockerer gemacht habe, kam der Erfolg. 

Wie lebt es sich als erfolgreicher Liedermacher?
Es ist wie ein Rausch, es verändern sich Dinge, Leute werden anders, viele wollen mit einem zu tun haben. Vorher habe ich eine Zeit lang sehr isoliert gelebt, war nur am Schreiben und bin kaum fortgegangen. Dann änderte sich alles schlagartig. Aber das wollte ich ja im Endeffekt. Ich kann nun herumfahren und verdiene im Optimalfall Geld damit. 

Voodoo Jürgens auf der Bühne, David Öllerer ​als Privatperson. Wie fließen Ihre Identitäten ineinander?
Es ist schon eine Grenze die man zieht, nach außen. Der Name war bereits Teil meiner früheren Band und ist aus einer Blödelei heraus entstanden. Wir haben uns da häufig beim Email-Schreiben untereinander mit dem Namen eines Prominenten verabschiedet. So kam es eben zu Voodoo Jürgens. Kurz trug ich auch mal den Namen Judo Jürgens.