Aus zwei mach eins
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Als Pressekonferenz nahm sich der Medientermin etwas stark aus, aber „Maestro“ Giorgio Battistelli unterbricht man nicht, beim lauten Nachdenken zu seinem Lieblingsthema, der Musik. Mit Battistelli auf die Studiobühne kamen Präsident der Haydn Stiftung Paul Gasser, Generaldirektorin der Stiftung Monica Löss und Regisseurin Valentina Carrasco. Gemeinsam war man bemüht den Mehrwert der erstmaligen Zusammenführung der Felder Sinfonik und Oper zu unterstreichen, die zumindest in den nächsten beiden Jahren in einem gemeinsamen Programm gefasst werden sollen.
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Dafür, dass er eigentlich nur „3 Minuten“ Zeit habe, nahm sich Giorgio Battistelli auch großzügig Zeit, um hinter die Kulissen der bloßen Terminplanung blicken zu lassen. Den Langzeitzielen und der Philosophie hinter der Ausrichtung des Haydn-Orchesters, der Zusammenarbeit mit musikalischem Leiter Ottavio Dantone, sowie mit den diversen Gastdirigenten wurden ebenfalls laut gesprochene Gedanken geschenkt. „Manchmal ist da etwas mehr, eine spirituelle, intellektuelle und kulturelle Komplizenschaft, beim gemeinsamen Arbeiten an einem Projekt. Das ist sehr selten. Deswegen sehe ich das Haydn als ein lebendiges Orchester an.“ Leider gebe es in Italien auch viele Orchester, die mit dem Überleben beschäftigt seien. Das Haydn mache Angebote, reagiere und sei auch proaktiv. Dem Jahr stellt man, in Bozen wie in Trient, neben dem Leitspruch „Polyphonie der Gedanken - als neue Sinnesreise in die Welt des Hörens und Sehens“ - das Motto „Krieg und Frieden“ als eine Art „semantischer Vektor“ durch die Saison hindurch zur Seite. Immer wieder sollen sich Sätze aus dem Werk Lew Tolstois Platz als Denkanstoß für das Publikum finden, das Maestro Battistelli lieber mit Fragen als Antworten nach Hause schicke.
Auftakt der Konzert- und Opernsaison 2024/25 wird am 1. Oktober (20 Uhr, Konzerthaus Bozen) sein, esübernimmt der bisherige Chefdirigent und neue musikalische Leiter, Ottavio Dantone, dessen Rolle Battistelli nicht in Antagonismus zu seiner eigenen sehen will. Für das Eröffnungskonzert tritt Dantone mit Unterstützung von Benedetto Lupo am Klavier ans Dirigentenpult. Am Plan stehen Mozarts Konzert für Klavier und Orchester Nr. 19 in F-Dur, sowie Haydns. Symphonie Nr. 104 in D-Dur, die Londoner Symphonie.
Aus Termingründen nicht physisch anwesend, ließ Dantone eine Videonachricht abspielen, die ihn vertreten sollte. Darin gab er auch bekannt, dass das Haydn auch in Zukunft regelmäßig ein Stück von Haydn „als kleinen Cameo spielen wird, weil er es sich verdient“. Nach Abschluss der Londoner Symphonien darf man sich damit auf weitere symphonische Werke des Namenspatrons freuen. Unter den rund 30 Konzertterminen in der kommenden Spielzeit ist sicher auch der erste Operntermin, gedoppelt am 9. und 10. November, ein ausgesprochen spannendes Stück, mit dem Battistelli auch die Hörgewohnheiten des Publikums herausfordern möchte: Die beiden Zeitgenossen Arnold Schönberg und Giacomo Puccini treten in den Dialog, mit dem Pierrot Lunaire und Gianni Schicchi auf der anderenSeite, in einer Neuinszenierung.
Giorgio Battistelli ist es wichtig zu unterstreichen, dass nur scheinbar große Distanz zwischen beiden Interpreten besteht und sich, vielmehr, eine große Nähe ausmachen lässt, wenn man in Briefen und Tagebüchern liest. Teilte man auch mitnichten die musikalische Sprache, so kannte und schätzte man sich doch auch. Gastdirigent Thomas Dausgaard beauftragt man mit anderem Brückenbau. Ihm wird an der Spitze des Orchesters die Nord-Ost-Passage anvertraut, die die historische Aufführungspraxis auch um bekannte Komponisten der Neuzeit erweitert.
Als lebendiges und nicht nur überlebendes Orchester leistet man sich auch eine Künstlerresidenz von Fabio Cheristich, der die Regie für den Barbiere di Sevilla am 31. Jänner und 2. Februar (in Trient) übernimmt, sowie ein Auftragswerk: Die Komposition Marco Uviettas „Wandering“, eine Hommage an Luciano Berio wird am 22. und 23. (abermals Trient) zur Aufführung kommen. Unter der Leitung von Yutaka Sado, der für einfühlsame Klangstudien bekannt ist, wird das Werk gemeinsam mit Schuberts unvollendeter 8. Symphonie aufgeführt werden.
Für den künstlerischen Leiter machen solche kreativen Projekte den Wettbewerbsvorteil des Haydn aus, mit dem immer wieder auch namhafte Dirigenten für das Orchester gewonnen werden können. Niedrig hält man nach wie vor die Quote an weiblichen Komponistinnen, die beiden, die sich im Programm ausmachen lassen sind dafür allerdings noch am Leben: Camille Pépin und Silvia Colasanti stechen so noch einmal mehr aus der historisch männlichen Riege ihrer Kollegen hervor, zumal auch ihre Portraits sichtbar nicht in Kupfer gedruckt wurden, was sie aus der Köpfe-Collage herausstechen lässt. Colesantis „Cede pietati, dolor - Le anime di medea“ ist am 10. und 11. Dezember eingeplant (Leitung: Donato Renzetti), Pépins „La Source d’Yggdrasil“ wird, als italienische Erstaufführung am 21. Jänner kommenden Jahres unter Leitung Diego Cerettas aufgeführt, für alle die sich vergewissern wollen, dass sie die Einzeltermine nicht verpassen.
Das vollständige Programm kann auf der Webseite der Stiftung eingesehen werden.