Politica | Die Corona-Folgen

Corona-Krisenlasten gerecht verteilen

Statt Eurobonds zu begeben könnte die EZB die Corona-betroffenen Staaten auch direkt finanzieren. Zudem könnten Vermögende mit einer Ausgleichsabgabe einbezogen werden.
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Italien wird für die beiden Hilfspakete Cura Italia mindestens 50 Mrd. Euro an Soforthilfen an Unternehmen, Selbstständige, Familien und Arbeitslose ausschütten, und über diesen Hebel ein Vielfaches davon – die Rede ist von 750 Mrd Euro – an staatlich abgesicherter Liquidität in die Wirtschaft pumpen. Mittelfristig wird die Krisenbewältigung den Staat noch deutlich mehr kosten. Schon jetzt ist absehbar, dass die italienische Staatsverschuldung von heute 136% auf gut 150% des BIP ansteigen wird. Wer soll die Corona-Rechnung bezahlen?

Neuverschuldung ist der schnellste, einfachste und zu Notzeiten unumgängliche Weg der Staatsfinanzierung. Die zusätzlichen Staatsschulden müssen irgendwann wieder abgebaut werden, denn wenn die Zinsen später wieder steigen, belasten sie Haushalt und Bürger enorm. Diese Lasten sind nur scheinbar verteilungspolitisch neutral. Die Zinsen bereichern einerseits vor allem Großinvestoren im In- und Ausland, kaum die Kleinsparer, noch weniger die Nicht-Vermögenden. Auf der anderen Seite entziehen Zinsendienst und Tilgung dem Staat Ressourcen für dringend benötigte Infrastrukturen, für Pflege, Gesundheit und Sozialleistungen. Bleibt der Staat zu hoch verschuldet, entstehen nicht nur neue Risiken auf den Finanzmärkten, sondern drohen auch Einschnitte in die öffentliche Daseinsvorsorge.

Zum Glück ist Italien im Eurosystem, was der EZB die Möglichkeit gibt, diese Neuverschuldung mitzutragen. Das tut die EZB weiterhin massiv, indem sie die Staatsanleihen der Mitgliedsländer aufkauft, die Zinsen darauf bei fast Null und damit hochverschuldete Staaten über Wasser hält. Nach Kriegen und Naturkatastrophen haben Notenbanken immer so gehandelt. Danach begann die Phase der Erholung und der Schuldenstand konnte wieder zurückgefahren werden. Das wird auch in der Post-Corona-Zeit anstehen.

Nun haben es die südlichen Euroländer nicht geschafft, „Corona-Bonds“ durchzusetzen. Die Vergemeinschaftung der Schulden ist in der EU noch nicht mehrheitsfähig. Nicht so tragisch, denn direkte Staatsfinanzierung durch die EZB ist ohnehin den Eurobonds vorzuziehen. Heute wird das geltende Verbot der Staatsfinanzierung elegant umgangen, indem die EZB am Sekundärmarkt den Banken und Fonds Schatzpapiere abkauft. Kostengünstiger wäre es, wenn die EZB direkt die Staatsanleihen übernähme, wie es z.B. die US-Notenbank tut. Dadurch würden die Staatshilfen den profitorientierten spekulativen Finanzmärkten entzogen. Dies hätte bei einer derartigen Krise nicht nur proportional zur Wirtschaftsleistung der Euroländer zu erfolgen, sondern auch gemäß den besonderen Lasten, die der jeweilige Staat wegen Corona zu tragen hat.

Wie werden die neuen Schulden mittelfristig abgebaut? Mit einer kaum mehr wachsenden Wirtschaft kann Italien 150% Schulden aufs BIP nicht so schnell zurückfahren. In einer solchen Krise ist Solidarität gefragt, sowohl unter den EU-Staaten als auch unter den Bürgern. Der jetzige Aufruf der Regierung in Rom, für das Gesundheitssystem zu spenden, wird es kaum richten. Jene, die mehr zu den Krisenkosten beitragen können, müssen jetzt diese Chance erhalten, und zwar mit einer Vermögensabgabe. Mario Monti hatte 2011 die GIS eingeführt, inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Die EU könnte flächendeckend die Transaktionssteuer auf den Kapitalmärkten einführen. Zusätzlich müssen Länder wie Italien an Vermögenssteuern denken. Die deutsche Lastenausgleichsabgabe nach dem 2. Weltkrieg hat gezeigt, dass dies gut funktioniert: eine relativ gleichmäßig auf die Familien verteilte Vermögensabgabe, die sich mehr oder weniger aus den Kapitalerträgen finanzierte. Heute wäre eine Vermögensabgabe für die Reichsten nur ein kleines Korrektiv zur ständig wachsenden Konzentration der Vermögensverteilung in den letzten Jahrzehnten. Immerhin halten 630.000 Haushalte in Italien mehr als 500.000 Euro an Finanzvermögen. In Südtirol halten 11% der Haushalte ein Gesamtvermögen im Umfang von über 800.000 Euro (vgl. Atz/Haller/Pallaver, Ethnische Differenzierung und soziale Schichtung, 2016, 211). Trotz hoher Vermögenskonzentration hat Italien eine ziemlich tiefe Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung. In Südtirol ist die Vermögenskonzentration zwar etwas geringer ausgeprägt, aber deutlich höher als in den nördlichen Nachbarregionen. Südtirol kann gemäß Autonomiestatut in Übereinstimmung mit dem staatlichen Steuersystem zusätzliche Abgaben einführen, könnte die Corona-ZusatzLasten und die krisenbedingten Einnahmenausfälle für den Landeshaushalt aber auch über Anleihen finanzieren. In Italien sieht es anders aus:  der Staat muss seine nach der Krise sicher auf 2500 Mrd. Euro angewachsenen Schulden auch wieder abbauen. Das geht nur über höhere Steuern. Um die Diskussion einer Corona-Lastenausgleichsabgabe seitens des vermögenderen Teils der Bürger wird Italien nicht herumkommen.

Ein einmaliger Lastenausgleich der Reichsten – so wie ihn ATTAC für Österreichs Millionäre fordert – ist angemessen: eine bis zu zehn Jahre geltende jährliche Solidaritätsabgabe, die nur Haushalte mit mehr als einer halben Million an Vermögen träfe, sollte am besten EU-weit eingeführt werden, um die enormen Ausgaben für die Krisenbewältigung gegenzufinanzieren. Der Corona-Lastenausgleich flösse nicht nur in die Krisenbewältigung, sondern auch in Investitionen in Bildung, Pflege, Gesundheit und nachhaltigen Klimaschutz. Jene, die es sich leisten könnten, würden einen gerechteren Anteil zur Bewältigung der Krise beitragen. Prof. Gottfried Tappeiner hat in der FF 14-2020 gemeint, „dass manches, was bisher politisch heilig war, jetzt über Bord geschmissen wird“. Direkte Staatsfinanzierung und Vermögensabgabe mögen zwar nicht heilig oder tabu sein, politisch beliebt sind sie sicher nicht. In besonderen historischen Notlagen Situationen können sie aber sozial und ökonomisch Sinn machen.

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m s Ven, 04/17/2020 - 21:45

Danke Herr Benedikter, sehr guter Beitrag. Vielleicht wird zukünftig auch ein bedingungsloses Grundeinkommen ein Thema? Ein gewisses Schrumpfen der Wirtschaft wäre angesichts der Klimawandelproblematik sogar wünschenswert. Die Grundbedürfnisse der Menschen müssten allerdigs garantiert werden. Also insgesamt Einschränkung aber ohne Gefahr zu verhungern oder kein Dach über den Kopf mehr zu haben, um es überspitzt zu formulieren.

Ven, 04/17/2020 - 21:45 Collegamento permanente