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Mut zu mehr Autonomie

“Es gibt durchaus Spielraum, sofern der politische Wille vorhanden ist”, sagt Thomas Benedikter in Hinblick auf die laufende Überarbeitung des Autonomiestatuts.

Zum zweiten Mal sitzen am heutigen Samstag die Mitglieder des Forum der 100 beisammen. 51 Frauen und 49 Männer bilden jenes Gremium, das den Konvent der 33 während der gesamten Arbeitsphase beratend zur Seite steht. Voraussichtlich bis Mitte 2017 wird im Rahmen des Autonomiekonvents an einem Empfehlungsdokument für den Landtag gearbeitet werden, welche Form und Inhalte die Reform des Autonomiestatuts annehmen soll. Wie mutig sollen die Konvent-Teilnehmer dabei sein? Sollen sie auf Nummer Sicher gehen und einen Entwurf im Rahmen dessen, was realpolitisch möglich ist, ausarbeiten? Oder einen Schritt weiter gehen und ein Idealbild von dem, was die Autonomie sein könnte, ausarbeiten?


Vieles ist möglich

“Ich bin für die Maximalforderung: eine Vision, die realisierbar ist”, sagt Oskar Peterlini. Der Ex-Senator und nunmehrige Universitätsprofessor ist einer der zehn Experten und Politiker, die im Buch “Mehr Eigenständigkeit wagen: Südtirols Autonomie heute und morgen” zu Wort kommen. Geschrieben wurde das Werk, das am Freitag (17. Juni) Vormittag in Bozen vorgestellt wurde, von Thomas Benedikter, Herausgeber ist POLITiS, unabhängiger Verein für politische Bildung und Studien. Mit seiner Publikation will Benedikter einen Beitrag zur Diskussion im Autonomiekonvent leisten und Impulse geben. “Viele der zahlreichen Menschen, die am Konvent mitgearbeitet und sich eingebracht haben, werden sich wundern, wie wenig von ihren Vorschlägen am Ende im Parlament übrig bleiben wird”, so die Bedenken Benedikters. Denn das letzte Wort über das Dokument, das der Konvent der 33 ausarbeitet, werden weder der Landtag und erst recht nicht die Bürger, sondern die Parlamentarier in Rom haben. “Verfassungskonforme Vorschläge für eine Anpassung und Erweiterung des Statuts und kein drittes Autonomiestatut”, lautet daher die vorsichtige Losung des Konvent der 33. Man will ja “keine falschen Erwartungen erwecken”.

Eine falsche Vorsicht, die nicht sein muss, schreibt Benedikter im Schlusskapitel seines Buches: “Zu oft werden im Sinne des ‘realistisch Machbaren’ die Leitplanken für Reformen zu eng gesetzt, denn die Politiker der Regierungsmehrheit schränken das in ihren Augen ‘Realistische’ nach taktischen Prioritäten a priori ein. Dabei geht es meist eher um den Machterhalt als um klare Leitlinien für politische Eigenständigkeit.” Davon solle man sich allerdings nicht entmutigen lassen, denn: “Für mehr Autonomie gibt es heute durchaus Spielraum, sofern der politische Wille vorhanden ist.”


Mut zu mehr Eigenständigkeit

In seinem Buch hat er eine Reihe von Vorschlägen gesammelt – “alle bewegen sich im Rahmen der Rechtsordnung” – und lädt die Konvent-Teilnehmer ein, “das Reformpotential mutig und offen auszuloten, ohne sich von der ‘Realpolitik’ zu enge Grenzen vorgeben zu lassen”. Ganz im Sinne von Oskar Peterlini, der am Freitag Vormittag bei der Buchpräsentation dabei ist. “Durch die aktuelle Verfassungsreform riskiert Südtirols Autonomie eine noch größere Ausnahme, zu einem Fremdkörper, eingebettet in ein zentralistisches System, zu werden”, befürchtet der Ex-Senator. Ebenso müsse Südtirol damit rechnen, Zuständigkeiten zu verlieren – trotz Schutzklausel, die “nur eine Übergangsklausel” ist, so Peterlini. Nicht zuletzt aus diesem Grund appelliert auch er, dem Leitmotiv und Titel von Benedikters Buch folgend, mehr politische Eigenständigkeit zu wagen.

Denn diese, so Benedikter, lasse im Falle Südtirols und seiner Autonomie, einer Teilautonomie, die auf das Jahr 1972 zurückgeht, noch stark zu wünschen übrig. Und zwar in mehrere Hinsicht: “Fehlende Zuständigkeiten, rechtliche Schranken, überholte Institutionen und neue Bedrohungen”. Die Eigenständigkeit, die Benedikter vorschwebt solle sowohl gegenüber Rom, aber auch gegenüber Trient und der EU eingefordert werden. Ebenso brauche es mehr eigenständige Entscheidungsfindung der Sprachgruppen in der Kultur- und Bildungspolitik, mehr demokratische Spielräume und Beteiligung für die Bürger in und an der Politik sowie eine Aufwertung des Landtags.