Economia | BBT
„Anschuldigungen massivster Art“
Foto: Bbt
Das Schreiben war ein Schock.
Am 27. Dezember 2018 schickt Georg Michael Vavrovsky einen Brief an den Vorstand der „BBT SE“. Der langjährige Eigentumsvertreter und amtierende Aufsichtsrat kündigt in dem Schreiben überraschend seinen sofortigen Rücktritt an.
Unmissverständlich heißt es in dem Schreiben:
„Da derzeit aber keine Anzeichen für eine Verbesserung der Situation erkennbar sind, das aktuelle Vorgehen jedoch meiner Vorstellung von einer professionellen und erfolgreichen Projektarbeit diametral widerspricht, sehe ich mich persönlich nicht mehr länger imstande, meine seit vielen Jahren ausgeübte Funktion als Aufsichtsrat der BBT -SE weiterhin aufrechterhalten zu können. Ich sehe in der derzeitigen Situation auch nicht, welchen werterhöhenden Beitrag meine Fachexpertise in das Projekt einzubringen in der Lage wäre.“
Spätestens nach diesem Rücktrittschreiben schrillen die Alarmglocken. Der Vavrovksy-Rücktritt ist nicht nur ein Weckruf für die österreichischen Aufsichtsratmitglieder, nach Informationen von salto.bz ist auch der EU-Beauftragte für den BBT, Pat Cox, vom Schritt des langjährigen BBT-Vertreters sichtlich mitgenommen.
Das liegt an der Person, die aus Protest gegen die Vorgangs- und Arbeitsweise des italienischen BBT-Vorstandes Raffaele Zurlo Anfang 2019 ihren Rücktritt einreicht. Denn mit Vavrovsky verliert das Jahrhundertprojekt einen der wichtigsten Mitstreiter der ersten Stunde.
Der Tunnelbauer
Der heute 69jährige Salzburger Bauingenieur Georg Michael Vavrovsky ist einer der renommiertesten Tunnelbauexperten im gesamten deutschsprachigen Raum. Nach Studien an der Technischen Universität Graz und der Montanuniversität Leoben arbeitet er im Schienen- und Tunnelbau in Österreich und Deutschland.
Im April 1989 wechselt Vavrosky in führender Position zum ÖBB. Bis 2004 ist er als Vorstandsdirektor der ÖBB-Tochter „HL – AG“ tätig und von 2005 bis 2012 als ÖBB-Vorstand. Seit Januar 2013 ist er „Senior Advisor“ für Großprojekte der „ÖBB - Infrastruktur AG“.
Vavrosky ist nicht nur an allen großen Bauprojekte der ÖBB in den vergangen zwei Jahrzehnten führend beteiligt, etwa den Ausbau der Westbahn (Wien-Innsbruck), der Südbahn (Wien-Klagenfurt) und der großen Bahnhöfe in Wien und in zahlreichen Landeshauptstädten, er ist auch Vorstandsmitglied der Österreichische Gesellschaft für Baurecht und Bauwirtschaft ( ÖGEBAU), der Forschungsgesellschaft Strasse - Schiene - Verkehr ( FSV ) und Ehrenpräsident der Österreichische Geomechanische Gesellschaft ( ÖGG ). Vavrovsky gilt als einer der bekanntesten Vertreter der sogenannten österreichischen Tunnelbau-Methode, die weltweit als führend angesehen wird.
Vor allem aber ist Georg Michael Vavrovsky im Projekt Brennerbasistunnel einer der Männer der ersten Stunde. Der Bauingenieur war Mitglied der Planungsgruppe, er saß bis 2012 für den ÖBB als Eigentümervertreter in der BBT-SE und ist danach als Aufsichtsrat eine der treibenden Kräfte des transnationalen Eisenbahnprojekts.
Dass Vavrovsky zum Jahreswechsel 2018/19 plötzlich als BBT-Aufsichtsrat zurücktritt, hat einen klaren Grund: Die Vorwürfe des italienischen Vorstands Raffale Zurlo gegen den österreichischen Vorstand Konrad Bergmeister werden so massiv, dass sie eine konstruktive Zusammenarbeit auf Augehöhe unmöglich machen und damit die Abwicklung des gesamten Projektes ernsthaft in Frage stellen.
„Die einseitig vorgebrachte Auseinandersetzung im Vorstand birgt ein immenses Risiko für das Image sowohl der europäischen Projektgesellschaft BBT-SE als auch des Gesamtprojektes“, warnt Vavrovsky in seinem Schrieben bereits vor acht Monaten.
Unterschiedliche Traditionen
In seinem zweiseitigen Rücktrittsschreiben erinnert der ÖBB-Vorstand einleitend an die Rahmenvereinbarung zwischen Österreich und Italien für die Bauphase. 2010/2011 führte Georg Michael Vavrovsky in seiner damaligen Funktion als ÖBB-Eigentümervertreter umfangreiche Abstimmungsgespräche mit den beiden Vorstandsmitgliedern Raffaele Zurlo und Konrad Bergmeister.
Einer der zentralen Punkte in diesen Gesprächen waren dabei die in Italien und Österreich sehr unterschiedlichen auf Fachkenntnis und spezifischen Erfahrungen beruhenden Formen der Vertragsgestaltung, Risikoverteilung und Vertragsfortschreibung im Tunnelbau. Dazu kommen erheblich voneinander abweichende Kulturen im Vertragsmanagement sowie in der Rollen- und Aufgabenverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer im Zuge der Bauausführung. Diese finden ihren Niederschlag auch in den jeweiligen Vertragsnormen und Planungsrichtlinien der einzelnen Länder.
Georg Michael Vavrovsky in seinem Rücktrittschreiben:
„Um diese Unterschiedlichkeiten für das gemeinsame Projekt bestmöglich zu nutzen, bestand Einvernehmen darüber, die unterschiedlichen Tunnelbau-Traditionen gegenseitig wertschätzend anzuerkennen und die in den beiden Ländern jeweils vorhandenen Erfahrungen zur Umsetzung der Projektteile im jeweiligen Landesbereich heranzuziehen. Damit sollte auch möglichen negativen Auswirkungen des Aufeinandertreffens der beiden unterschiedlichen Kulturen von vorne herein Einhalt geboten werden. Dem möglichen Unverständnis für das Vorgehen des jeweils Anderen (ggf. verbunden mit Ängsten, Vorhaltungen, Unterstellungen und Behinderungen) sollte der Wert der unterschiedlichen Erfahrungen für das gemeinsame Ganze vorangestellt werden. ...(...)...
So widersprechen diverse Schreiben von VD R. Zurlo an verschiedenste Projektbeteiligte eklatant jenem Geist, in welchem die Eigentümervertreter der BBT-SE den Projektauftrag an die BBT-SE erteilt haben.
In den vergangen Jahren musste ich allerdings mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, dass sich der italienische Projektpartner - zumindest auf Vorstandsebene - zunehmend von diesem Geist des ursprünglichen Projektauftrags zu lösen trachtete und einen Weg eingeschlagen hat, welcher einer gedeihlichen und fachgerechten Zusammenarbeit im Interesse des Gesamtprojektes alles andere als zuträglich ist. So widersprechen diverse Schreiben von VD R. Zurlo an verschiedenste Projektbeteiligte eklatant jenem Geist, in welchem die Eigentümervertreter der BBT-SE den Projektauftrag an die BBT-SE erteilt haben.“
Vier Fragen
Dann stellt der langjährige BBT-Aufsichtsrat in seinem Schreiben vier rhetorische Frage, die bereits damals jene Situation beschreiben, die jetzt zur Eskalation und zur Abberufung der beiden BBT-Vorstände geführt haben.
„Auf diesem Weg stehen unzweifelhaft Fragen im Raum die nicht nur aufklärender Antworten bedürfen sondern möglichst zeitnahe auch konsequente und zielführende Maßnahmen einfordern.
- Wollen die Projektpartner angesichts der Bedeutung und Komplexität des Projektes weiterhin akzeptieren, dass innerhalb des Vorstandes Anschuldigungen massivster Art erhoben werden, deren Berechtigung erst in aufwendigen und zeitraubenden Untersuchungen verifiziert werden können?
- Wie wollen die Projektpartner gegenüber dem Finanzierungspartner EU sowie gegenüber den vielfältigen Bedarfsträgern einer zukunftsgerechten Infrastruktur für den alpenquerenden Bahnverkehr einen Zustand verantworten, der zumindest auf Vorstandsebene augenscheinlich mehr von hemmender Selbstabsicherung als von zielorientierter Partnerschaft geprägt ist?
Wollen wir weiterhin mit einem Zustand leben, der nicht nur die Mitarbeiter der Gesellschaft demotiviert sondern sich auch höchst negativ auf das Geschäftsklima zwischen der Gesellschaft und ihren Vertragspartnern auswirkt?
- Mit welchen Maßnahmen gedenken die Projektpartner in der gegebenen Situation sicherzustellen, dass die Anforderungen für einen sicheren und wirtschaftlichen Betrieb aber auch für eine kapazitätsoptimierte Erhaltung im Klima einer fachkompetenten, partnerschaftlichen und lösungsorientierten Zusammenarbeit aller Beteiligten erfüllt und gewährleistet werden können?
- Wollen die Projektpartner alleine mit dem Verweis auf eine laufende Sonderprüfung durch die SCHIG (Die SCHIG mbH ist ein Unternehmen des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie das unabhängige Infrastruktur- und Kostenbewertungen und Kontrollen durchführt – Anm. des Autors) weiterhin mit einem Zustand leben, der in seinen Ursachen und Folgen nicht nur die Mitarbeiter der Gesellschaft demotiviert sondern sich auch höchst negativ auf das Geschäftsklima zwischen der Gesellschaft und ihren Vertragspartnern auswirkt?“
Eine neue Figur?
Georg Michael Vavrovskys Resümee Ende Dezember 2018:
„Um künftig eine professionelle und vereinbarungskonforme Projektabwicklung sicherzustellen, ist es unabdingbar, auf den relevanten Ebenen umgehend entsprechende Schritte zur Stabilisierung des Projektes zu unternehmen.“
Inzwischen wurden diese Schritte nicht nur eingeleitet, sondern auch umgesetzt. So hat man die Statuten der BBT SE so geändert, dass die beiden Länder autonom die Bauausführung abwickeln und auch abrechnen können.
Dazu kommt die geplante und bereits abgesegnete Abberufung der beiden Vorstandsmitglieder Raffaele Zurlo und Konrad Bergmeister.
Nachdem salto.bz den Austausch der Vorstände Anfang dieser Woche öffentlich machte, kam es vor allem in Österreich zu einer breiten Solidaritätswelle für Bergmeister. „Bergmeister muss bleiben“, so die Botschaft der beiden Landeshauptleute Günther Platter und Arno Kompatscher. Aber auch aus dem ÖBB wurden Stimmen, dass Bergmeister Vorstand bleiben soll.
Weil diese Lösung kaum mehr umsetzbar sein wird, spricht man inzwischen offiziell von „einer neuen Rolle für Bergmeister beim BBT“.
Dahinter steht eine konkrete Vorstellung. Über den beiden Vorständen soll ein EU-Koordinator installiert werden, der direkt von Pat Cox eingesetzt wird. Dieses Amt soll Konrad Bergmeister angeboten werden.
Einziger Haken an der Sache. Diese neue Figur wurde bei der Statutenänderung im Aufsichtsrat der BBT SE bereits andiskutiert. Dann aber ob des massiven italienischen Widerstandes wieder fallen gelassen.
Kommt aber Druck aus Brüssel in diese Richtung wird man sich das ganze nochmals überlegen müssen.
Konrad Bergmeister könnte dann beim BBT eine noch wichtigere Funktion bekommen.
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Der ÖBB? Seriously?! :D
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