Cultura | Poetry Slam

Gewaagte Poesie

Aus einem mit 10 Personen vollbesetzten Line-up wurden im Waaghaus in Bozen die letzten drei Finalist*innen für die Poetry Slam Landesmeister*innenschaft 2024 ermittelt.
Vorrunde
Foto: Lene Morgenstern
  • Nun stehen sie fest, die letzten drei Teilnehmer*innen für die vor über zehn Jahren ins Leben gerufene Landesmeisterschaft, die im (Wort-)Sinn des bekannten und vor 110 Jahren in Untermais verstorbenen Dichters Christian Morgenstern seit 2010 (mit Sieger Arno Dejaco) lautpoetische und vielsprachige Stimmen im Land sammelt, gegeneinander antreten lässt und im Rahmen eines finalen Termins den Meister/die Meisterin kürt.

  • Früher und heuer

    Früher Morgenstern: Der erste Sieger der 2010 in Leben gerufenen Landesmeisterschaft im Poetry Slam Arno Dejaco. Wer gewinnt 2024? Foto: SKB

    Während das Zauberwörtchen Morgenstern der Landesmeisterschaft im Lauf der Jahre still und leise abhanden kam, kamen viele Poet*innen hinzu. So auch jene, für diese dritte Vorrunde zur Ausgabe 2024. Politisches gab es zwar nicht wirklich, dafür war der Abend mit deutschen, italienischen, englischen und Dialekttexten multilingual. Musik gab es von Evelyn Kerschbaumer, Featuring Poet war Matthias Klaß. Moderiert hat wie schon die beiden Vorrunden zuvor, Lene Morgenstern
    Kurz nach 20.00 Uhr griff Evelyn Kerschbaumer zum ersten Mal in die Tasten des E-Pianos im voll besetzten Waaghaus. Das Publikum, dem am Eingang eine Kartoffel – die Sammlung aller Kartoffeln war der Gewinn des Abends – abgenommen wurde, ist slam-erprobt. Auf der Flip-Chart stehen bekannte und weniger bekannte Namen. Der Featuring Poet – also derjenige, an dem die Publiumsjury sich ausprobieren darf – war nach zwei "Italienern" diesmal einer aus der DDR. „Ehemalige DDR“ korrigierte Lene Morgenstern.

  • Slam-Konkurrenz im Waaghaus

    Matthias Klaß schreibt seit der Wende. Er performte außer Konkurrenz und auswendig einen Text, in dessen Zentrum das Edelweiß steht, das eine Reise durch die Geschichte macht. Das Rad der Zeit dreht sich immer schneller, doch das Edelweiß hat Bestand. Der Fußball-Text, mit dem er im 2. Teil brillierte, kam beim Publikum noch besser an.
    Verena Clara erwischte die unbeliebte Losnummer eins. Inspiriert von einem Dokumentarfilm über Depressionen schilderte sie ihre Eindrücke. Die Frage: Wie geht es? verursacht oft Unbehagen, die Antwort darauf interessiert eh keinen. Der Text ließ nicht verstört zurück, in die zweite Runde kam Verena Clara aber trotzdem nicht.
    Ania Viero kehrte mit einem Text, an dessen Anfang die Frage, ob denn die Herdplatte ausgeschaltet sei oder nicht stand, auf die heimische Slam-Bühne zurück. Laut, zweisprachig und wortgewaltig wie immer, schaffte sie den Sprung in die 2. Runde. Dort befasste sie sich in einem rein italienischen Text intensiv mit dem Geruch, den der Keller verströmt, zeigte dem Publikum, wie gut sie sich in der Literaturgeschichte auskennt und ein Pudel spielte auch noch eine zentrale Rolle. 
    Andreas Kofler als dritter im Bunde erzählte über ein Experiment. Er, der sich einen Rock kaufte, trug den beim Laubenfest in Neumarkt, beim Gottesdienst, wo er neben dem Priester der zweite Rockträger war und schlussendlich noch bei der Musikprobe. Ob die Entscheidung, den Text im Dialekt zu performen, eine gute war, sei dahingestellt. Trotz coolem Inhalt schaffte auch er den Einzug in Runde zwei nicht. 
    Seamus Wimhurst, der wahrscheinlich jüngste und sicher der mit dem extravagantesten Namen erzählte in „Pancetta“ über seinen Sommerjob im Dorfladen. Ob die Ananas denn heimisch sei? Nun ja, eher nicht. Der witzige Text überstand die Runde 1. Im zweiten Beitrag des Abends, der ausschließlich Englisch war, stand das Sterben im Mittelpunkt. Richtig gruselig wurde es, als der Protagonist Silvio Berlusconi am Himmelstor begegnete.
    Nach einer Babypause und mit einem „Endlich wieder auf der Bühne!“ eröffnete Irene Moroder ihre Performance. Im Zentrum des – ebenfalls italienischen -Textes standen Schwangerschaft und Geburt, sowie Schönheit und Schrecken des Mutterseins. Irene Moroder war in Runde zwei nicht mehr zu sehen.
    Auf Italienisch ging es weiter. Silva Manzardo, Lokalmatadorin im Waaghaus, traf mit ihrem Text „Senza senza“ mitten in die Herzen der Jury und kam problemlos eine Runde weiter. Im zweiten Text, deren Protagonisten Hunde waren, stellte sie eine interessante These auf. Alleinerziehende kaufen sich einen Hund, nachdem die Kinder aus dem Haus sind. Sie pflegen keinerlei Kontakte, heiraten ihren Hund und werden schließlich selbst einer. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

  • Ein, zwei Runden...

    Auf ins Finale: Diese drei Poet*innen haben den Einzug in das Finale geschafft: Silva Manzardo Ania Viero und Seamus Wimhurst Foto: Lene Morgenstern

    Adam Dalpiaz nutzte die Startnummer 7 dazu, dem Anwesenden zu verraten, er wäre nur ein Stalker. Den schrägen Text über Mülleimer und Müllmänner interpretierte er abschließend selbst und löste damit das Ticket für Runde 2. Thomas Mann, „von dem ich nichts gelesen habe“, kam darin nach Montan. Der etwas verwirrende Text kostete Adam einen Startplatz beim Finale.
    Ella Conte beschrieb mit Hilfe von Sonnenblumen die Schwere, die das Frausein mit sich bringt. Ihr Text, der Gewalt gegen Frauen zum Inhalt hatte, war nicht der einzige zu diesem Thema an diesem Abend. Einer sollte noch folgen. In Runde 2 waren 2 Faschisten, die Sushi essen gehen, die schrägen Hauptdarsteller. „Das geht doch nicht!“
    Sonia Gottardis Figur Marie, 19, sprach über die Zukunft, von der sie keine Vorstellung hat. Alle anderen aber schon. Die werden Ärzte und machen Reisen und gründen Familien oder haben wenigstens feste Freunde – das alles in drei Sprachen. „Ins Zeug legen müsste man sich.“ Trotzdem sie sich ins Zeug gelegt hat, reichte es nicht für Runde 2. 
    Lena Trojer bot als letzte noch einmal dem Thema Sexismus eine Bühne. Wieso gefalle ich Typen, denen ich nicht gefallen will? Wieso nehmen mich die Gleichaltrigen gar nicht wahr? Auf Deutsch und Englisch äußerte sie das Unbehagen auf der Straße. Auch für sie leider kein Weiterkommen.
    Ania Viero, die die Kartoffelkiste mit nach Hause nehmen durfte, Silva Manzardo und
    Seamus Wimhurst lösten schließlich die letzten drei Finaltickets. Aus der Vorrunde in Brixen kommen Lena Simonetti, Olivia Kaufmann und Annalena Kluge. Aus Meran haben Nathan der Nice, Filomena Hunglinger und Michaela Grüner den Finaleinzug geschafft. 

  • Finale im Stadttheater

    Das große Finale geht am Samstag, dem 5. Oktober 2024 mit Beginn um 20.00 Uhr im Stadttheater Bozen über die Bühne. Mit dabei sind neben den Finalteilnehmenden aus den Vorrunden Titelverteidigerin Hannah Tonner, Poetry Slam World Champion 2023 Filippo Capobianco als Featuring Poet, Roberto Turbaro & Helga Plankensteiner machen Musik und moderiert wird in bewährt schlagfertiger und gut gelaunter Manier von Lene Morgenstern. Tickets gibt es online unter ticket.bz.it bzw. vielleicht noch an der Theaterkasse.