Società | Massentest

Südtirol testet – und dann?

Die Verordnung zum Corona-Screening ist in Kraft. “Niemand wird gezwungen”, stellt der Landeshauptmann klar. Der Gesundheitslandesrat spielt den Ball der Bevölkerung zu.
Corona-Screening
Foto: LFV

Um 16.59 Uhr ist am Dienstag die Dringlichkeitsverordnung Nr. 70 in Kraft getreten. Damit regelt Landeshauptmann Arno Kompatscher die landesweite Corona-Schnelltestaktion “Südtirol testet”, die am 20., 21. und 22. November in allen 116 Südtiroler Gemeinden stattfindet.

Um 17 Uhr informierte Kompatscher die Landtagsabgeordneten über die Inhalte der Verordnung. Die darin festgehaltenen Regeln nur für das “Sonderprojekt” Massentest. Sie betreffen in erster Linie die Rechtsfolgen, die sich aus dem Ergebnis des Antigen-Schnelltests für die Personen, die sich testen lassen, ergeben. Und zwar sind das folgende:

  • nach dem Test werden die Bürger auf telematischem Weg – über E-Mail oder Handynachricht – über das Testergebnis informiert
  • bei negativem Resultat erhält man die Benachrichtigung samt der Anweisung, weiterhin Vorsicht walten zu lassen und die allgemeinen Sicherheitsregeln (Abstand, Hygiene, Atemschutz) einzuhalten
  • bei positivem Resultat erhält man die Benachrichtigung samt der Isolationsverfügung für 10 Tage und Anweisungen, wie man sich während der Isolation zu verhalten hat
    • wer zum Zeitpunkt des Tests keine Symptome hat und während der 10-tätigen Isolation asymptomatisch bleibt, darf sie nach 10 Tagen ohne weiteren Test verlassen
    • wer Symptome aufweist – diese Personen sollten erst gar nicht zum Screening kommen, sondern sich an den Hausarzt wenden – bzw. während der Isolation entwickelt, muss sich mein Hausarzt melden, mit dem das weitere Vorgehen besprochen wird; der Hausarzt beantragt einen PCR-Test und, falls notwendig, die medizinische Versorgung; ist das Ergebnis des PCR-Tests negativ, wird die Isolation beendet, auf jeden Fall beendet ist sie nach spätestens 21 Tagen – auch ohne negativen Test
  • alle Positiven, mit oder ohne Symptomen, werden krank geschrieben, falls der entsprechende Wunsch auf Krankschreibung bei der Anmeldung zu den Tests angegeben wurde; um die Meldung bei der INPS, mit der dieses Vorgehen schriftlich vereinbart worden ist, kümmert sich der Sanitätsbetrieb
  • enge Kontaktpersonen von positiv Getesteten werden nicht automatisch in Quarantäne geschickt, der Infizierte muss sich aber isolieren; falls das nicht möglich ist, könnten dazu so genannte “Covid-Hotels” zur Verfügung gestellt werden, wo sich eventuell negativ getestete Personen aufhalten können, die sich zu Hause nicht von der positiv getesteten Person abschotten können – man sei dabei diese Möglichkeit zu prüfen, bestätigt Gesundheitslandesrat Thomas Widmann, einige Betriebe hätten sich auch schon gemeldet; er rechnet damit, dass 100 bis 300 Personen Bedarf dafür haben könnten
  • die Tests können auch bei akkreditierten Haus- oder Amtsärzten und Apotheken, Privatstrukturen oder betriebsinternen Amtsärzten durchgeführt werden (die entsprechende Liste soll am Mittwoch veröffentlicht werden), und zwar bis zu 72 Stunden vor und 72 Stunden nach der Aktion “Südtirol testet”

 

Gemeinden geben vor

 

Zur Frage, wie die Corona-Screenings am Wochenende logistisch und organisatorisch bewältigt werden, verweist Landeshauptmann Kompatscher auf eine Pressekonferenz, die am Mittwoch, 18. November, für 13 Uhr angesetzt ist, und auf der “Südtirol testet” der Öffentlichkeit vorgestellt wird (mitzuverfolgen auf Facebook oder Youtube).

Die Einladungen zum Test, die Vormerkungen und eventuelle Gruppierungen – etwa nach Straßenzügen – erfolgt je nach Gemeinde unterschiedlich. Mit Meran und Brixen haben zwei der größten Städte ihre Strategie bereits erstellt. Das Vorgehen in der Landeshauptstadt Bozen wird am Mittwoch Vormittag präsentiert. “Der Ordnungsdienst – Freiwillige Feuerwehren, Sicherheitskräfte – wird dafür sorgen, dass es zu keinen Menschenansammlungen kommt”, verspricht der Landeshauptmann. Das gesamte am Screening-Wochenenende eingesetzte Personal wird vorab selbst einem Corona-Schnelltest unterzogen.

 

Theoretisch sei “logistisch schaffbar”, die angepeilten 350.000 Personen zu testen, betont Kompatscher. Auch die Testkapazitäten sind vorhanden. “Wir haben 570.000 Testkits im Haus”, berichtet Landesrat Widmann. Doch sie beide rechnen nicht damit, dass sich tatsächlich 350.000 Personen testen lassen werden. Nicht zuletzt, weil inzwischen die Meinung weit verbreitet ist, dass die Landesregierung zum Test zwingen will. Etwa, um in der Woche nach den Tests wieder arbeiten gehen zu können. Das sei völlig falsch, bemüht sich der Landeshauptmann im Gespräch mit den Landtagsabgeordneten klarzustellen: “Die Tests sind freiwillig. Niemand wird gezwungen.”

 

“Wie der Zwang zu Sicherheitsschuhen”

 

Die Verordnung Nr. 69 vom 12. November sieht vor, dass in den Wirtschaftsbetrieben, die in der Zeit des 15-tägigen Lockdowns vom 14. bis 29. November weiter arbeiten dürfen, “nur das Personal eingesetzt werden [kann], das bei dem vom Landesgesundheitsdienst organisierten Corona-Screenings teilnimmt”. Das aber sei kein Zwang, sondern eine Sicherheitsvorschrift zum Schutz der Arbeitnehmer, präzisiert Kompatscher. Die Betriebe müssten eine Risikobewertung vornehmen und jene Bereiche definieren, in der es zu Kontakten (mit Kunden oder Arbeitskollegen) kommen kann. In diesen Risikosituationen können, falls sie nicht anderweitig behoben werden können – etwa durch räumliche Trennung oder verstärktes Lüften – nur getestetes Personal eingesetzt werden.

“Nicht jede Arbeitssituation ist eine Risikosituation. Die Fälle werden in den Sicherheitsprotokollen genau definiert”, so der Landeshauptmann. Er vergleicht diese Regelung mit den Sicherheitsschuhen auf Baustellen. “Da könnte man auch sagen, ja, wir ‘zwingen’ die Menschen, Sicherheitsschuhe zu tragen. Aber es ist ein Schutz für den Arbeitnehmer und kein Zwang. Wer sich weigert, sie anzuziehen, darf auch nicht arbeiten.” Mitarbeiter der betroffenen Betriebe, die sich nicht testen lassen (wollen), können gegebenenfalls anders, also nicht in Risikosituationen, eingesetzt werden oder müssen als ultima ratio dem Arbeitsplatz fern bleiben. Von den größeren Unternehmen habe er bisher nicht gehört, dass sie Probleme mit testunwilligen Mitarbeitern hätten, berichtet Kompatscher.

 

Ball an die Bevölkerung

 

Auf die Frage vieler Landtagsabgeordneten nach dem “Südtirol testet – und dann?” antworten Landeshauptmann und Gesundheitslandesrat folgendes: Es werde lokale bzw. punktuelle oder breiter angelegte Folgetests geben – je nachdem, welches Bild des Infektionsgeschehens sich aus den Massentests ergibt. Zu möglichen Lockerungen oder Öffnungen nach dem 29. November wollen beide nichts sagen. “Wir können nicht heute definieren, was es nächste Woche an Lockerungen gibt. Das wäre nicht seriös. Wir werden nach dem Test-Screening eine Neubewertung der Situation vornehmen”, meint Kompatscher. Das Ziel sei es nun, möglichst viele Positive zu isolieren und dadurch möglichst viele Infektionsketten zu unterbrechen. Dafür müssen möglichst viele Menschen an dem Screening teilnehmen und sich testen lassen.

Eine genaue Teilnehmerzahl, ab der man von einem Erfolg sprechen oder wieder Lockerungen in Angriff nehmen könnte, will Kompatscher keine nennen. Für den Gesundheitslandesrat ist indes klar: “Die Bevölkerung entscheidet, ob der Lockdown länger oder weniger lang dauern wird.” Bei genügend Beteiligung sei der Lockdown “vor Weihnachten aufhebbar”. Falls aufgrund mangelnder Teilnahme deutlich weniger Infizierte isoliert werden können und weiter – wie seit Wochen – täglich hunderte neue Fälle auftreten, sei erst kommenden Jahr mit einer Entspannung der Infektionslage zu rechnen. Es könnte “bis Februar mit strengsten Maßnahmen” weitergehen, sagt Widmann.

 

Alle aktualisierten Informationen und Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Corona-Schnelltestaktion gibt es im Corona-Portal des Südtiroler Zivilschutzes.